"Drip Bars": Warum Vitamininfusionen als Beauty-Behandlung gefährlich sind
Vitamininfusionen sollen den Körper verjüngen und gelten als Schönheitsbooster in sogenannten "Drip Bars". Wie gefährlich eine Behandlung sein kann, erklärt eine Wiener Ernährungsmedizinerin.
Einfach zurücklehnen, begleitet von entspannenden Klängen die Augen schließen… doch statt einer Beautybehandlung bekommt man eine Nadel in den Arm? Infusionen von Vitaminen und Mineralstoffen werden in der Beauty-Szene gerne als „Energie-Booster“ und „Schönheitstherapie“ bezeichnet, die obendrein noch das Leben verlängern sollen.
Der Trend der sogenannten „Drip Bars“ ist bereits durch die Promiszene in den USA bekannt. Brad Pitt, Rihanna und Kim Kardashian sind nur einige der Stars, die auf die gelegentliche Infusion schwören. Mittlerweile findet man solche Anbieter auch in Österreich.
Ein Jungbrunnen durch den Schlauch
Unter der Prominenz sind sie auch beliebt, weil sie angeblich ein kleines „High“ auslösen. „Natürlich können dabei sehr wohl leichte Rauschzustände entstehen“, sagt die Wiener Ernährungsmedizinerin Manuela Hanke. Im Gegensatz zu einer oralen Einnahme als Tablette wird eine Infusion direkt in die Vene verabreicht. Das sorgt bei manchen Menschen für einen sofort spürbaren Effekt, ist allerdings nur eine angenehme Nebenwirkung als Zusatz zu anderen Vorzügen.
Faszinierend ist an der Methode wohl das, was die Menschheit bereits seit Jahrtausenden beschäftigt: die Aussicht auf Verjüngung. Laut Anbietern soll man sich direkt nach der Behandlung erholter, ja gar wie neu geboren fühlen. Der Preis einer Behandlung in der Beauty-Bar „Vitamin Lounge“, die es mittlerweile auch in Wien gibt, liegt zwischen 160 und 200 Euro. Je nach Behandlung kann man sich einen Cocktail zusammenstellen: Für 30 bis 40 Minuten bekommt man einen Tropf an den Arm, die Infusionen tragen vielversprechende Namen wie „Workout-Booster“ für ein Fitness-Upgrade, „Immun-Booster“ oder „Detox-Infusion“ sollen den Körper stärken. Eine andere Zusammensetzung wird als „Anti-Aging-Infusion“ bezeichnet und für den Morgen nach der Party gibt es auch eine „Anti-Hangover-Infusion“.
Die tatsächliche Wirkung von Vitamininfusionen an gesunden Menschen ist allerdings noch sehr wenig erforscht. Erwiesen sind die Behauptungen der Beauty-Spas deswegen keineswegs. „Im medizinischen Bereich stellt man im Normalfall fest, ob es wirklich einen Mangel gibt. Muss man substituieren? Und wenn ja, in welcher Dosis?“, erklärt Hanke. „Es hat aber keinen Sinn, einer Dame in den 40ern eine Infusion zu geben, nur damit sie ein bisschen mehr Glow hat.“
Im medizinischen Bereich greift man nach Vitamin- und Mineralstoffinfusionen erst nach einer umfangreichen Blutuntersuchung. Tatsächlich führt man Vitamine nur in bestimmten Fällen intravenös zu: „Entweder stellen wir fest, dass ein Patient eine Tablette nicht oral aufnehmen kann. Ein anderer Fall wäre, dass der Patient tatsächlich einen akuten Mangel an gewissen Spurenelementen, Mineralien oder Vitaminen hat.“
Wie viele Menschen wirklich zu wenig Vitamine zu sich nehmen? Eine Aufschlüsselung nach den verschiedenen Spurenelementen im aktuellsten Ernährungsbericht zeigt: Gerade bei Vitaminen liegen Österreicher häufig unter dem empfohlenen Richtwert der World Health Organization (WHO). Hierzulande erreicht beispielsweise mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung nicht die empfohlene Zufuhr an Vitamin C pro Tag, auch bei Vitamin A (33,6 %), Vitamin B2 und Vitamin B6 (rund 40 %) liegen Österreicher häufig unter dem Richtwert.
