Göttergabe: Der Spätsommer und seine Schwammerln
Ob selbst gebrockt oder am Markt erspäht, edle Steinpilze bringen mit ihrem erdigen Aroma ein wenig Waldluft in jede Küche.
Marktgeschichten, Folge 28: Nicole Ott schreibt an dieser Stelle einmal im Monat von inspirierenden Gesprächen rund um saisonale Produkte und kreiert exklusiv für die freizeit ein Rezept damit.
Ich stehe am Marktstand und schaue hinüber in unseren Schanigarten, wo die Gäste aus der Sommerfrische zurückgekehrt sind, um ihre Urlaubserlebnisse auszutauschen. Da kommt eine braun gebrannte Dame den Markt herauf, ihr kunterbunter, langer Rock flattert im Wind. Sie bleibt bei Erols Stand stehen und ruft: „Jö, die schönen Steinpilze! Im Waldviertel habe ich heuer nach dem vielen Sommerregen schon viele gefunden. Am besten schmecken die kleinen, festen Exemplare. Ich hoble sie roh und serviere sie als Carpaccio, mit frischem Thymian und Parmesanspänen.“ Ein älterer Herr meint augenzwinkernd: „Habt ihr gewusst, dass die Steinpilze auch Herrenpilze genannt werden? Früher mussten sie an den Grundherrn abgeliefert werden, zum Glück können wir sie heute selber verputzen!“
Ich lasse mir von Erol ein Sackerl voller herbstbrauner Pilze geben. Der erdige Duft entführt mich sofort in den Wald, wo ich so oft wie möglich mit dem Liebsten unterwegs bin, um mein Wanderherz zu erfreuen. Und ist das Wäldchen noch so klein, er kann es nicht lassen, durchs Dickicht zu stapfen, um möglichst viele Schwammerl zu erspähen. Ich dagegen bin froh über die kleine Rast, die mir mein liebster Bergkamerad sonst nicht so oft gönnt. So bleibe ich in diesen Minuten gern an einem Bach sitzen, um das Plätschern des Wassers und das Vogelgezwitscher zu genießen. Vorsorglich pflücke ich den wilden Thymian und Majoran – Quendel und Dost – die kann ich später sicherlich gut fürs Würzen der Beute gebrauchen. „Ich hab welche!“, ruft er mir dann freudestrahlend entgegen. „Natürlich hab ich sie herausgedreht, wie ich es vom Opa gelernt habe. Schau mal, es sind Kiefernsteinpilze, die liebe ich besonders.“
Die Steinpilze in Stücke reißen
Ich bewundere ihren wunderschönen zimtfarbenen Hut und überlege mir auf dem Heimweg Rezepte, bis mir der Magen knurrt. Zurück in unsere Stadtküche. Ich reiße die Pilze in Stücke, wie ich es von Daniel gelernt habe, damit sie später ja nicht dünsten, sondern braten und knackig bleiben – darum heißen sie ja auch Steinpilze. Zusammen mit vielen frischen Kräutern kommen sie auf einen knusprigen Schwarzbrottoast. Milder Ziegenkäse gibt Geschmack und Cremigkeit, ein schnelles Relish mit Gurke und Apfel bringt Frische. Die älteren, weichen Stücke verkoche ich morgen zu einem molligen Risotto, mit Brombeeren aus dem Garten.
Später genießen wir meine Kreation mit einem Gläschen kühlen Weißwein, als mir noch mehr Anekdoten aus dem Wald einfallen. „Donar war bei den alten Germanen der Gott des Waldes und damit auch der Pilzgott“, erzähle ich dem Liebsten. „Darum gingen die Menschen am heiligsten Tag der Woche, dem Donnerstag, Pilze suchen. Und damit ihnen die Waldgeister hold waren, ließen sie den ersten essbaren Pilz als Opfergabe stehen.“ „Na gut,“ meint da der Liebste schelmisch, „Den ersten Butterpilz können sie haben, die Steinpilze essen wir lieber selber!“
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