Teller mit Torte

Vergessene österreichische Süßspeisen wiederentdeckt

Kochbuchautorin Bernadette Wörndl übersetzte die Rezepte einer Wiener Zuckerbäckerin vom Beginn des 20. Jahrhunderts in die Gegenwart - und holte damit Torten, Kuchen und Gebäck zurück in die Küchen.

Die Spanische Windtorte macht in der Tat einiges her, in ihrer filigranen, luftig-leichten und kunstvoll verzierten Opulenz. Sie hat nur ein Problem: Es kennt sie praktisch niemand mehr. Auch Kochbuchautorin Bernadette Wörndl war sie unbekannt - bis sie sich daran machte, das handgeschriebene Rezeptbüchlein der Wiener Zuckerbäckerin Therese Schulz in die Gegenwart zu übersetzen.

Diese arbeitete in den 1920er-Jahren lang im Wiener Grand Hotel am Ring, Verwandte hatten das Buch erst vor einigen Jahren auf dem Dachboden wiederentdeckt. 

In die Gegenwart übersetzen - diese  Formulierung ist nicht einmal zu hoch gegriffen, denn zur Zeit der 1884 geborenen Therese galten andere Regeln. Zuerst stieß Wörndl auf heute unbekannte Rezepte, die ebenso wie die Windtorte erst einmal historisch-kulinarische Recherchen erforderten, erzählt Wörndl im KURIER-Gespräch. "Pester Schnitten", "Gesulzte Orangen", "Reis Trautmannsdorff" oder "Diplomatenpudding" klingen heute wie Exoten.

Süße Moden

Dabei folgen die beiden Letzteren einem Süßspeisentrend zu Beginn des 20. Jahrhunderts, fand Wörndl heraus. "Vieles wurde damals mit Gelatine gestockt." Die "Pester Schnitten" wiederum fügen sich in die Reihe üppiger Kuchen, für die mehrere Teigschichten mit Cremen gefüllt wurden. "Cremen waren ein großes Kapitel im Kochbüchlein."

Gesulzte Orangen

©DK Verlag/Melina Kutelas

Dann gings um die Zubereitung. Wörndl erzählt von rudimentären Rezepten, die nur Mengenangaben und Zutaten enthalten – das kennen viele aus den handgeschriebenen Rezeptsammlungen ihrer Mütter und Großmütter. 

Auch Wörndl besitzt so ein Büchlein von ihrer Oma Maria. Einige Rezepte nahm Wörndl in ihre jetzt erschienene, nostalgische Rezeptsammlung auf. "Ich fand, typische Klassiker müssen unbedingt ins Kochbuch." Marillenknödel, Palatschinken oder der herrliche, ebenso fast vergessene Rehrücken: Es gebe diese bewährten, über Generationen weitergegebenen Rezepte wohl in jeder Familie. Inklusive vager Angaben wie "eine Handvoll" oder "bis es halt passt".

Gesundheitskuchen

©DK Verlag/Melina Kutelas

Therese Schulz verwendete gern die Formulierung "einen Gedanken ...". Wie viel ein Gedanke Zimt wohl ist? "Aber ich finde diese Formulierung wunderschön", sagt Wörndl. Sie buk sich mit vielen Versuchen durch die Rezepte, samt heute völlig unüblicher Mengenangaben. "Thereses bevorzugte Maßeinheit war das Loth – anfangs funktionierte das Umrechnen nicht, weil sich auch die Maßeinheit selbst zu Thereses Lebzeiten veränderte. Ich habe daher zu Beginn einiges gebacken, das man nicht essen konnte", gesteht sie. Viel Mehl wurde ebenso verwendet. "Offenbar hatte es eine andere Backqualität."

Ebenso hat sich das Verhältnis von Butter, Zucker und Eiern verändert. "Damals wurde mit sehr viel Zucker und vielen Eiern gebacken – viele Eier galten als sehr gesund." Vermutlich trägt eines von Thereses Gugelhupfrezepten deshalb den Namen "Gesundheitskuchen".

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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