Der Turning Torso war bis vor Kurzem das höchste Gebäude Schwedens. Er überragt die moderne Seestadt Västra Hamnen am Öresund

Die besten Tipps und Adressen für ein Wochenende in Malmö

Zum 50. Jubiläum des ABBA-Erfolgs „Waterloo“ kommt der Eurovision Song Contest wieder nach Schweden, übrigens bereits zum siebten Mal. Die heurige Gastgeberstadt Malmö bietet multikulturelles Flair, spannende Architektur und ganz viel Musik.

Von Lisa Arnold

Am Lilla Torg, dem „kleinen Platz“, herrscht tüchtiges Gewusel. Es ist einer der ersten lauen Abende, den sich die Schweden während des gefühlt viel zu langen Winters herbeigesehnt haben. Die Lokale stellen wieder ihre Tische ins Freie, der Springbrunnen sprudelt und die Fahrradständer quellen über. 

In der magischen Stunde zwischen fünf und sechs Uhr abends sind alle draußen: die Büroangestellten, die sich in der Bar „Moosehead“ ein Bier und vielleicht einen Burger gönnen, die Touristen, die sich gerade das inspirierende Form/Design Center angeschaut haben, und die Einheimischen, die in den umliegenden Fußgängerzonen einiges zu besorgen haben. Dass Malmö jene Stadt in Schweden ist, die dem europäischen Kontinent am nächsten liegt, zeigt sich am Lilla Torg besonders: Dort sorgen Schanigärten und Stimmengewirr in der warmen Jahreshälfte für eine fast schon mediterrane Atmosphäre. 

Malmö ist die Hauptstadt (richtiger: Residenzstadt) der südschwedischen Provinz Schonen. Mit rund 336.000 Einwohnern ist sie Schwedens drittgrößte Stadt und ungefähr so groß wie Graz. Während die Hauptstadt Stockholm mit den Royals Glamour versprüht und die „Second City“ Göteborg von ihrem Hafen geprägt ist, gilt Malmö als klassische Arbeiterstadt. Die Rolle des Underdogs, weit weg von der Hauptstadt (600 Kilometer – in etwa Österreichs West-Ost-Ausdehnung), wird im Malmö gerne zelebriert. Ohne Frage sind die Einheimischen stolz auf ihre pittoreske Altstadt und die von Parks umgebene Burganlage Malmöhus. Doch sind die Kanäle, die den historischen Stadtkern umgrenzen, erst einmal überquert, zeigt sich Malmö rauer, alltäglicher. 

Das Erbe der Arbeiterstadt wird vor allem rund um den Platz Möllevångstorget deutlich, den die Skulptur „Ehre der Arbeit“ ziert. Er wurde 1904 angelegt, als sich mehrere Fabriken dort ansiedelten. Diese sind erhalten geblieben, beherbergen heute jedoch neben Wohnungen auch Gaststätten und Geschäfte. Zwei Häuserblöcke weiter liegt der Volkspark (Folkets Park) – früher Treffpunkt der Arbeiter, heute Malmös beliebtester Picknickplatz. 

Von Fine Dining bis FalafelIn einer Sache stellt die Stadt den Rest des Landes in den Schatten: mit ihrer Vielfalt. In Malmö sind 186 Nationalitäten vertreten; etwa die Hälfte der Einwohner hat Migrationshintergrund. Kein Wunder, dass in Malmös Straßen allerlei exotische Aromen in der Luft liegen. In dieser multikulturellen Szene hat sich der gebürtige Malmöer Tareq Taylor, der Vorfahren aus Schweden, Großbritannien und Palästina hat, einen Namen als Koch und Gastronom gemacht. Sein Restaurant „Kockeriet“, das heuer sein zehnjähriges Bestehen feiert, serviert Verkostungsmenüs mit fünf oder sieben Gängen. Sein Signature-Gericht: Knollensellerie mit Käseschaum, Haselnüssen und eingekochter Birne. Dazu gibt es Weine, Gin und Whiskey, bei deren Herstellung Taylor selbst mitgemischt hat.

Cocktails im  Restaurant „Bise“. 

