Warum die Deutschen den Hype ums Schnitzel losgetreten haben
Von Leitkultur bis Lifestyle: In Österreich ist die Lust aufs Wiener Schnitzel gerade groß. Wieso es so beliebt ist und wie es wie vom Profi schmeckt.
In einem Wiener Schnitzel steckt so viel mehr als nur die Panier, Fleisch, Salz und Fett. Darin steckt österreichische Leitkultur, wie zuletzt in der Debatte darüber zu vernehmen war. Das Land Niederösterreich zahlt die als „Schnitzelprämie“ bekannt gewordene Wirtshausprämie an traditionsbewusste Gastronomen aus.
Das Schnitzel ist parteienverbindend: Die SPÖ und FPÖ sind sich wiederholt einig und klopfen neben Fleisch auch Sprüche: „Das Schnitzel muss leistbar bleiben.“
Dabei sollen die Menschen in Österreich ohnehin zu viel davon essen: Laut einer Aussendung der Tierschutzorganisation vier Pfoten ist der Fleischkonsum hierzulande mit 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr fast doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt.
Das Schnitzel ist aber auch ein Lifestyle-Produkt. Seit einiger Zeit heben Gasthäuser das golden gebratene Kalb aufs Podest und auf schön gedeckte Tische mit weißem Tuch.
Schnitzel aus Wien, Nockerln aus Salzburg
Das Schnitzelland ist im Schnitzelfieber. Dafür gibt es mehrere Gründe. „Wenn ein Ort im Namen vorkommt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Gericht beliebt ist. Die Salzburger Nockerln wären ohne Salzburg nur ein Soufflé“, sagt Peter Peter.
Der Gastrosoph und Kulinarikexperte aus München hat eine Kulturgeschichte der österreichischen Küche geschrieben und während seines Studiums in Wien unzählige Schnitzel verspeist.
Neben dem Ortsnamen ist es die egalisierende Wirkung, die das panierte Stück zum beliebtesten Nationalgericht macht: „Das Schnitzel ist klassenverbindend. Es gibt Unterschiede in der Preisgestaltung und im Geschmack. Es gibt das Schweinsschnitzel aus der Fritteuse“, Nachsatz: „das auch sehr gut ist“. Und das feine Kalbsschnitzel. „Das ist ein edles Gericht, das wird frisch für die Kunden zubereitet.“
Gasthausküche auf Gourmetniveau
Alexander Krankl, Küchenchef im Wiener "Artner - Gasthaus auf der Wieden" sieht noch einen nicht unwesentlichen Grund für den aktuellen Schnitzelhunger im Land.
„Schnitzel bringt die Leute immer zusammen: Sei es am Sonntag beim Familienessen, wo die Oma am Herd steht, oder wenn man ins Lokal geht. Man kann es immer und überall essen.“
Beim Artner im vierten Bezirk hat man die Zeichen der Zeit erkannt und zelebriert nach mehreren Konzeptwechseln Wiener Gasthausküche auf Gourmetniveau. Das Schnitzel gibt es vom Kalb und – den Verzehrgewohnheiten der Österreicher entsprechend – vom Schwein. Und es ist nicht billig. Fürs Herausbacken aus Schweine- oder Butterschmalz setzt es einen schmalzigen Aufpreis. Nur das Pflanzenfett ist im Preis inbegriffen. Beilagen gibt es auch: extra und gegen Aufpreis. Die Hälfte der Gerichte, die pro Abend aus Krankls Küche kommen, sind Schnitzel.
Der Hype der vergangenen Jahre, so Peter, habe seinen Ursprung nicht an der Donau, sondern an der Spree. „In Berlin isst man wahnsinnig gerne Schnitzel.“ Oswald „Ossi“ Wiener versorgte in den grauen Vorwendejahren in seinem Lokal „Exil“ die Bohème mit den begehrten Stücken. Und im Promi-Lokal „Borachardt“ bestellten schon Tom Cruise, Jessica Alba oder Bill Clinton Schnitzel.
