A girl with a beautiful manicure breaks a cigarette.

Rauchstopp-Experte zu Neujahrsvorsatz: "Jeder Versuch zählt"

Univ.-Doz. Ernest Groman: Was Rauchern beim Entwöhnen hilft und welche Alternativen es zur Zigarette gibt.

„Im neuen Jahr höre ich endlich mit dem Rauchen auf“: ein klassischer Vorsatz, der in Zeiten der Pandemie wichtiger denn je scheint. Die gute Nachricht: Der Rauchstopp kann gelingen – vorausgesetzt man holt sich dafür professionelle Unterstützung und probiert’s zugleich mit einfachen, psychologischen Tricks. Was ebenfalls Mut macht: Für Menschen, die aufhören möchten, es aber nicht ganz schaffen, gibt es zahlreiche alternative Produkte auf dem Markt, die weniger gesundheitsschädlich sind. Was beim Abgewöhnen sonst noch hilft, wie Partner einander beim Rauchstopp unterstützen können und welche Vorteile es bringt, sich von Zigaretten zu lösen, erzählt Univ.-Doz. Ernest Groman vom Nikotininstitut in Wien.

Der Vorsatz ist da, dennoch scheitern viele. Warum ist es so schwierig, mit dem Rauchen aufzuhören?

Nikotin ist eine psychoaktive Substanz, die ich über die Zigarette inhaliere. Es ist das gefährlichste Zulieferungssystem, das es gibt. Die Anflutung des Nikotins funktioniert über die Lunge - das geht schneller als würde man sich’s in die Vene spritzen, weil es sofort in den arteriellen Kreislauf gerät und daher sehr, sehr schnell Wirkung zeigt. Und bis vor Kurzem war es ja eine gesellschaftlich akzeptierte „Droge“, es ist also noch nicht so lange her, dass überall geraucht wurde.

Die Salonfähigkeit des Rauchens hat sich dennoch reduziert. Bedeutet das tatsächlich einen Rückgang des Konsums in Österreich?

Laut Statistik ja. Die Zahlen gilt es allerdings mit Vorsicht zu betrachten. Denn wenn begonnen wird, ein Verhalten zu diskriminieren, stellt sich die Frage, ob die Wahrheit überhaupt noch telefonisch erhoben werden kann. Die Zahlen, die von den Trafikanten kommen, weisen durchaus Umsatzsteigerungen auf. Gerade im Lockdown.

Gibt es eine Typologie des Rauchens?

Ja. Der Fagerström-Test (siehe weiter unten) für Nikotinabhängigkeit zeigt das sehr gut, daran lassen sich die Erfolgschancen für einen Entwöhnungsprozess ablesen. Mit seiner Hilfe lässt sich bestimmen, wie stark die körperliche Abhängigkeit von Rauchern ist. Wenn da jemand 9 von 10 Punkten erreicht, braucht er meines Erachtens eine eher intensive Betreuung. Weil es einen Unterschied macht, ob jemand zehn Zigaretten am Tag raucht oder – wie unser Rekordraucher – 120.

120 Zigaretten täglich? Wie geht sich das denn aus?

Der Mann hat nur mehr vier Stunden geschlafen, er hat Kette geraucht, das wurde für ihn dann auch zu einem ökonomischen Problem. Natürlich wird jeder verstehen, dass so jemand andere Erfolgschancen hat.

Oft lautet die Botschaft: „Quit or die“. Das scheint für Nikotinabhängige aber oft nicht der beste Ansatz.

Ja, ein Missverständnis. Weil Abhängigkeit oder Sucht einen Krankheitswert hat. Einem Menschen einfach zu sagen, du hörst jetzt auf oder du bekommst, was du verdienst - nämlich eine Krankheit - ist ethisch falsch. Das würde man bei einer anderen Krankheit auch nicht machen. Was schwierig zu kommunizieren ist, weil ein Nichtraucher niemals verstehen kann, warum ein Mensch raucht und nicht aufhören kann.

Also muss der Wunsch aufzuhören, immer von der Person selbst kommen…?

Aufzwingen kann man das niemanden, das ist richtig. Aber was schon gemacht werden sollte, dass die Menschen laufend informiert darüber werden – über die Folgen des Rauchens und die Möglichkeiten einer Entwöhnung. Die wiederholte Botschaft „Hör zu rauchen auf, mach etwas!“ hilft.