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Am Stortorget – dem „großen Platz“ – schmückt Werbung aus dem frühen 20.  Jahrhundert das Haus mit der Nummer 8 

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Das Lokal liegt im historischen Stadtkern und weil es ausschließlich abends aufsperrt (Mo-Sa ab 18 Uhr), bietet sich der Besuch nach dem ersten Rundgang an. Ganz in der Nähe befinden sich nämlich Sehenswürdigkeiten wie die gotische Peterskirche, die Einkaufsstraße Södergatan und der Hauptplatz Stortorget mit dem ehemaligen Rathaus von 1546. Damals gehörte die Provinz Schonen (noch bis 1658) zu Dänemark, weshalb viele der historischen Gebäude baulich eher an Kopenhagen erinnern. 

Doch natürlich ist es nicht die Spitzenküche, die den Geschmack von Malmö ausmacht, sondern die unzähligen Bistros und Imbisse, die die Vielfalt der Stadt widerspiegeln. Gerichte wie Curry, Pad Thai und vor allem Falafeln sind der Treibstoff, der die Malmöer durch den Alltag bringt. 

Die Diskussion, wo es die besten Falafeln gibt, ebbt nie ab. Ein starker Kandidat ist der unscheinbare Foodtruck „Falafel by Youssif“. Der Betreiber Youssif Iskandarani, der 1985 aus dem Libanon nach Malmö kam, soll damals der erste Falafelkoch in ganz Schweden gewesen sein und überzeugt bis heute mit dem Rezept seines Vaters. Zu seinen prominenten Gästen gehört der aus Malmö stammende Fußballstar Zlatan Ibrahimović. 
Zwischen Werft & WolkenkratzerMalmö ist nicht nur die multikulturellste, sondern auch die jüngste und die am schnellsten wachsende Stadt Schwedens: knapp fünfzig Prozent der Malmöer sind unter 35, und jedes Jahr steigt die Bevölkerung um rund 4.000 Menschen an. 

Die Markthalle (Malmö Saluhall) mit Ständen, die entweder Zutaten verkaufen oder fertige Gerichte servieren

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Wasserspiele und der maurische Pavillon (Moriskan) im Malmöer Volkspark 

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Das frühere Rathaus am Stortorget, erbaut im holländischen Renaissancestil

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Auch das Stadtbild wird derzeit einer Verjüngungskur unterzogen:  Nördlich von der Altstadtinsel Gamla Staden entsteht auf dem zuvor von der Stadt abgeschnittenen Gelände einer ehemaligen Werft das Viertel Varvsstaden mit 2.500 Wohnungen, 4.000 Arbeitsplätzen und einer fast kilometerlangen Kaipromenade rund um das Bassin, in dem früher Schiffe zu Wasser gelassen wurden. Obwohl diese Flächensanierung zwei Jahrzehnte in Anspruch nehmen soll, sind erste Teilprojekte schon fertig. Die „Gießerei“ hat sich das Unternehmen Oatly, das seine Hafergetränke in zwanzig Länder vertreibt, als neuen Hauptsitz geschnappt. Und in eine ehemalige Lagerhalle sind das Restaurant „Aster“ und das renommierte schwedische Architekturbüro Wingårdhs eingezogen.

Der futuristische Bahnhof Triangeln

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In der Innenstadt bilden der Eventkomplex Malmö Live und das hundert Jahre ältere, ehemalige Hafenbüro einen architektonischen Kontrast

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Während an der „Werftstadt“ noch gebaut wird, können Freunde von moderner Stadtarchitektur durch das Viertel Västra Hamnen („Westhafen“) schlendern. Dort schraubt sich der weiße Wolkenkratzer Turning Torso“ vom spanischen Stararchitekten Santiago Calatrava (geb. 1951) gen Himmel. Das 2005 eingeweihte Bauwerk war mit seinen 190 Metern lange das höchste des Landes – bis es vor zwei Jahren vom Karlaturm in Göteborg auf den zweiten Platz verwiesen wurde. Zu seinen Füßen breitet sich ein kleinteilig gestaltetes Wohnviertel mit Parks und Wasserflächen aus, in das auch einige Lokale eingestreut sind. Im „Kontrast“ treffen indische und schwedische Kochtraditionen aufeinander. Gerichte wie „der Stolz von Kaschmir“ schmecken mit Blick auf den Öresund besonders gut. 

