Gustav Klimt: Der Goldjunge im globalen Netzwerk

„Klimt – Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse“ platziert den Wiener im internationalen Kontext und versammelt Werke mit großer touristischer Zugkraft

„Es ist nicht einmal Mode bei uns, sich für bildende Kunst zu interessieren!“ Diesen Klageruf kann vielleicht der eine oder die andere heute noch nachvollziehen – als ihn der Kritiker Adalbert Seligmann äußerte, im Jahr 1894, war die Situation der „Kunststadt Wien“ aber doch mit der heutigen nicht zu vergleichen.

Rückständig, rückwärtsgewandt, verschlafen – so fühlte sich Wiens Kunst nach dem Tod des „Malerfürsten“ Hans Makart 1884 für Zeitgenossen an. Als sich dann 1897 die Künstlervereinigung Secession unter der Führung Gustav Klimts vom tonangebenden Künstlerhaus abspaltete, lautete das vorrangige Ziel, Werke internationaler Größen nach Wien zu holen.

Globale Vernetzung

Von diesen Netzwerken und den daraus resultierenden Inspirationsflüssen erzählt die opulente neue Schau im Unteren Belvedere (bis 29. 5.), der sich wohl schon jetzt ein großer Publikumsandrang prophezeien lässt.

Kunsthistorisch betritt das Museum dabei nicht derart großes Neuland, wie die Werberhetorik verheißt – Stephan Koja, bis zu seinem Abgang 2016 noch in die Vorbereitung der Schau involviert, hatte mehrere Ausstellungen zum Thema gestaltet, der Klimt-Experte Tobias Natter beforschte vor 20 Jahren die Galerie Miethke, die ab 1904 als Wiens „Importbüro“ für westliche Kunststars von Van Gogh bis Picasso fungierte.

©Vincent van Gogh Foundation

Eine Zusammenarbeit mit dem Amsterdamer Van Gogh-Museum, die die Ausstellung im Vorjahr unter dem Titel „Golden Boy Gustav Klimt“ zeigte, ermöglichte nun aber eine Dichte an Werken, die in der Tat beeindruckt.

Dabei ist es nicht so, dass die Stars der in Paris zentrierten Moderne (Stichwort „Monet bis Picasso“) Klimts wichtigste Inspirationsquellen gewesen wären. Entlang einer genau erforschten Historie, welche Ausstellungen Klimt in Wien, aber auch auf Reisen nach München, Brüssel oder Paris zu sehen bekam, sieht man etwa Frauenporträts der US-Maler John Singer Sargent und James Abbott McNeill Whistler, verrätselt-atmosphärische Bilder des Belgiers Fernand Khnopff oder die auf geschwungene Linien bauenden Werke des Niederländers Jan Toorop.

Wenige Aufzeichnungen

Anders als etwa von Van Gogh kenne man von Klimt wenige Notizen oder Zeichnungen, in denen der Künstler seine Verehrung für einzelne Vorbilder ausbuchstabierte, erklärt Belvedere-Kurator Markus Fellinger. Doch Klimt versteckte seine Quellen nicht – und in der Schau lassen sich die Verbindungen gut erspüren: Von Toorop zum Beethoven-Fries, von Van Gogh zum flirrenden Gemälde der „Allee vor Schloss Kammer am Attersee“, vom Farbgewitter eines Henri Matisse zum scheckigen „Bildnis der Eugenia Primavesi“. Und von den Symbolisten Khnopff und Franz von Stuck hin zu den „Wasserschlangen II“, der Sensationsleihgabe dieser an Top-Exponaten nicht gerade armen Schau.

©Private collection, courtesy of HomeArt

Kunst = Kapital

Vor dem famosen Konzert an Ornamenten und Körpern – für Klimts ungemein lebendige Darstellung weiblicher Haut konnte man, so Kurator Fellinger, bis heute kein direktes Vorbild ausmachen – kippt aber fast unweigerlich die Perspektive. Wer schafft es, nicht an die enormen Werte zu denken, die hier an der Wand hängen – und an das globale Netzwerk, das sich um sie spinnt und immer komplexer wurde?

Nicht nur ist Klimt längst Zugpferd des Tourismus (werden denn die asiatischen Gäste kommen, um diese Schau zu sehen?): Die Kunst selbst wurde als Finanzinstrument aktiviert. Die Leihgeberin der „Wasserschlangen“ betreibt etwa einen Fonds, der via Blockchain-Technologie Anteile an Top-Werken verkauft – nicht unähnlich dem, was das Belvedere mit dem „Kuss“ probierte (s. oben).

Dass es in diesem Feld weiter hin möglich ist, so einem Bild mit einer Armlänge Entfernung gegenüberzustehen und es einfach nur wirken zu lassen, wirkt da schon wie ein Privileg. Man sollte es sich nicht nehmen lassen.

Michael Huber

Über Michael Huber

Michael Huber, 1976 in Klagenfurt geboren, ist seit 2009 Redakteur im Ressort Kultur & Medien mit den Themenschwerpunkten Bildende Kunst und Kulturpolitik. Er studierte Publizistik und Kunstgeschichte und kam 1998 als Volontär erstmals in die KURIER-Redaktion. 2001 stieg er in der Sonntags-Redaktion ein, wo er für die Beilage "kult" über Popmusik schrieb und das erste Kurier-Blog führte. Von 2006-2007 war Michael Huber Fulbright Student und Bollinger Fellow an der Columbia University Journalism School in New York City, wo er ein Programm mit Schwerpunkt Kulturjournalismus mit dem Titel „Master of Arts“ abschloss. Als freier Journalist veröffentlichte er Artikel u.a. bei ORF ON Kultur, in der Süddeutschen Zeitung, der Kunstzeitung und in den Magazinen FORMAT, the gap, TBA und BIORAMA.

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