Silbermond: „Menschen, nicht Musik, verändern die Welt“

Die Band spielt zwei Österreich-Konzerte. Sängerin Stefanie Kloß beantwortet im Interview: Wofür lohnt es sich zu leben?

Endlich wieder live. Stefanie Kloß, der Sängerin von Silbermond, ist die Aufregung und Vorfreude spürbar anzumerken. Enthusiasmus kommt dann auf, Glücksgefühle im Kopf. Am 7.3. tritt die Band im Gasometer in Wien auf, einen Tag später im Posthof in Linz. Mit im Gepäck ist die neue Single „Wenn’s am schönsten ist“. Und ihre großen Hits, die sowieso: mit „Symphonie“, „Durch die Nacht“ oder „Das Beste“ haben Silbermond das Genre Deutschrock geprägt. Sechs Millionen Tonträger hat die Band mit ihren Hymnen verkauft, dazu Preise und Goldene Schallplatten eingeheimst.

Auch aus dem TV ist Kloß, charismatisch und sensitiv, bekannt: als Jurorin in „The Voice of Germany“. Vor dem Wien-Konzert steht sie wieder vor der Kamera. In Südafrika dreht Kloß für „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“. Die TV-Show feiert heuer zehnjähriges Jubiläum und wird im Frühjahr ausgestrahlt.

Stefanie, Ihr neuer Song „Wenn’s am schönsten ist“ – eine Ode an alle Pickenbleiber, die auch bei Sperrstunde nicht nachhause gehen wollen?

Das würde ich so nun nicht verallgemeinern wollen. (lacht)

Sondern?

Wir haben einfach an den Moment gedacht, wo der Bauch sagt: Ich will nicht, dass das jetzt aufhört! Etwa bei einem Konzert, wenn wir hinter der Bühne stehen, und die Leute noch nicht nach Hause wollen. Dann spielen wir noch einen Song. Das ist magisch, so einen Moment zusammen zu erschaffen.

Sind Sie jemand, der im Moment lebt?

Mit der Band sind wir natürlich gezwungen, nach vorne zu schauen. Dennoch gehen wir meist lieber danach, wie wir uns fühlen. Nicht immer gut fürs Geschäft. Aber gut fürs Herz der Band.

Das Lied spricht auch folgende Frage an: Wofür lohnt es sich zu leben?

Bei all der schweren Arbeit, dem Job, den man liebt, dem 24-Stunden-um-sich-selbst-Drehen, merken wir, dass das alles ganz schön viel Energie kostet. Ich muss dann einen Punkt finden, an dem ich den Akku neu aufladen kann. Dabei habe ich festgestellt, dass ich es gut finde, wenn ich nach Hause komme und da ist jemand, der auf mich wartet. Das holt mich zurück. Und zeigt mir, worauf es eigentlich ankommt. Diese Balance zwischen beruflicher Erfüllung und privatem Ausgleich ist für jeden wichtig, aber für mich ganz besonders.

Wie kriegen Sie das hin, mit Mann (Silber-mond-Gitarrist Thomas) und dem fünfjährigen Kind auf Tour zu gehen?

Mit Organisation kriegt man alles hin. Unsere Konstellation ist natürlich besonders. Brüder in der Band, eine Partnerschaft, ein Kind – das macht es allerdings auch sehr familiär. Das Verständnis füreinander ist wahnsinnig groß. Weil wir viel teilhaben am Leben des anderen. Deshalb kann man besser verstehen, wenn der andere mal in einer sehr gestressten Situation steckt. Und deshalb klappt das ganz gut.

Silbermond: Andreas Nowak, Thomas Stolle, Stefanie Kloß und Johannes Stolle - „Das Verständnis füreinander ist wahnsinnig groß“

©Jens Koch
Silbermond setzen sich für den Frieden ein. Was kann Musik bewirken?

Man sollte das nicht romantisieren. Wir alle sind realistisch genug, um zu wissen: Nicht Musik verändert die Welt, sondern Menschen tun es. Mit ihren Entscheidungen, ihrem Enthusiasmus, ihrer Kraft. Mit was sie sagen oder nicht, wofür sie sich einsetzen oder gegen was sie sich auflehnen. Was wir haben, ist eine Bühne, auf der wir sehr laut sagen können, wovon wir überzeugt sind. Diese Bühne nutzen wir. Dafür sind wir dankbar. Ob uns dann Menschen zuhören oder nicht, das weiß ich nicht. Aber den Versuch ist es wert.

Sie haben den Deutschrock mit neu erfunden. Macht das elterliche Gefühle?

Der Blick auf einen selber ist natürlich noch mal ein anderer, als jener von außen. Ich würde das jetzt gar nicht so hoch ansiedeln. Was Musik angeht, ist die Tonleiter geschrieben, keiner wird das Rad neu erfinden, oder? Aber man kann die Töne für sich neu kombinieren – und dann kommt so was raus wie ’ne Band wie Silbermond.

Wir wollen aber auch nicht tiefstapeln.

Dass wir mit unserer Musik auf bestimmte Art und Weise zu einer bestimmten Zeit vielleicht am richtigen Ort waren, das ist toll. Aber da spielen viele Faktoren eine Rolle. Wir hatten damals mit Sicherheit eine Mischung aus Glück, den richtigen Menschen, die uns geholfen haben, und tollen Menschen, die unsere Musik in ihr Leben ließen. Ob wir nun irgendwas erfunden haben oder nicht, ist egal: ich bin einfach immer noch und immer wieder wahnsinnig dankbar dafür, dass alles so gekommen ist, und wir das immer noch machen können. Wir kennen so viele Bands, die genau davon träumen. Und wir dürfen das leben, wie toll ist das denn?

Wir mussten uns am Anfang krass durchbeißen und beweisen, dass wir auch wirklich spielen konnten. Dass das wirklich echt ist. 

Wie war die Zeit damals für Sie, in den Nullerjahren?

Die ersten Male live in Österreich zu spielen, war krass. Wir dachten: dass uns hier überhaupt jemand kennt – absurd! In Deutschland wiederum war damals die große Zeit der Castingshows wie „Deutschland sucht den Superstar“. Als unser erstes Album rauskam, mussten wir uns die ersten Plätze mit Sängern wie Alexander Klaws teilen.

Wie hat sich das bemerkbar gemacht?

Wir mussten uns am Anfang krass durchbeißen und beweisen, dass wir auch wirklich spielen konnten. Dass das wirklich echt ist. Damals wurde ja davon ausgegangen, dass eine Band automatisch gecastet ist. Aber dass wir einfach eine ganz normale fucking Band sind, die sich in einer kleinen Stadt wie Bautzen getroffen und durch jedes Stadtfest und jeden Bandwettbewerb gespielt hat, das musste man dann erstmal allen erzählen. (schmunzelt)

Was wüssten Sie heute besser als damals?

Ich bin kein großer Fan davon, in der Rückschau die Vergangenheit nach Fehlern zu durchsuchen. Ob heute oder damals, wir machen zum jeweiligen Zeitpunkt immer das Bestmögliche, was in unserer Kraft steht, nach Bauchgefühl und bestem Wissen und Gewissen. Das war immer so. Ob das ein altes Bandfoto ist, auf dem wir komische Klamotten tragen oder Songs, die wir geschrieben haben – ich weiß, wie die Zeit damals war und die Umstände, und dafür haben wir das Bestmögliche gemacht. Besser ging nicht. Und deshalb hab ich damit meinen Frieden gemacht.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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