Was man mit übriggebliebenem Striezel machen kann
Ohne Kletzen kein Weihnachten? Da ist was dran – aber die getrockneten Birnen haben schon jetzt Saison.
Marktgeschichten, Folge 66: Nicole Ott schreibt an dieser Stelle einmal im Monat von inspirierenden Gesprächen rund um saisonale Produkte und kreiert exklusiv für die freizeit ein Rezept damit.
Anfang November ist die mystische Zeit angebrochen, in der wir bei Kerzenlicht im warmen Zimmer sitzen und Allerheiligenstriezel verputzen. Zeitgeistig verwandeln wir seine Überbleibsel in einen herrlichen Strudel. Duett der Birne, 2.0.
Ich schaue vom Café auf den herbstlichen Marktstand, wo senfgelbe Quitten und knallorange Kürbisse zu mir herüberleuchten. Auch die ersten Mandarinen haben ihren Weg zu uns ins Land gefunden. Ich ziehe mir meine Jacke über und laufe zu Erol, um mir schnell ein paar zu holen. Das Pipsi und die Urli werden den Vormittag bei mir verbringen und die süßen, saftigen Früchte kommen bei beiden gut an. "Gibt’s eigentlich schon Kletzen?", frage ich den Standler, und er gibt mir strahlend ein Sackerl voller dunkelbrauner, verhutzelter Birnen. "Schön weich", lacht er mich an, "so kannst du sie mühelos schneiden".
Nach unserem Spielplatzbesuch lege ich die klein geschnittenen Kletzen in ihren heißen Gewürzsud. Zum ersten Mal dürfen weihnachtliche Gewürze werken – Sternanis, Zimt, Piment und Nelken. Ihr Duft kündigt unweigerlich den Advent an, und ich fachsimple mit der Urli über die Kletzenverwendung und das Rezept, mit dem die Dörrfrüchte vorgestellt werden sollen. "Ohne Kletzenbrot kein Weihnachten", ist das strenge Urteil meiner Mutter, nach dem Krieg geboren und mit einer Mutter aufgewachsen, die jeden Tag Suppe, Hauptspeise und manchmal auch Dessert auf den Tisch gestellt hat. "Ganz schön viel Arbeit", gebe ich zu bedenken, "meine Leserinnen, die ich im Café treffe, erzählen mir oft, dass es in der Küche ruckzuck gehen muss". – "Dann Kletzennudeln", schlägt sie vor, doch meine Gedanken sind schon einen Strudel weiter.
Am nächsten Tag koche ich eine Vanillecreme, denke an alle berufstätigen Eltern, und freue mich, dass sie gut vorbereitet werden kann und abgedeckt auch mal zwei Tage auf ihren Einsatz wartet. Im Tiefkühler fallen mir klein geschnittene Brioches in die Hände, wie gut, dass ich sie gerettet habe, sie werden für herrliche Flaumigkeit sorgen. Der Liebste steckt den Kopf zur Tür herein: "Gekaufter Strudelteig? Der selbst gemachte schmeckt doch viel besser!", schlägt er in dieselbe Kerbe wie die Oma. Ich lache ihn an: "Strudelmachen wäre einen eigenen Artikel wert! Was wetten wir, ob ich genug Leser finde, die das Strudeln lernen wollen?"
Der Anblick meiner frisch gebackenen Birnenkreation macht mich glücklich. Schnell fahre ich ins Café, um meine schärfsten Kritikerinnen kosten zu lassen. Und einmal sind ausnahmslos alle restlos begeistert. Unsere junge Studentin schaut mich ratlos an, als ich ihr die kleine Kostprobe in die Hand drücke. "Das ist ein Birnen-Kletzen-Strudel", kläre ich sie auf und kann mir kurz später das Lachen nicht verbeißen, als sie ihrem Kollegen die Mehlspeise erklärt. "Ist ein Glitzerstrudel", meint sie ganz ernst, und wird dann unter Lachen aufgeklärt, dass Kletzen getrocknete Birnen sind. Und wieder einmal ein Wort vor dem Vergessen gerettet!
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