Gebunkert, um zu reifen: Käse aus Südtirol
Zwei Tüftler nutzen alte Kriegsrelikte für eine sinnvolle Spätnutzung: Das spezielle Mikroklima tut Käsespezialitäten besonders gut.
Hinter jeder Ecke tut sich ein weiterer Tunnel auf, der noch tiefer in den Berg hineinführt – und auf nie zu enden scheinenden Regalen liegen sie aufgereiht, die Schätze von Hubert Stockner. Natürlich gelb und glatt die einen, andere fast schwarz, mit einer dicken Patina überzogen. Gerade bei Letzteren ist der Gedanke an einen Käse weit entfernt. Aber die gereiften Milchprodukte sind die Leidenschaft von Stockner. Hier, in einem verzweigten Bunker-Areal hoch über der Ortschaft St. Lorenzen in Südtirol, hat er seinen Reifekeller, den Genussbunker, angelegt.
Wo im Ersten und Zweiten Weltkrieg Waffenverstecke angelegt wurden, erhalten spezielle Käse ihren Schliff. Wobei, Stockner selbst legt in diesem Stadium gar nicht mehr so viel Hand an den Käse, wie man vermuten würde. Das besondere Klima im Berg – konstante zehn Grad das ganze Jahr über bei praktisch hundert Prozent Luftfeuchtigkeit – verwandelt den Käse.
Spezielles Mikroklima
Ein Ziegen-Rohmilchkäse wird in seiner achtmonatigen Lagerung durch das über Jahrzehnte entwickelte, unverfälschte Mikroklima richtiggehend cremig, entwickelt eine leichte Schärfe, gleichzeitig aber karamellige Noten. Auch Stockners Pecorino, üblicherweise ein harter Käse, wird im Bunker extrem cremig. Ein ungewöhnliches Geschmackserlebnis. Die Aufenthaltsdauer im Bunker bestimmt über den Geschmack, wie sich bei Stockners „Genussjäger“ zeigt. Das Rezept für diesen Kuhmilchkäse hat er mit einem Schweizer Käsemacher entwickelt. Nach acht Monaten sind milchige und nussige Noten schmeckbar. Aber nach dreizehn Monaten schmeckt er wie ein komplett anderer Käse, zudem treten die im Käse enthaltenen Salzkristalle in den Vordergrund.
Damit der Käse derartige Entwicklungsschritte in puncto Reifung machen kann, ist aber das Grundprodukt wichtig. „Es muss gut und besonders sein.“ Es sei nicht einfach, die passende Milch für seine Qualitätsansprüche zu finden. Stockner findet seine Produzenten in kleinen Käsereien in Südtirol, aber auch im Ausland. Er ist viel unterwegs, immer auf der Suche nach dem besten Käse für seinen Bunker. Daher kommt auch sein Spitzname „Genussjäger“. Der ist jetzt auch der Name einer seiner speziellen Käsesorten. Mittlerweile hat sich sein Qualitätsanspruch schon so herumgesprochen, dass er von kleinen Sennern oder Käseherstellern kontaktiert wird.
Heubett und Kirschblatthülle
Einige Kilometer vom Genussbunker entfernt, am Stadtrand von Brixen, hat sich Hansi Baumgartner mit seiner Frau Edith seine „Degust“-Käsemanufaktur aufgebaut, der Käse liegt in einem verglasten Raum im Raum. Das ist nun aber gar kein Bunker-Flair – und dennoch, die Laibe und Gupferl haben gehörig Bunker-Luft genossen. Hunderte Käse lagern in einem riesigen Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg, das zwischen Felsen und Bäumen versteckt liegt. Baumgartner, der seine Karriere als Sterne-Koch 1994 zugunsten seiner Käse-Leidenschaft beendete, hat hier die idealen Bedingungen für seine Veredelungsideen gefunden. Da liegt Käse in einem Heubett oder wird regelmäßig mit Schnaps, Whiskey oder Kaffee eingebürstet, mitunter in Feigen- oder Kirschbaumblätter gewickelt.
Das unterscheidet ihn von Hubert Stockner. Während dieser ganz aufs Bürsten verzichtet, affiniert Baumgartner seine Laibe, um sie zu veredeln. Und er kann über jede seiner Kreationen eine Entstehungsgeschichte erzählen. „Wenn mir ein neuer Käse gelingt, bekommt er einen Namen.“ Anders als noch zu Beginn der 1990er-Jahre hat Baumgartner heute keine Probleme, hochwertige Käse von Südtiroler Bauern zu finden. „Zu achtzig Prozent kaufen wir heute aus Kleinstproduktionen wie Alp- oder Hofkäsereien. In Südtirol wird mittlerweile toller Käse hergestellt.“
Kommentare