Wenn ich mit einem Raucher verheiratet bin, ist es dann sinnvoll, wenn ich als Ehepartnerin immer wieder sage, überlege dir doch, zu rauchen aufzuhören…?

Naja, in den Partnerschaften ist das oft schwierig. Das hängt von der Konstellation ab. Wir haben immer wieder besorgte Partnerinnen und Partner, die anrufen und sich erkundigen, ob sie die Frau, den Mann motivieren sollen, aufzuhören. Ich sage dann: Ja, aber besprecht das nicht jeden Tag mit ihnen, sondern alle zwei, drei Monate einmal. Das vor allem in einem ruhigen Moment – nicht im Streit, wo das dann als Vorwurf im Raum steht. Das bringt nichts und löst nur Abwehrreaktionen aus. Man sollte sich bemühen, den Partner nicht auf die Nerven zu gehen, es aber ab und zu ansprechen. Wesentlich ist: Dass man sich nicht erwarten darf, damit sofort Erfolg zu haben. Der Entschluss muss, wie erwähnt, von der Person kommen.

Vom Entschluss ist es aber dann doch noch oft ein langer Weg?

Bevor die Raucher mit ihrem Entwöhnungswunsch zu uns kommen, haben sie meist schon zwei bis drei Entwöhnungsversuche hinter sich. Die Erfolgreichen kommen ja nicht zu uns. Tatsächlich haben sie im Durchschnitt bereits zwei bis drei Jahre darüber nachgedacht. Oft entsteht so ein Entschluss auch, weil es eine Erkrankung bei der Person selbst oder im Umfeld gibt. Zum Beispiel, wenn der gleichaltrige Schulfreund starker Raucher ist und nun einen Herzinfarkt hatte. Da beginnen manche zu überlegen.

Radikaler Rauchstopp ist etwas, das die meisten Raucher sehr fürchten. Was kann man diesen Menschen alternativ anbieten?

Zunächst gibt es eine breite Palette von Ersatzprodukten in der Apotheke, wobei wir da gut darauf schauen, wie oft solche Produkte im Zuge von Entwöhnungsversuchen schon verwendet wurden. Jemandem, der es mit Nikotinkaugummi bereits zum vierten Mal erfolglos versucht hat, zu raten, er soll’s nochmals damit versuchen, ist nicht sinnvoll und schwierig. Wobei dieser Kaugummi meist falsch verwendet wird – nämlich unterdosiert. Insofern sind wir froh über neue Produkte aus der Trafik, mit denen die Menschen dort abgeholt werden, wo sie sind. Bei den pharmazeutischen Produkten haben wir auch das Problem, dass sie sehr belehrend daherkommen. Sie sind medikamentenartig verpackt, mit Produktinformation – früher ist da so viel drinnen gestanden, dass manche Raucher gesagt haben, da rauche ich lieber weiter, das ist gesünder. Außerdem bedeutet die Apotheke eine gewisse Hemmschwelle. Wir haben aber in der Trafik eine ganze Palette neuer Produkte, die zwar ebenfalls nicht gesund sind, aber mit Sicherheit viel weniger schädlich.

Für wen genau sind diese Produkte eine optimale Alternative?

Für jenes Drittel, das auf keinen Fall aufhören möchte, Nikotin zu konsumieren. Für sie gibt es drei große Produktgruppen. Zunächst die Tabakerhitzer, die am ehesten wie Zigaretten wirken und sehr nahe an der Zigarette sind. Da wird Tabak nicht mehr verbrannt, sondern es handelt sich um einen speziell zubereiteten Tabak, der erhitzt wird. So entstehen hier nachgewiesenermaßen viel weniger Schadstoffe, gleichzeitig ist ausreichend Nikotin da. Das Nikotin macht zwar abhängig, ist aber im Vergleich zu den Rauchinhaltsstoffen relativ harmlos. Und dann wäre noch die Gruppe der E-Zigaretten. Hier ist nur wichtig, sie in Österreich zu kaufen, und nicht im Internet – denn dann sind sie von der AGES zertifiziert und in Ordnung. Zuletzt wäre da noch die Gruppe der Nikotin-Pouches, die es in der Apotheke gibt. Das sind Säckchen in Größe eines Ringfingernagels, die mit einer Trägersubstanz versehen sind und Nikotin enthalten. Man gibt sie unter die Oberlippe und sie liefern ausreichend Nikotin.