Die Burganlage Malmöhus ist heute Südschwedens größtes Museum. Neben historischen Räumlichkeiten gibt es Ausstellungen über Kunst, Seefahrt und Naturkunde

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Die Stimmen von Malmö Malmö und Umgebung haben bekannte Musiker in verschiedenen Genres hervorgebracht. So stammt Måns Zelmerlöw, der 2015 den Eurovision Song Contest mit „Heroes“ gewann, aus der 20 Kilometer entfernten Universitätsstadt Lund. 

Auch der erfolgreiche Rapper Jason „Timbuktu“ Diakité hat seinen Durchbruch in Malmö erlebt. Und der Opernsänger Rickard Söderberg  kommt zwar ursprünglich aus der Nachbarprovinz Halland, ist aber mit 25 Jahren nach Malmö gezogen und hat sich dort so gut eingelebt, dass er 2016 als „Schone des Jahres“ ausgezeichnet wurde.

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Anreise

Malmö hat zwar einen eigenen kleinen Flughafen, doch die meisten Besucher aus dem Ausland fliegen nach Kopenhagen und nehmen den Zug über die Öresund-Brücke nach Malmö. Aus Wien fliegen neben Austrian Airlines auch Ryanair und Ethiopian Airlines. Der Öresund-Zug (Öresundståg) fährt direkt am Kopenhagener Flughafen ab, braucht 25 Minuten zum Malmöer Hauptbahnhof und kostet etwa 15 Euro pro Strecke. oresundstag.se

Infos zum Eurovision Song Contest: 
malmo.se/ESC2024.html

Der LGBT-Aktivist und Eurovision-Fan postet auf Instagram unter dem Namen @gaytenor und tritt gerne mit Lidschatten und lackierten Fingernägeln auf. An der Malmöer Oper ist er als nächstes in Richard Strauss’ „Salome“ zu sehen (Februar-März 2025). Doch auch abseits von großer Oper und noch größeren Musikwettbewerben ist Malmö eine klangvolle Metropole. Am 1. Juni erfüllt das Festival „Sounds of Summer“ den Volkspark und im Juli spielen The Cardigans mit Meerblick beim „South Ocean Festival“. Den Rest des Jahres rocken schwedische und internationale Musiker den Livemusik-Club „Plan B“, der in einem ehemaligen Industriegebäude untergebracht ist. Da ist sie wieder: die imperfekte Mischung aus Arbeiterstadt und Kultur am Puls der Zeit. Rau, cool und schwungvoll – das ist Malmö.

TIPPS

Hotels

MJ’s

Stylisches, opulent eingerichtetes Hotel mitten in der Altstadt. Frühstück im überglasten Innenhof. mjs.life

Ohboy

Das jugendliche Hotel mit Maisonette-Zimmern und Leihrädern liegt in Västra Hamnen. ohboy.se

Clarion Hotel Malmö Live 

Direkt an die Konzerthalle angeschlossen und mit einer Panoramabar im 25. Stock. strawberryhotels.com/hotels/sweden/malmo


Aktivitäten

Bootstour auf den Kanälen
Ob per Tretboot oder im Sightseeing-Boot: In Malmö lohnt sich der Blick vom Wasser aus. cityboats.se, stromma.com

Kaltbadehaus von Ribersborg 
Erst aufwärmen in der Sauna, dann rein in den kalten Öresund. So machen es die Locals – und zwar ganzjährig. ribersborgskallbadhus.se

Disgusting Food Museum
Saurer Hering, eingelegte Mäuse, Käse mit Würmern: All die achtzig ausgestellten Gerichte sind irgendwo auf der Welt Delikatessen – und sorgen anderswo für Brechreiz. Es gibt Kostproben! disgustingfoodmuseum.com


Shopping

Mitt Möllan
Alternatives Einkaufszentrum mit 13 individuellen Geschäften und fünf Gaststätten. mittmollan.se

Grandpa 
Mode trifft Lifestyle: Dieser mit Hingabe kuratierte Conceptstore ist immer trendy. grandpastore.com

Nordiska Galleriet
Erst vor wenigen Monaten hat dieses Geschäft mit skandinavischen Designartikeln und Möbeln eröffnet. nordiskagalleriet.se

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