Kolumne

Fremd riechen: Wenn Wein vergangene Erinnerungen weckt

Ein Duft steigt in die Nase, der an ein lang zurückliegendes Ereignis erinnert. Auch das Gefühl von damals taucht wieder auf.

Geruchssinn vermag Emotionen zu evozieren. Da olfaktorische Reize ohne lang herumzutrödeln direkt in verschiedene Hirnareale stürmen, bleibt die Reaktion nicht lange aus. Fremder Duft etwa löst im Körper Alarm aus – er meldet: Gefahr in Verzug! Das mag der Grund sein, warum Weintrinker, die sich einmal auf einen bestimmten Geschmack eingetrunken haben, nicht um die Burg dazu zu bewegen sind, sich auf sensorische Abwege zu begeben.

Könnten dort doch finstere Bedrohungen lauern – am Ende gar in Form von Natural Wines, die verdächtig fremd riechen und schmecken, womöglich sogar fehlerhaft sind? Und da sensorische Reize eine besondere Vorliebe für die limbische Abteilung zeigen, fällt die Reaktion ebenso irrational wie reflexartig aus: Flucht oder Angriff. Meist beides: Weine mit vermeintlich hohem Bedrohungspotenzial werden künftig nicht mehr getrunken, dafür umso wüster beschimpft. Dabei könnten, so weiß der Sensoriker Klaus Dürrschmid, olfaktorische Abneigungen  mittels mehrmaliger Konfrontation überwunden werden.

Mitunter kann man da sanft nachhelfen: Schenken Sie doch zu Weihnachten ihren Freunden einen Wein, von dem sie vermuten, dass er ihnen so gar nicht schmeckt. Vielleicht erweitert das den einen oder anderen sensorischen Horizont. 

Christina  Fieber

Über Christina Fieber

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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