Psyche im vierten Lockdown: Was uns jetzt guttut und Auftrieb gibt
Wie wir jetzt trotz der neuerlichen Ausgangsbeschränkungen unsere Kräfte mobilisieren können.
Und täglich grüßt … der Lockdown. Seit die bizarre Geschichte des in einer Zeitschleife gefangenen Bill Murray Anfang der Neunziger über die Kinoleinwände flimmerte, hat sich die Redewendung für sich wiederholende, unangenehme Situationen etabliert. Unangenehm – das ist Lockdown Nummer vier allemal.
Die Psyche erlebt jedenfalls ein Déjà-vu. Schlimmer noch: Die neuerlichen Radikalmaßnahmen reißen alte emotionale Wunden auf. Insbesondere bei Menschen, die bisher schon
mit Einsamkeit, Existenzängsten oder der Doppelbelastung von Kinderbetreuung und Homeoffice zu kämpfen hatten.
Hinter dem, was viele jetzt als seelischen Dämpfer erleben, steht eine Stressreaktion: „Die Unsicherheit, ob und wann dieser unkontrollierbare Ausnahmezustand enden wird, macht Angst, und Angst macht Stress – und anhaltender Stress führt zu Belastung“, sagt Manuela Hos, Psychologin am medizinischen Zentrum Trinicum in Wien. Mit den Grenzen der eigenen Belastbarkeit haben die allermeisten in den vergangenen Monaten Bekanntschaft gemacht. Die Folge: Angstzustände, Depressionen, Schlafprobleme und Erschöpfungserscheinungen hatten und haben Hochkonjunktur.
Achtsamkeit üben
Nun muss die Hoffnung auf Normalität wieder hintangestellt werden. Wieder hervorgeholt darf das werden, „was in bisherigen Lockdowns hilfreich und entlastend war“, sagt Hos. Ausdruck für Gefühle zu finden (beim Malen, Singen, Tanzen, Kochen, Garteln oder Handwerken) ist ebenso wichtig wie Bewegung an der frischen Luft. Ein Vollbad oder ein gutes Gespräch können Balsam für die Seele sein.
Neben stabilisierenden Ritualen ist es laut Hos wichtig, „sich bewusst zu machen, dass bedrohliche Gedanken oft erstarken, wenn man in Vergangenem hängt oder sich Zukünftiges ausmalt. Man verlässt die Gegenwart, wo es Handlungsspielraum gäbe, das Wohlbefinden zu beeinflussen.“
Reden hilft
Krisen-Nummern
Die Corona-Sorgenhotline ist täglich von 8 bis 20 Uhr unter 01400053000 erreichbar. Unter 142 ist die Telefonseelsorge 24 Stunden für Betroffene da.
Einfache Übung
Um ins Hier und Jetzt zu finden: Nennen Sie laut 5 Dinge, die Sie sehen, 5 Dinge, die Sie hören, und 5 Dinge, die Sie spüren. In Runde zwei nennen Sie statt 5 Dingen nur noch 4 Dinge pro Kategorie. Gehen Sie immer weiter runter, bis Sie bei einer Nennung angekommen sind.
Mit Achtsamkeitsübungen (siehe links) lässt sich das Hier und Jetzt in den Fokus nehmen. Auch tiefe Atemzüge können in Momenten akuter Anspannung entlasten. Wutgefühle werden aktuell unweigerlich befeuert. „Hier ist es wesentlich, Grenzen zu setzen – gegenüber der medialen Informationsflut ebenso wie in fordernden Gesprächen mit Kollegen oder der Familie.“
Die gute Nachricht: „Wir Menschen sind Experten für uns selbst. Wir wissen, was uns guttut – vergessen es nur allzu oft.“
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