Wie Wien wirklich in der Weihnachtszeit aussieht: ein Spaziergang
Ein Blick hinter die Weihnachtskulissen Wiens: Was die Ringstraße außer Adventmärkten zu bieten hat.
Ich gehe durch den Stadtpark, wo wundersamerweise kein Weihnachtsmarkt aufgebaut ist, und genieße die Sonnenstrahlen, die sich zwischen Nebelbänken durchschieben, im Wasser für Reflexionen sorgen und mir das Gefühl vermitteln, dass die besonders schönen Herbstwintervorstellungen auch für ein kleines Publikum angesetzt werden. Außer mir eilen nur ein paar ganz geschäftige Menschen, die auf der jeweils anderen Seite des Parks ein Ziel haben, durch die Kulissen.
Ich versuche vergeblich, die Stimmung mit dem Handy festzuhalten. Wenn die Natur sich besonders verausgabt, schauen die Bilder, die ich davon mache, immer erschreckend banal aus. Das ist mir eine Lehre: Umso mehr gilt es, den erlebten Zauber in die Erinnerung mitzunehmen, nicht nur flache Abbilder davon zu schaffen.
Ich gehe weiter, am Eislaufverein und am Konzerthaus vorbei, erwäge, beim Scharfen René, dem berühmten Würstelstandler am Schwarzenbergplatz, einen Imbiss zu nehmen, um dem Zimt-Zucker-Duft auf dem Karlsplatzweihnachtsmarkt etwas entgegenzusetzen, entscheide mich aber dagegen, weil die Weihnachtsmärkte eigentlich eh selbstständig nach Wurst und Langos riechen und nicht nach Myrrhe und Weihrauch oder nach Zimt und Zucker.
Im ausgeleerten Teich vor der Karlskirche traben Ponys im Kreis. Ich drehe mich um und freue mich, dass der Umbau des Wienmuseums langsam Gestalt annimmt. Angeblich sperrt das Haus mit dem aufgestockten Dach und der Wunderterrasse im kommenden Jahr wieder auf. Ich freue mich drauf.
An der Technischen Universität gehe ich vorbei und erinnere mich an den Moment vor ein paar Tagen, als ich jenseits der Karlsplatz-Fahrbahnen durch die Akademiestraße spazierte, die kleine Gasse zwischen Albertina Modern und der Vienna Business School, und von dort einen prachtvollen Blick auf das Universitätsgebäude erhaschte, dessen Haupteingang von den beiden Otto-Wagner-Stationsgebäuden pittoresk eingerahmt wird. Wer sich diesen Blick noch nie gegönnt hat, soll ihn sich zu Weihnachten schenken. Kostet maximal sechs Minuten.
Über den Naschmarkt gehe ich schnell, man könnte sonst an der einen oder anderen Schank pickenbleiben. Eine Kohorte von Pickengebliebenen steht dafür gerade, mehr oder weniger. Unversehrt biege ich in die Schleifmühlgasse ein, und plötzlich sehe ich ein bezauberndes urbanes Ensemble vor dem „Otto e Mezzo“, einem italienischen Restaurant. Ein antiker Volvo, ungefähr aus der Zeit des Ringstraßenbaus, steht neben einer wunderschönen Vespa, auf der möglicherweise früher einmal Abraham a Sancta Clara durch die Stadt gedröhnt ist. Im Hintergrund betrachtet ein ziemlich großes Vögelchen, wie es Paul Flora nicht schöner an das Haustor hätte sprayen können, das Posieren der beiden Schönheiten. Ja, ich bin sicher, dass mir dieser flüchtige Moment persönlich zugedacht ist. Ich halte ihn für die Nachwelt fest und bitte die famose Frau Klobouk, ihn zu malen – siehe oben. Dann gehe ich weiter, auf der Suche nach neuen Vignetten, denn Schönheit kann buchstäblich an jeder Ecke wohnen – auch an Ihrer.
Die Route
Stadtpark – Lothringerstrasse – Karlsplatz – Naschmarkt – Schleifmühlgasse: 2.800 Schritte
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