Vom Spitzenkoch zum Bio Schweinebauern

Simon Humer beendete seine Karriere als Spitzenkoch und krempelte den Bauernhof seiner Eltern um – jetzt verarbeitet er seine Bio-Schweine selbst zu einem der besten Schinken des Landes.

Anfangs laufen die rosa-braun gefleckten Schweine freudig auf die Besucher zu, doch dann bemerken die intelligenten Tiere die fremden Stimmen und sind verschreckt. Schnell verlieren sie das Interesse an den neuen Gesichtern im Stall und wälzen sich lieber im frischen Stroh. Der Thomabauer in Prambachkirchen ist ein typischer Vierkanter in Sonnengelb aus jener Zeit, als im oberen Stockwerk noch Gnechte und Mägde wohnten.

2010 beschloss Familie Humer die konventionelle Landwirtschaft und Schweinemast auf Bio umzustellen: Vor fünf Jahren übernahm schließlich Sohn Simon den Hof und überlegte sich ein neues Konzept, bis dahin hatte er in der Waldschänke Grieskirchen und als Souschef im Fortino in Wels aufgekocht.

©Kurier/Juerg Christandl

"Die Herausforderung war, die vorhandenen Ressourcen zu nutzen. Wir wollten keinen neuen Stall bauen und nicht selber züchten, aber den Hof so nutzen, wie er ist und dass es den Tieren trotzdem gut geht sowie ein Top-Produkt herauskommt." Die Antwort fanden sie in der Eigenvermarktung: Gemeinsam mit Ehefrau Elisabeth baute sich Humer einen schicken Verkaufs- und Verarbeitungsraum unweit vom Stall.

Trennungsschmerz

35,4 Kilogramm Schweinefleisch vertilgt der Österreicher in Form von Schnitzel, Würstel und Speck im Jahr. 234.000 Zuchtsauen und 4.626.000 Ferkel braucht es, um den Hunger auf Schweinefleisch zu stillen. Dabei gilt Oberösterreich als wichtigster Produzent hierzulande. Mit der Bundeslehr- und Forschungsanstalt Raumberg-Gumpenstein gibt es sogar eine bekannte Aufzucht von Bio-Ferkeln. Sechs Wochen liegen die Jungtiere hier bei ihren Müttern in Buchtensystemen – generell sind die Bereiche in Ruhe, Aktivität und Fressen unterteilt: Jedes Tier darf hinaus, wenn es will.

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Im Alter von 13 Wochen und mit einem Gewicht von 30 Kilogramm übernimmt dann Humer die Jungtiere: Hier dürfen sie sieben bis neun Monate leben. Bilder von Schweinen auf der Wiese und im Schlammbad gibt es in der Realität selten: Von den drei Prozent Bio-Schweinebauern gibt es nur eine Handvoll Landwirte, die auf Freiland setzen.

Warum er sich gegen Freiland entschieden hat? "Wegen der Afrikanischen Schweinepest müsste ich Freiflächen doppelt umzäunen, zudem braucht man viele Felder zum Wechseln, sonst verwandeln sie sich rasend schnell in Gatsch-Flächen."

Feinschmecker

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Humer schaut einmal am Tag in den Stall – zweimal in der Woche wechselt er das Stroh. Für ein Bio-Schwein bis 110 Kilo sind 1,3 Quadratmeter Stallfläche und ein Quadratmeter Auslauf vorgeschrieben.

Konventionelle Schweine in dieser Gewichtsklasse haben nur 0,7 Quadratmeter zur Verfügung: Sie werden großteils auf Vollspaltenböden aus Beton, ohne Einstreu und ohne Auslauf gehalten. Das spart Platz und das Ausmisten entfällt – der Kot fällt durch die Spalten. Ab 2039 ist diese Haltung verboten.

Das Schwein

Ursprung
Die Familie der Schweine umfasst fünf Gattungen: In Europa ist nur die Gattung Wildschwein heimisch – die Stammform des Hausschweins

Jungsteinzeit
Bereits vor 9.000 Jahren wurde das Schwein in der Osttürkei gehalten

60,5 Kilogramm Fleisch
isst der Österreicher im Jahr, mehr als die Hälfte davon ist Schweinefleisch

Stammbaum
Hierzulande werden von jedem Schwein Eltern und Großeltern aufgezeichnet

25 Ferkel
bekommt eine Sau pro Jahr

Schweine sind Feinschmecker und haben ein gutes Geruchsorgan: "Was wir verfüttern, bauen wir selbst an. Sie bekommen Triticale, eine Kreuzung aus Weizen und Roggen, ab und zu Gerste, Ackerbohne, Sojakuchen und Heu. Mais lassen wir weg, weil die Tiere durch Mais zu schnell wachsen würden."

Die Fütterung hat Auswirkung auf die Fettqualität, also auf den Speck: "Wenn der Anteil von gesättigten Fettsäuren höher ist, erhält man einen schönen, weißen, kernigen Speck, der nicht ranzig wird. Beim Zufüttern von Mais wird das Fett schmieriger – Getreide liefert weniger Energie, daher ist das Wachstum langsamer."

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Seit Kurzem gibt es sein Schweinefleisch auch im Wiener "Urban BBQ & Meat". Weil Knacker, Weißwurst oder Leberkäse ohne Pökelsalz verwurstet werden, verkauft Humer seine Produkte unter dem Namen "Naked Pig" – die Wurst sieht nicht so künstlich rosa aus. Der geräucherte Speck von den Berkshire-Schweinen ist ausschließlich für Haubenkoch Philipp Rachinger („Mühltalhof“) bestimmt: "Das Fett fühlt sich im Mund glatt an und schmeckt besonders aromatisch."

Schlachten

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Die Tiere schlachtet der Viehwirt gemeinsam mit einem Freund auf dessen Schlachthof in Grieskirchen: In der Woche verarbeitet der 30-Jährige zwei Schweine selbst. Die Rechnung: Würde er sein Bio-Schwein nach dem Schlachten verkaufen, bekäme er 400 Euro. Für das Ferkel hat er 200 Euro gezahlt – dazwischen liegen vier bis sechs Monate Aufzucht und Fütterung.

Wenn er das ganze Tier selbst verarbeitet und vermarktet, kann er immerhin 800 bis 1.200 Euro erwirtschaften.

Anita Kattinger

Über Anita Kattinger

Leidenschaftliche Esserin. Mittelmäßige Köchin. Biertrinkerin und Flexitarierin. Braucht Schokolade, gute Bücher und die Stadt zum Überleben. Versucht die Welt zu verbessern, zuerst als Innenpolitik-Redakteurin, jetzt im Genuss-Ressort.

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