Wie man beim Weihnachtsessen aus Zeitgründen trickst
Der Advent ist die Zeit der schönen Bräuche. Wir singen Weihnachtslieder, backen Omas Kekse und schmücken die Wohnung.
Marktgeschichten, Folge 67: Nicole Ott schreibt an dieser Stelle einmal im Monat von inspirierenden Gesprächen rund um saisonale Produkte und kreiert exklusiv für die freizeit ein Rezept damit.
Ich eile über den Markt und bin hocherfreut, unseren Wunschbaum, eine stattliche Tanne von zwei Metern, vor dem Kaffeehauseingang zu erblicken. Noch steht sie grün und ein wenig nackt da, von Tag zu Tag werden mehr bunte Zettelchen an ihr hängen und im Wind flattern. Drauf geschrieben die Herzenswünsche unserer Gäste – lustige, nachdenkliche und bittende, in vielen Sprachen verfasst oder auch von Kinderhand gezeichnet.
Es rührt mich jedes Jahr, diese Botschaften zu lesen und so am Leben der anderen teilhaben zu können. Überhaupt ist der Dezember für mich der Monat der schönen Bräuche.
Wenn im November der Nebel die Stadt gefangen hält, ist es für mich tröstlich, eine Liste der Weihnachtskekse zu schreiben und in Kochbüchern zu schmökern, um so manches neues Rezept auszuprobieren. Schöne Dosen werden bei der Nachbarin gekauft, um für die Lieben mit Kekserl gefüllt zu werden, für mich ein echter Liebesbeweis. Die leuchtenden Augen der Beschenkten machen jede Mühe wett, und beim Backen denke ich oft an die jeweiligen Urheberinnen der Rezepte.
So rolle ich den schwarz-weißen Teig zu Ringelkeksen zusammen und sofort ist meine Omi im Raum. Als Blumenbinderin mit jahrzehntelanger Erfahrung lacht sie herzlich über meinen selbst gefertigten, ein wenig zerrupften, Adventkranz.
Bei jedem Vanillekipferl, wohlgemerkt einzeln von mir abgewogen, fallen mir die Miniaturausgaben meiner Schwiegermutter ein, die jeder Zuckerbäckerin Konkurrenz machten. Wie würde sie sich über ihre Krippe freuen, die heuer endlich wieder zu Ehren kommt und unser Wohnzimmer schmückt!
Weihnachtswunder im Sommer
Der letzte Advent musste krippenlos vonstattengehen, aber im Sommer passierte das Weihnachtswunder: Alle Figuren wurden, säuberlich in Schachteln verpackt, in einer vergessenen Ecke wiedergefunden.
Der Liebste und sein Papa begründen heuer einen neuen Brauch: das gemeinsame Aufbauen der Krippe mit anschließender Begutachtung durch die erweiterte Familie und Essen der Omi-Fischbeuschelsuppe. Wie ich das Pipsi davon abhalte, mit Maria und dem Jesuskind Teeparty zu spielen oder auch mit Ochs und Esel Bauernhof, ist mir noch schleierhaft.
So ist es wahrscheinlich ratsam, beim Weihnachtsessen ein wenig zu tricksen, um Zeit für Ablenkungsmanöver zu haben. Geschmolzenes Vanilleeis wird die schnelle Sauce und Preiselbeeren aus dem Glas geben willkommene Säure. Dafür dürfen die Haselnüsse ihren Zauberduft entfalten und flaumig-zimtig auf die Teller.
Gut vorbereiten kann ich die Nachspeise auch, den Schnee zu schlagen schaffe ich auch mit meiner Kleinen auf der Hüfte. Ab ins Wasserbad – meine persönliche Geheimwaffe für ultimative Flaumigkeit – und zwanzig Minuten später ist das Wunder vollbracht und die Aufläufe sind gestürzt.
Wie jedes Jahr ist alle Aufregung vergessen, wenn’s heißt: Kling, Glöckchen, Klingelingeling.
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