Der Trend zur Immersion: Warum die Kunst-Szene jetzt darauf setzt
Durch Immersion ist es möglich, in andere Realitäten zu flüchten und unsere eigene Welt zu erweitern. Doch was hat es mit dem Trend wirklich auf sich?
Immersion ist ein Trend, auf den viele Ausstellungen große Hoffnung setzen. Weltweit tauchen immer mehr von diesen Pop-up-Ausstellungen auf. Allein die immersive „Van Gogh Alive“-Ausstellung ist laut Veranstalter „die besucherstärkste Multimedia-Ausstellung der Welt“, mit über 8,5 Millionen Besuchern, in 70 Städten. Auch in Wien besuchten uns bereits mehrere immersive Ausstellungen, wie zum Beispiel 2021 die "Van Gogh Alive" oder 2022 die "Klimt – The Immersive Experience" und "Monets Garten"
Warum explodiert die Zahl der immersiven Experiences gerade jetzt? Und was bedeutet „Immersion“ eigentlich? In einem Gespräch mit Prae-Doc. M.A. Laura Katharina-Mücke kommen wir dem Hype ein Stück näher.
Was ist Immersion?
Ursprünglich kommt der Begriff aus der Chemie: Wenn ein Gegenstand in eine Flüssigkeit eintaucht, wird das als Immersion bezeichnet. Bezieht man diesen Begriff nun auf die Immersiven Ausstellungen, beschreibt es das Eintauchen in eine virtuelle Welt. „Solche Ausstellungen lassen die Grenzen zwischen unserer und der medialen Realität verschwimmen. Es geht hierbei um das Bewegen vom 'gefühlten Hier', also den realen Raum in ein 'gefühltes Dort', in die virtuell Welt.", so Katharina-Mücke.
Warum ist Immersion gerade jetzt so beliebt?
Neu ist das Konzept nicht. In München gab es bereits 2011 ein ähnliches Kunstformat und 2018 wurde in Tokio sogar ein eigenes immersives Museum eröffnet. Die Anzahl der virtuellen Ausstellungen ist jedoch seit und mit Corona gestiegen.
„Durch die Lockdowns ist eine Art Sehnsucht entstanden und wir Menschen haben uns wirklich danach gesehnt, uns wieder wirklich in etwas hineinzubegeben. Live, in Farbe und mit anderen Menschen, um etwas gemeinsam zu erleben“, sagt Nepomuk Schessl, Produzent der aktuellen Ausstellung "Monets Garten Wien".
Doch der Grund für den Hype könnte auch mit der Netflix-Serie „Emily in Paris“ zu tun haben. Die Immersive Van-Gogh-Ausstellung in Paris wurde von der Netflix-Serie als Kulisse für eine Szene verwendet. Seitdem verzeichnete die Ausstellung über drei Millionen Besucher.
„Immersion hat es immer schon gegeben und wird von Person zu Person unterschiedlich erlebt. Die Argumentation, dass wir in einer beschleunigten Zeit leben, die von Reizüberflutung geprägt ist, gab es bereits vor 100 Jahren, hat sich jedoch damals anders ausgewirkt. Trotzdem wird immer versucht, mit dieser ‚beschleunigten‘ Zeit mitzuhalten und immer gegenwärtig zu handeln“, so Katharina-Mücke.
Die Flucht in eine andere Realität
Was solche Ausstellungen vor allem auslösen, ist der Wunsch, aus der gewohnten Welt auszubrechen. "Medien wollen das, was wir sind, erweitern. Sie ermöglichen uns eine Flucht in eine andere Realität, die nicht unsere eigene ist", so die Professorin. „Medien können unsere menschlichen Fähigkeiten und visionären Vorstellungen entfalten. So kann man zum Beispiel mithilfe von VR-Räumen oder VR-Brillen fliegen, tauchen oder sogar neuen Welten und Planeten erkunden.“
Jedoch geht es hierbei nicht darum, unsere Welt zu ersetzen. Uns werden durch diese Technologien alternative Erlebnisräume geboten, die unsere Realität ergänzen und erweitern. Katharina-Mücke: „Es ist durchaus eine schöne Vorstellung, etwas im Medium zu finden, dass man im echten Leben nicht hat."
Durch Videoanimationen, riesigen Projektionen und klassischer Musik in Dauerschleife, werden die Werke der großen Künstler erfahrbar gemacht. Während der Ausstellung kann man sich setzen oder langsam flanieren. Einfach die Gedanken fallen lassen und genießen? Katharina-Mücke äußert sich auch kritisch dazu: "Welche Funktion wird hier Kunst zugesprochen? Man unterstellt in gewisser Weise, dass Kunst wie Unterhaltung sein muss. Wenn die Leute nicht mehr ins Museum gehen, um sich Klimt, Van Gogh und Co. anzuschauen, dann muss ihnen eine Umgebung geboten werden, die sie anders gefangen nimmt und unterhält."
Wie sieht die Zukunft aus?
Es ist möglich, mit immersiven Spektakeln auf wichtige Themen aufmerksam zu machen und zum Denken anzuregen. Katharina-Mücke dazu: "Es gibt Beispiele, in denen immersive Experiences kritisch verwendet werden, um uns ernsthaft zu bereichern. 'Carne y Arena' ist zum Beispiel eine VR-Installation, in der es darum geht, aufzuzeigen, wie es sich als Flüchtling an der US-mexikanischen Grenze anfühlt. Durch VR-Brillen kann man diese tiefere Perspektive einnehmen. Das ist etwas, was das Medium möglich macht und das ist wirklich faszinierend! Mittlerweile wird VR auch bei Operationen oder Trauma-Therapien benutzt. Solche Kontexte, in denen uns Medien helfen und unser Leben erweitern können, haben Zukunfts-Potenzial. Es geht darum, wie uns Medien dabei helfen können zu verstehen, wie wir uns selbst in dieser Welt bewegen. Das ist das, was ich als Zukunft oder als Zukunftswunsch beschreiben würde."
Sei es durch VR-Brillen oder überdimensionale Projektionen; die immersive Welt ist neu und aufregend. Wer sich ein eigenes Bild dazu machen möchte: Momentan findet die immersive Ausstellung "Monets Garten Wien" in der Marx Halle in Wien statt. Tickets sind ab 22 Euro (Normalpreis) auf monets-garten.at erhältlich. Die Ausstellung in der Wiener Marx Halle läuft noch bis 22. Jänner 2023.
Ab Dezember 2022 kommt „Harry Potter: Die Ausstellung“ nach Wien - ein immersives, interaktive und magisches Erlebnis. Mehr Infos auf harrypotter-ausstellung.at
Laura Katharina-Mücke war im Theater-Film- und Medienwissenschafts-Institut an der Universität Wien Universitätsassistentin (Prae-Doc.) und ist jetzt wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Alltagsmedien und Digitaler Kulturen an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Zu ihrem Forschungsfeld gehört die kritische Auseinandersetzung mit Sozialen Medien und dem Begriff der Immersion. [email protected]
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