Statt Entsorgung: So isst man den Weihnachtsbaum auf

2,5 Millionen Nadelbäume werden in Österreich nach dem Fest entsorgt – für die Bäckerin Julia Georgallis eine lukullische Verschwendung.

Alles begann mit einem pastellblauen Baum vor einem unbewohnten Haus am Ende der Straße. An einem dunklen Novembertag pirschte sich Julia Georgallis heran und schnitt ein paar kratzige Zweige von der Blaufichte ab, um sie später genüsslich zu verspeisen. Bereits im Jahr 2015 gründete sie einen baumverzehrenden Kochtreff unter Freunden: Mit den Jahren wurden Themen wie Recycling und Müllvermeidung populärer – und der Kochtreff vergrößerte sich.

Die Hälfte Österreichs ist bewaldet, davon entfallen 65 Prozent auf Nadelbäume. Klassische Weihnachtsbäume sind bei uns Tannen oder Fichten. Immergrüne Bäume galten bereits vor langer Zeit als heilige Symbole der Ewigkeit und Widerstandsfähigkeit – vor allem im tiefen Winter. Schon die Alten Ägypter, Griechen, Altsachsen, Wikinger und Römer schmückten ihre Häuser im Winter mit Oliven, Tannen, Fichten und Pinien. Im antiken Griechenland standen Pinienkerne für ewiges Leben und werden heute noch für Beerdigungen und Bestattungsriten verwendet. Die Apachen-Ureinwohner Amerikas und auch Druiden assoziierten Pinien und Tannen mit der Sonne.

Zero Waste

Wie also Nachhaltigkeit in einer Jahreszeit leben, die geradezu Verschwendung in Form von Keksbergen und Packerltürmen symbolisiert? Indem Sie Ihrem Weihnachtsbaum ein lukullisches Denkmal setzen: Alle von Georgallis über die Jahre erprobten Rezepte gibt es jetzt gesammelt als Kochbuch. Werden die Rezepte Sie umbringen? Nein, aber Sie sollten sich an Pinien, Fichten und Tannen laben. Bei uns werden Zedern und Zypresse selten als Weihnachtsbäume verwendet, deren Nadeln sind jedenfalls ungenießbar. Falls Sie in der freien Natur sammeln wollten, dann Finger weg von Eiben, die sehr giftig sind.

„Außerdem muss erwähnt werden, dass Weihnachtsbaumnadeln scharf sind und dass man sie weder roh noch im Ganzen essen sollte – sie sind ein bisschen so wie Fischgräten und genauso gefährlich“, warnt die Buchautorin. Ätherisches Öl aus Tanne, Fichte und Pinie ist zudem nicht zum Verzehr empfohlen – lieber als Duft oder als Massageöl verwenden. Als Bäckerin und Köchin ist der Britin besonders wichtig, die Rezepte nicht nur als Weihnachtsspielerei oder Teil der Klimawandel-Agenda zu sehen – der Geschmack soll an erster Stelle stehen.

Scharfe Nadeln

Frei nach dem Motto der bekannten Zero-Waste-Köchin Anne-Marie Bonneau: „Wir brauchen nicht eine Handvoll Menschen, die perfekt nachhaltig leben, sondern Millionen von Menschen, die es imperfekt tun.“ Georgallis ist der Ansicht, dass es einen Versuch wert ist, unserem Weihnachtsbaum ein nachhaltiges Lebensende zu bescheren: „Ich mache mir keine Illusionen, dass das Kochen mit Nadelbäumen abschmelzende Polkappen wieder zufrieren lässt oder Wasserschildkröten retten wird. Doch schließlich ist unser Magen unser zweites Gehirn und Essen bringt uns häufig dazu, über Dinge nachzudenken.“

Weihnachtsbäume, die mit Chemikalien oder sogar mit Farbe und Glitzer besprüht worden sind, dürfen natürlich nicht verspeist werden. Nadeln von Tannen, Fichten und Pinien können sehr scharf sein, daher muss man aufpassen, sich die Finger daran nicht zu verletzen. Was man für die Vorbereitung braucht: Zuerst ein paar der längeren Zweige vom Baum mit einer großen, scharfen Schere abschneiden. Die Zweige unter fließendem kalten Wasser abwaschen, um Reste von Schlamm und Schmutz zu entfernen. Ein paar Tropfen getrocknetes Harz stören nicht, ebenso wenig stören getrocknete Knospen, die man manchmal an den Zweigspitzen findet.