Helfen diese Produkte, komplett vom Nikotin wegzukommen?

Der Schritt, es ein weiteres Mal zu probieren, ist damit kein ganz so weiter mehr.  Man hat auf jeden Fall ein Erfolgserlebnis. Für die Firmen, die all diese Produkte herstellen, ist die vollkommene Entwöhnung natürlich nicht das Ziel und auch nicht die Intention. Im Gegensatz zu Medikamenten.

Es werden immer wieder andere Entwöhnungsmethoden erwähnt, wie etwa Hypnose oder Akupunktur. Wie sind da die Erfahrungen?

Ich sage den Menschen immer: Wenn es nicht zu teuer ist, sollen sie es ausprobieren. Wissenschaftlich gibt es dazu aber nichts. Es hilft manchen trotzdem. Alles, was Aufhörversuche auslöst, ist gut. Für Akupunktur spreche ich mich sogar mehr aus, obwohl es ebenfalls keine Studien gibt, die die Wirkung belegen. Es ist halt so, dass sich der Raucher etwas wünscht, das von Außen kommt, das hilft. Dass jemand anderer etwas mit ihm macht und was auslöst. Das funktioniert aber bei einer Abhängigkeit erfahrungsgemäß nicht. Deshalb sind die Menschen oft enttäuscht, wenn wir ihnen sagen, dass sie selbst schon etwas beitragen müssen, damit es funktioniert.

Zur Praxis des Neujahrsvorsatzes: Haben Sie konkrete Tipps für Menschen, die 2022 aufhören wollen, zu rauchen?

Für den Neujahrsvorsatz habe ich zwei sehr wesentliche Ratschläge: Sie sollten es unbedingt ernst meinen. Und dafür sollten sie sich den richtigen Zeitpunkt aussuchen. Ich will niemanden davon abhalten, mit Schlag Mitternacht das Rauchen einzustellen. Sinnvoll ist es aber nicht, denn wenn man sich in einer feuchtfröhlichen Laune befindet, passiert es meist, dass man um zwei, drei Uhr morgens erneut wieder zur Zigarette greift. Alkohol befeuert das Rauchverhalten, man wird rasch rückfällig. Somit ist das Thema abgehakt, man ist frustriert und raucht weiter. Es ist also wichtig, es gut zu planen.

Sonst irgendwelche Tricks?

Optimalerweise hätte man keine eigenen Zigaretten mehr daheim. Wenn man sich das nicht vorstellen kann, dann sollten Sie sie wegräumen – sie aber keinesfalls direkt am Körper tragen oder in der Handtasche. Man fühlt sich damit zwar sicherer, aber der Griff zur Zigarette ist dann sehr nah. Raucher klammern sich sehr gerne an ihre Zigaretten. Wer merkt, dass es schwierig ist, nicht zu rauchen, sollte unbedingt zu einem Ersatzprodukt greifen können und bei sich haben - aus der Trafik oder Apotheke.

Sie ermutigen auf jeden Fall zum Versuch, auch wenn es möglicherweise scheitert?

Die Menschen sehen das oft viel zu verkrampft. Es ist viel besser, ich versuche es als ich versuche es nicht. Wir haben gesehen, dass die wenigsten Raucher es beim ersten Mal schaffen. Doch im besten Fall lernt man bei jedem Aufhörversuch etwas. Mit jedem ernsthaften Versuch steigen auch die Erfolgsraten, weil die Betroffenen was dazulernen. Wenn ich es nicht schaffe, sollte ich wenigsten eine Reduktion in Erwägung ziehen beziehungsweise auf ein weniger schädliches Alternativprodukt umsteigen. Weil es kaum etwas gefährlicheres gibt als eine Tabakzigarette. Daher ist jeder Versuch  ein Schritt in die richtige Richtung.

Ist die Genusszigarette ein Mythos?

Ich kenne viele, die sich wünschen, Gelegenheitsraucher zu werden. Aber die allermeisten dieses Rauchertyps waren nie richtige Raucher und haben nie 20 bis 30 Zigaretten pro Tag geraucht, sondern halt in bestimmten Situationen. Das kann sich ein richtiger Raucher nicht vorstellen. Daher kenne ich auch wenige, die es schaffen.  Wo wir schon einen Effekt sehen, ist bei Patienten mit Lungenerkrankungen, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr so viel rauchen dürfen. Wenn so ein Mensch von 40 auf 10 Zigaretten pro Tag reduzieren konnte, und wieder rückfällig wird, spürt er das sofort gesundheitlich. Etwa, indem er weniger Luft kriegt. Er hat also einen gewissen Druck von außen.

