Nostalgie: Wer oder was ist heute noch cool?

Ein neues Buch lädt zu einer Reise ins Gestern ein und versucht dem Coolness-Faktor nachzuspüren.

Unter Dreißigjährige sagen slay, lit oder auch nice, wenn sie etwas cool finden. Welches Wort wann am besten passt, lässt man sich am besten von jemandem der Generation Z erklären – egal, ob Nichte, Sohn oder jüngere Schwester. Die Sprache verändert sich seit jeher mit der Jugend. So war das auch mit dem Adjektiv „cool“. 1980 vom Duden aufgenommen, bekam es im deutschsprachigen Raum erst nach und nach die Bedeutung für etwas, das einfach leiwand ist, und viele Eltern, Onkel und Omis verwenden das Wort bis heute. Aber egal, wie man es nennt, jede Ära hat ihre Helden, einige davon bleiben es für ewig. Etwa James Dean oder Marlon Brando, Lauren Bacall oder Marlene Dietrich. Sie werden stets bemüht, wenn es darum geht, von einer coolen alten Zeit zu schwärmen, etwa von ikonischen Looks und zeitlosem Design. Da passt es, dass Autor Michael Köckritz dem Thema „Coolness“ einen ganzen Bildband gewidmet hat, in dem der Begriff als Lebensgefühl und Attitüde philosophisch, literarisch sowie mit ins Bild gesetzten Legenden, Marken und Moden liebevoll-künstlerisch gefeiert wird. Der Untertitel gibt die These vor: Es geht um „Die lässige Eleganz der Freiheit“.

Wilder Westen:  Fotografin Anouk Masson Krantz setzt das Leben des amerikanischen Cowboys „zwischen Lässigkeit und knochenharter Arbeit“ in Szene

©Anouk Masson Krantz

Humor als Strategie

Wer verdient eigentlich die Zuschreibung „cool“? Auf jeden Fall jemand, der es nicht sein will, so die Conclusio des Autors. Und ohne Humor gehe nichts. „Humor ist eine geniale Strategie, um sich von den Dingen zu distanzieren. Und von der eigenen Person. Wer sich augenzwinkernd selbstironisch über sich und seine Schwächen, Marotten und Fehler herzlich amüsieren kann, lebt Coolness als wunderbar entspannte Haltung.“Wie entspannt waren aber die Protagonisten von einst, die bis heute für Coolness stehen?

Warum gelten Kerle wie James Dean, Marlon Brando und Steve McQueen bis heute als coole Rebellen? Reine Inszenierung? James raste, Marlon fraß sich zu Tode und Steve, der „King of Cool“, war nicht nur schnellen Autos, sondern auch Frauen, Drogen und Alkohol verfallen. Rebellion ist für Jugendkulturforscher Bernhard Heinzlmaier (siehe unten), etwas anderes: „Rebellen haben etwas im Sinn, das über das Ego hinausgeht. Da geht es etwa um politische und gesellschaftliche Anliegen. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind für mich Rebellen“, sagt er der freizeit.

James Dean traf den Nerv der Jugendlichen in den 1950ern. Filme, Poster und Fotos halten sein Image als rebellischer Jugendlicher bis heute lebendig. 
 

©Bettmann Archive/Pictorial Press Ltd/Alamy Stock Photo

Steve McQueen liebte Mädchen, Motoren und Drogen. Würde er heute noch als „King of Cool“ gelten – oder einfach nur die Kombination aus alt, weiß und Mann bedienen? 

  

©Adriano Cimarosti/TeNeues

Wie cool wollen wir alle sein?

Das passt auch zu der Aussage des Philosophen Lambert Wiesing, der in „Coolness“ zu Wort kommt: „Der Zeitgeist problematisiert das Coole, weil wir eher eine Kultur der Sensibilisierung haben. Das beinhaltet, sensibel für die Probleme anderer zu sein, sich einfühlen zu können, Empathie zu haben, darauf zu achten, dass ich andere nicht diskriminiere.“ Die Devise laute jetzt „stay woke“ statt „keep cool“.Wie cool wollen wir also noch sein? „Es ist schwierig, ewig cool zu bleiben“, sagt Wissenschaftler Caleb Warren von der University of Arizona, der herausfand, dass Menschen vor allem das kaufen, was sie cool finden. Und dennoch sei er sich nicht sicher, ob es erstrebenswert sei, so zu sein. Für Jugendkulturforscher Bernhard Heinzlmaier ist es das jedenfalls nicht, denn „hinter einer coolen Fassade kann vieles furchtbar sein“. Aber von den alten Zeiten zu träumen – auch wenn sie manchmal uncooler waren, als wir uns heute erinnern, ist doch manchmal ganz schön nice.

„Coolness. Die lässige Eleganz der Freiheit.“ Michael Köckritz, mit Interviews, Dokumentationen und mehr als 200 Bildern (teNeues),  
 61,70 € 

©TeNeues

"Hinter einer coolen Fassade kann man erfrieren“

Für den Jugendkulturforscher Bernhard Heinzlmaier ist Coolness die höchste Stufe der Unfreiheit, erzählt er der freizeit

Wer seine Emotionen und seine Schwächen nicht zeigen kann, ist eingesperrt in seine eigene Gefühlswelt“, sagt Bernhard Heinzlmaier vom Institut für Jugendkulturforschung. 2017 schrieb der Sozialwissenschaftler ein Dossier über die „Generation Supercool“. Dort analysierte er die Werte Jugendlicher und proklamierte, dass deren Leben eine ständige Verkleidungs- und Verschleierungsshow sei: „Der wahre Kern des Seins, die innerste Sphäre der Identität, wird entweder unter einer auf Affirmation gerichteten oder schrillen bis skurrilen Maskerade versteckt.“
Sieht Heinzlmaier das heute, sechs Jahre später, immer noch so? „Ja, ein bissl was ist da schon noch dran“, sagt er. Es gebe die Tendenz, sich einen Panzer zuzulegen, wie etwa Gregor Samsa in Kafkas „Verwandlung“, um sich gegen die Verletzungen und Unsicherheiten der Welt da draußen abzuschirmen, sein eigenes Ich zu schützen. „Coolness ist nichts anderes, als dass man sich eine kühle zurückweisende Aura aneignet, um sich in Sicherheit zu bringen. Es ist die Ästhetisierung des Unwohlseins, indem man sich eine unbezwingbare Fassade konstruiert“, so Heinzlmaier. „Gerade Jugendliche versuchen Helden zu sein. “
Dass Legenden wie Steve McQueen, James Dean, Marlon Brando bis heute als Ikonen der Coolness bemüht werden, passe zur Stilisierung von Helden, die wir Menschen seit jeher betreiben, so der Wissenschaftler. „Wir brauchen sie, weil wir unsere Widersacher und die Welt beherrschen möchten. Es ist die Sehnsucht nach der Superkraft, wie sie etwa Superman oder auch die antiken Helden und Heldinnen wie Odysseus und Medea besitzen.“ Da  Marlon Brando und Steve McQueen Suchttypen sind, zeigt sich, „hinter so einer coolen Fassade kann man auch erfrieren, weil sich da eine schwache Persönlichkeit verbirgt“.

Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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