So viele Österreicher haben Vitaminmangel
Ausgegangen wird von einem Schätzwert über den Tagesbedarf des jeweiligen Nährstoffs
- Vitamin A: 33,6 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreichen den Schätzwertbereich für β-Carotin nicht
- Vitamin E: Nur 24,5 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreichen den Schätzwert
- Vitamin K: Schätzwert im Mittel von beiden Geschlechtern in allen Altersgruppen erreicht
- Vitamin B1: 52,2 % der Frauen und 43,2 % der Männer liegen unter der empfohlenen Zufuhr
- Vitamin B2 und Vitamin B6: erreichen rund 40 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht
- Niacin: Nur 1,6 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegen unter der empfohlenen Zufuhr
- Biotin: wird von 18,6 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht erreicht
- Vitamin B12: 28,1 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegen unter der empfohlenen Zufuhr
- Vitamin C: 46,6 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegen unter der empfohlenen Zufuhr
Zahlen aus dem aktuellen Ernährungsbericht (erstellt von der Universität Wien, im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen)
Gefährliche Versprechungen
Doch auch wenn Österreich mit einer niedrigen Vitaminzufuhr kämpft, Infusionen sind trotzdem mit Vorsicht zu genießen. Tatsächlich sind sie laut Hanke die komplizierteste Art und Weise, Nährstoffe zu verabreichen. Infusionen in die Vene können beispielsweise allergische Reaktionen oder bakterielle Infektionen zur Folge haben. Außerdem ist die Gefahr groß, dass die Nadel nicht in die Vene, sondern in das umliegende Gewebe eindringt: „Das Gewebe wird dadurch verletzt, weil es die hohe Dosis nicht aushält.“ Speziell für Vitamintherapie ist zusätzlich eine Fachausbildung erforderlich, für sogenannte orthomolekulare Medizin.
Entscheidet man sich für eine Vitamin-Behandlung in einer „Drip-Bar“, wird man zwar oftmals von ausgebildeten Ärzten betreut. Auch Blutuntersuchungen werden teilweise vorher angeboten, allerdings sind sie keinesfalls Pflicht. Hinzu kommt, dass die „Drip Bars“ damit werben, dass die Vitamine viel höher dosiert sind als beispielsweise in Nahrungsergänzungsmitteln und dadurch merklich schneller und stärker wirken sollen. Es gibt allerdings bei „Drip Bars“ keinen Hinweis darauf, welche Dosierung in einer Infusion enthalten ist – oder ob man sich an Empfehlungen eines Tagesbedarfs an Vitaminen hält, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen.
Sicher ist das also trotz behandelnder Ärzte nicht unbedingt. „Auch eine Überdosierung von Vitaminen und Spurenelementen kann im Körper zu Reaktionen führen“, sagt Hanke. Vitamin D kann beispielsweise laut dem deutschen Robert Koch Institut bei Überdosierung viele Beschwerden hervorrufen: darunter Bauchkrämpfe, Erbrechen oder in schweren Fällen auch Nierenschädigung und Herzrhythmusstörungen. Eine übermäßige Zufuhr an Vitamin C kann ebenfalls zu Magen-Darm-Beschwerden oder Durchfall führen, während eine Zink-Überdosierung unter anderem Erbrechen, Durchfall und Störungen des Immunsystems zur Folge haben kann.
Experten empfehlen deswegen für Menschen, die ihren Mangel nicht aufgrund einer Erkrankung ausgleichen müssen, den Bedarf an Vitaminen lieber über eine ausgewogene Ernährung aufzunehmen.
Die Debatte um die Zuführung von Vitaminen zusätzlich zur Nahrung kam bereits in den letzten Jahrzehnten auf: Auch Nahrungsergänzungsmittel stehen aufgrund der Gefahr einer Überdosierung bei Experten in der Kritik – viele verlangen nach festgelegten Höchstmengen von Vitaminen in der EU. Die deutsche Verbraucherzentrale machte dazu letztes Jahr auf eine Initiative aufmerksam, die Regelungen zu Höchstmengen EU-weit vereinheitlichen soll. Bis dahin kann es wohl allerdings noch 2 bis 4 Jahre dauern.
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