Was bringt es, das eigene Rauchverhalten zu protokollieren? Im Sinne eines Tagebuchs, etwa um Trigger zu entdecken...

Ich hatte mal einen Herrn, der hat sich eine Excel-Tabelle gemacht, mit ihrer Hilfe jeden Tag eine Zigarette weniger geraucht und am Schluss aufgehört. Für ihn war das der richtige Weg.  Protokoll zu führen hat auf jeden Fall einen Effekt, weil man sich damit beschäftigt und auseinandersetzt. Gerade bei starken Rauchern ist es so, dass sie oft nicht mehr wissen, wie viel sie tatsächlich rauchen. Sie verlieren die Kontrolle über den Konsum, es wird aus mehreren Packerln gleichzeitig geraucht. Das zu protokollieren, hilft. Das wäre übrigens ein weiterer Tipp: Wenn Sie rauchen, holen Sie sich einzelne Packerln und keine Stangen. 

Worauf darf sich ein Raucher freuen, wenn er es geschafft hat, Nichtraucher zu werden?

Was wir vor allem sehen, ist der schnelle Effekt bei Menschen, die durch das Rauchen schon gesundheitliche Probleme haben, etwa mit der Luft. Da beschreiben die meisten, dass es zu einer raschen Besserung kommt, zum Beispiel beim Stiegensteigen. Was man auch versprechen kann: Entzugserscheinungen gehen rasch weg. Das bleibt nicht so, vielleicht am ersten Tag oder in der ersten Woche. Weiters ist die Sorge vor der Gewichtszunahme übertrieben. Es gibt zwar Menschen, die zunehmen, aber normalerweise pendelt sich das ein, wenn ich nicht jede Zigarette durch Essen ersetze. Und sonst: Bei manchen Hypotonikern geht der Blutdruck runter, andere werden ruhiger und schlafen besser. Und man erspart sich einen Haufen Geld.  

Fagerström-Test

Dieser Test zur Diagnostik einer Tabakabhängigkeit ist international gebräuchlich und erfasst wesentliche Dimensionen der Tabakabhängigkeit und hilft bei der Vorhersage kurz- oder langfristig erreichbarer Abstinenz. Je höher der Wert im Fagerström-Test, desto stärker die Abhängigkeit und desto geringer die erreichten Abstinenzquoten.

Wann nach dem Aufstehen rauchen Sie Ihre erste Zigarette?

  • nach 5 Minuten (3 Punkte)
  • nach 6 - 30 Minuten (2 Punkte)
  • nach 31 - 60 Minuten (1 Punkt)
  • nach mehr als 60 Minuten (0 Punkte)

Finden Sie es schwierig, an Orten, wo das Rauchen verboten ist, das Rauchen zu unterlassen?

  • ja (1 Punkt)
  • nein (0 Punkte)

Auf welche Zigarette würden Sie nicht verzichten wollen?

  • die erste am Morgen (1Punkt)
  • andere (0 Punkte)

Wie viele Zigaretten rauchen Sie im allgemeinen pro Tag?

  • 31 und mehr (3 Punkte)
  • 21 - 30 (2 Punkte)
  • 11 - 20 (1 Punkt)
  • bis 10 (0 Punkte)

Rauchen Sie am Morgen im allgemeinen mehr als am Rest des Tages?

  • ja (1 Punkt)
  • nein (0 Punkte)

Kommt es vor, dass Sie rauchen, wenn Sie krank sind und tagsüber im Bett bleiben müssen?

  • ja (1 Punkt)
  • nein (0 Punkte)

TESTAUSWERTUNG:

Die Gesamtpunktzahl liefert eine zuverlässige Einschätzung der Stärke der Tabakabhängigkeit.

  • 0 - 2 Punkte sprechen für eine geringe körperliche Abhängigkeit.
  • 3 - 4 Punkte sprechen für eine mittlere körperliche Abhängigkeit.
  • 5 - 6 Punkte sprechen für eine starke körperliche Abhängigkeit.
  • 7 -10 Punkte sprechen für eine sehr starke Abhängigkeit.
Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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