Seilers Gehen: Wo einst Strauß und Lanner aufspielten

Vom Döblinger Gürtel aus 1.600 Schritte unterwegs.

Der Döblinger Gürtel ist das Scharnier, das die Nußdorfer Straße und die Döblinger Hauptstraße miteinander verbindet. Ich stehe am Fußgängerübergang, sehe Auto um Auto vorbeirumpeln und frage mich, wie die Menschen, die hier in den hohen Häusern wohnen, auf den Stop-and-go-Verkehr hinunterschauen. Träumen sie nachts von Las Vegas?

Ich bin erleichtert, als ich nach der Abzweigung der Billrothstraße, die den meisten Verkehr aufnimmt, in den etwas dörflicheren Teil der Döblinger Hauptstraße einbiegen kann, um stadtauswärts zu gehen. Ich sehe eine Mischung aus nachhistoristischen und secessionistischen Zinshäusern, Wohnbauten aus den sechziger, siebziger, achtziger Jahren, die sich in aufgehende Lücken gedrängt haben, Asialokale, Gewerbe, das entzückende Ensemble zwischen den Nummern 15 und 17 mit seinem Neoempire-Dekor, auf der rechten Straßenseite eine lange Zeile von Bäumen, das klassizistische Areal der Herrenhaus-Kellerei, die dem gefallenen Handelsriesen Konsum gehört hatte und jetzt mit Luxuswohnungen bebaut wird – „Wohnen, wo andere Urlaub machen“ –, Günderzeitfassaden, einstöckige Biedermeierhäuser, der Karakotsch-Hof, der in Jugendstiltypografie „Eingang zu den Bädern“ verspricht – hier befand sich früher das Oberdöblinger Bad. Blumen, Nahversorger, das Casino Zögernitz, in dessen Saal Strauß und Lanner aufgespielt hatten, und das jetzt, wie könnte es anders sein, zu einer „Wohnresidenz“ wird. Nur „wohnen“ allein ist ja inzwischen zu wenig. Wir wollen alle „residieren“.

©Klobouk Alexandra

Die Döblinger Hauptstraße hatte in ihrer fast tausendjährigen Geschichte viele Namen. Sie folgte einer römischen Limesstraße, führte zu einer slawischen Siedlung namens Teopilic, die sich auf der Höhe des Wertheimparks befand, hieß „Auf der Osterleiten“, „Hofzeile“, „Hauptgasse“, „Hauptstraße“. 1894, nach der Eingemeindung der Vororte Oberdöbling und Unterdöbling wurde sie schließlich zur „Döblinger Hauptstraße“, obwohl sie hier nicht viel breiter als eine Gasse mit etwas Selbstbewusstsein ist. Der 37er muss sich an manchen Stellen jedenfalls schlank machen, um zwischen die Gehsteige zu passen.

Mein besonderes Interesse gehört dem winzigen Kirchlein, das sich gegenüber der Villa Hainisch in die Krümmung der abgehenden Hofzeile gepresst hat: die Johannes Nepomuk-Kapelle. Ein reicher Bürger hatte sich den zweistöckigen Barockbau im 18. Jahrhundert als freistehende Privatkapelle errichten lassen, die Nachbarhäuser wurden um die Kapelle herum gebaut. Als in der Nähe eine größere Kirche entstand, wurde die Kapelle entweiht, diente einem Tischler als Lager, wurde wieder geweiht, entweiht, beherbergte den Döblinger Theatersaal, bevor 1857 die „Schwestern vom armen Kinde Jesus“ das Ensemble kauften, einen Klosterbau errichteten und die Kapelle von Neuem weihen ließen. Nicht lang, dann wurde das Kirchlein wieder profaniert, eine Zwischendecke eingezogen und zum Versammlungsort und Speisesaal umfunktioniert. Da steht es jetzt, bewacht von den Heiligen Florian und Leopold, und wartet auf das, was kommen möge.

Die Route

Döblinger Gürtel – Döblinger Hauptstrasse – Hofzeile: 1.600 Schritte

Christian Seiler

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