Danach muss man nacheinander jeden Zweig kopfüber in die Schüssel halten: Die Baumnadeln mit der Schere von unten her abschneiden, sodass sie in die Schüssel fallen. Die abgeschnittenen Nadeln vor dem Zubereiten nochmals waschen.

Julia Georgallis, How To Eat Your Christmas Tree, ars vivendi, 18,90 Euro 

©ars vivendi

Rezept: Weihnachtsbaumessig

30 Minuten, plus 3 Monate Ziehzeit (mindestens 2 Wochen)

Zutaten:  200 g Tannen-, Pinien oder Fichtennadeln,
2 l Apfelessig, 2 sterilisierte Einmachgläser
(je 2 l Fassungsvermögen)

-Einmachgläser sterilisieren.
-Nadeln vorbereiten und fein hacken.
-Essig in einen großen Topf gießen und auf mittlerer Stufe erhitzen (nicht aufkochen).
-Nadeln in ein Einmachglas füllen und den Essig mithilfe eines Trichters darübergießen. Glas fest verschließen und 2 Wochen (bis zu 3 Monate) ziehen lassen.
-Essig durch ein feines Sieb in das zweite sterile Glas füllen. Der Essig ist jahrelang haltbar.

Rezept: Gebeizter Fisch

Dauer: 30 Minuten, plus mind. 24 Stunden (max. 36 Stunden) Pökelzeit

Zutaten:
2 kg Fischfilet nach Belieben
350 g Tannen- oder Fichtennadeln oder
700 g Piniennadeln
770 g Rohrzucker
500 g Salz
2 kleine rote Rüben
Abrieb von 3 Bio-Zitronen

- Vor dem Beizen den Fisch einfrieren, um Bakterien abzutöten. 24 Stunden reichen aus. Vor dem Beizen muss der Fisch ein paar Stunden im Kühlschrank auftauen.
- Nadeln waschen vor dem Verwenden.
- Rote Rüben schälen und raspeln.
- Für die Beizmischung Zucker, Salz, rote Rüben, Zitronenabrieb und Nadeln vermengen.
- Frischhaltefolie ausbreiten und großzügig Beizmischung darauf verteilen, so breit und lang  wie das Fischfilet ist.
- Den Fisch auf die erste Schicht der Beizmischung legen und den Rest der Mischung auf und um das Filet verteilen. Der Fisch muss vollständig mit der Beizmischung bedeckt sein. In Frischhaltefolie wickeln.
- Den eingewickelten Fisch auf ein Backblech oder in eine große Auflaufform legen und einen schweren Gegenstand, z. B. einen gusseisernen Topf, darauf platzieren. Im Kühlschrank 24–36 Stunden ziehen lassen. Nach der Hälfte der Zeit den Fisch wenden, wieder beschweren.
- Zum Verzehr muss die Beizmischung vom Fischfilet gespült werden: Es sollten keine Nadeln zurückbleiben. Der gebeizte Fisch ist im Kühlschrank 5 Tage haltbar. 

Anita Kattinger

Über Anita Kattinger

Leidenschaftliche Esserin. Mittelmäßige Köchin. Biertrinkerin und Flexitarierin. Braucht Schokolade, gute Bücher und die Stadt zum Überleben. Versucht die Welt zu verbessern, zuerst als Innenpolitik-Redakteurin, jetzt im Genuss-Ressort.

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