Deutsche machen gutes Schnitzel
Wer bei den Worten Deutschland und Schnitzel die Nase rümpft und an Jägerschnitzel mit Schwammerlsauce denkt und meint, die Nachbarn würden Schnitzel nur mit Tunke essen, dem entgegnet Peter: „Über die Deutschen hat man sich in Österreich lange zurecht lustig gemacht. Mittlerweile wissen die Köche auch in mittelklassigen Lokalen, wie man ein halbwegs gutes Schnitzel macht.“
Krankl glaubt, dass der neue Schnitzeltrend „ein bisserl mit dem Meissl & Schadn“ begonnen hat“. Das Lokal am Wiener Ring wirbt mit „Schnitzel Love“ und serviert sein Schnitzel – wie in den besten Zeiten der Wiener Küche – mit Sardelle auf Zitronenscheibe. Dazu gibt es eine Wiener Garnitur aus gekochten, gehackten Eiern, Petersilie Kapern und Sardellen. Das Restaurant ist voll, nicht nur mit Touristen.
Zum Schnitzelboom mag auch beigetragen haben, dass Wien-Besucher vor mehreren Lokalen um ein Schnitzel anstehen, meint Peter: „Die Einheimischen sind stolz darauf.“
Das Nobelbeisl ist das Aushängeschild der österreichischen Küche.“
Und noch etwas ist daran nicht unbeteiligt: Qualität. Bei Angebot und Nachfrage. „Die Gastronomie ist ein hartes Pflaster, deshalb wollen die Restaurants gute Produkte verkochen“, sagt Krankl. Gastrosoph Peter sieht das ähnlich: Während man anderswo alles dekonstruieren und neu erfinden wolle, besinne man sich in Österreich auf alte Tradition und die Fragen: „Welcher Schnitt und welche Brösel sind die besten?“ Die K. u. k.-Küche-Küche lebt wieder auf – mit viel Qualität und Regionalität, aber ohne verstaubte Kaiserseligkeit.
Noble Beisln und das beste Schnitzel im Westen
Peter, der in Österreich so etwas wie eine kulinarische Ersatzheimat sieht, findet die kulinarische Essenz des Landes daher nicht in den Sterne-Tempeln, sondern woanders: „Das Nobelbeisl ist das Aushängeschild der österreichischen Küche.“
Die besten Schnitzel isst er aber nicht in Wien: „Ich plädiere für die westlichen Bundesländer: Kalb aus den Alpen, das nicht nur nach Panade schmeckt.“
Lokale und Fakten
In Österreich gibt es eine Menge guter Schnitzel. Zum Beispiel hier:
- Meissl & Schadn: Im Lokal am Wiener Ring hat man dem Schnitzel einen Palast errichtet meisslundschadn.at
- Skopik & Lohn: Das aufgeblasene Schnitzel aus dem Szene-Lokal im 2. Bezirk Wiens ist Kult skopikundlohn.at
- Meixner: Das Traditionswirtshaus Meixners Gastwirtschaft in Wien-Favoriten kann Wiener wie Naturschnitzel meixners-gastwirtschaft.at
- Triad, Krumbach: in dem Lokal in NÖ von Uwe Machreich gibt es laut Publikumsjury des Gasthaus-Guides freizeit.aufgetischt das beste Schnitzel
30,6 Schnitzel sollen pro Jahr und Kopf in Österreich verzehrt werden. Touristen sind da wohl miteingerechnet
500 Kalorien hat ein durchschnittliches Schnitzel
So schmeckt das Schnitzel wie vom Profi
Um das perfekte Schnitzel zu machen, braucht es laut Alexander Krankl vom Artner auf der Wieden nicht viel: Gutes Fleisch und die richtigen Brösel, etwa. Die sind aus österreichischen Semmeln, und idealerweise aus einer Bäckerei.
Beim Klopfen des Fleisches legt Krankl eine Plastikfolie darüber. „Damit die Fleischstruktur nicht zerstört wird.“ Aufpassen: „Nicht zu dick. Es soll kein Steak sein, aber man soll noch eine Fleischstruktur spüren.“ Sein Schnitzel ist einen halben Zentimeter dick.
Das Fett beim Herausbacken soll heiß sein, rund 180 Grad. Wer kein Thermometer zur Hand hat: heiß genug ist das Fett dann, wenn Brösel anfangen zu schäumen. „Und dann schön soufflieren.“ So kommen die Luftpolster in die Panier. Die Pfanne schwenken, damit das Fett auf die Oberseite überschwappt.
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