Wer den Räuber Hotzenplotz high wirken ließ
Ob der Gauner mit Plattfüßen oder die kleine Hexe mit Zottelhaaren – sie sind ikonische Gestalten. Was wären Otfried Preußlers Bücher ohne Illustrationen?
Riesiger Kopf, lange Plattfüße, zerrissene Hosenbeine, breite Hutkrempe und ständig ein Gesichtsausdruck, als wäre sein geliebter Schnupftabak mit wundersamen, hoch potenten Inhaltsstoffen versetzt. Und obwohl er der Großmutter die Kaffeemühle entreißt, Kasperl und Seppel fängt und Seppel an den bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann – natürlich für einen Beutel Schnupftabak – verschachert, so richtig böse nimmt man ihm das bei seinem herzigen Aussehen nicht.
Den Erfolg seines „Räuber Hotzenplotz“ verdankt Otfried Preußler, dessen Geburtstag sich heuer zum 100. Mal jährt, sicherlich auch den Illustrationen in den Büchern rund um den ungepflegten und ungehobelten Ganoven. Diese stammen vom Essener Franz Josef Tripp, der den Figuren mit schwarzer Tusche und kratzigem Strich ihr ikonisches Aussehen verlieh.
Böser entlarvter Zauberer
Besonders markant dabei: die gar nicht dezenten Nasen der Menschen. Der miese Magier Zwackelmann ist mit einem besonders prächtigen Exemplar ausgestattet – es ist beinahe sichelmondförmig und voller Warzen. Obwohl er schöne Feen zu Unken verhext oder seine Haussklaven bergeweise Kartoffeln schälen lässt, ist er wie Hotzenplotz optisch kein wirklich furchterregender Geselle. Er wirkt wie der Räuber benebelt und gleicht einer Schießbudenfigur. Tripp zeigt ihn stets im Profil.
„Dem Text folgend entlarvt der Zeichner Zwackelmann auch dadurch, dass er ihn immer wieder in äußerst banalen Situationen – so mit Schürze beim Kartoffelschälen, in Unterwäsche oder mit Nachtmütze – zeigt“, schrieb Mirijam Steinhauser in ihrer Dissertation „… der ganze Schreibkram muß den Zeichner animieren“ über das Werk Tripps.
Der Illustrator zeichnete sich auch für die Bilder in „Das kleine Gespenst“ verantwortlich. Auch hier tragen Menschen, die dem lieben Gespenst mit Geisterstunden-Jetlag begegnen, spitze Schuhe oder haben bemerkenswerte Nasen. In den Büchern, die in den 1960ern erschienen sind, sieht alles aus wie aus einer vergangenen – im besten Falle guten, alten – Zeit. Und wie in den drei Hotzenplotz-Bänden gibt es schwungvoll-geschriebene Kapitelüberschriften.
Auch Michael Endes Werk hat Tripp Anfang der 1960er grafisch einprägsam ergänzt. Den schwarzen Buben Jim Knopf, der auf der Insel Lummerland lebt, stattete er mit breitem Grinsen und wulstigen Lippen aus – was heute manche Betrachter an böswillige Karikaturen erinnert. Sein wuchtiger, väterlicher Freund Lukas, der Lokomotivführer, trägt ein viel zu kleines Kapperl. Ob bei Ende oder bei Preußler: Tripp setzte sich in „Jim Knopf und die Wilde 13“ und in „Neues vom Räuber Hotzenplotz“ mit Selbstporträts ein kleines Denkmal und zeichnete sich, wie Steinhauser in ihrer Arbeit feststellt, in eine Illustration ein. Beim Hotzenplotz taucht er anders als bei Jim Knopf nicht als armer Künstler, sondern als distinguierter Herr in einer Menschenmenge auf, die beim Abführen des festgenommenen Halunken zusieht. Eine Spielerei, die Spaß macht – wie die Hotzenplotz-Bücher.
Düsterer Krabat
Den hatte auch Preußler dringend notwendig, als er das düstere Märchen „Krabat“ bearbeitete. Darin eröffnet sich einem Waisenbub in einer gruseligen Mühle die Welt der schwarzen Magie. „Jetzt schreibst du mal was Lustiges, etwas zum bloßen Spaß – sagen wir eine Kasperlgeschichte, in der alle Personen vorkommen, die zu einem richtigen Kasperlstück gehören, einschließlich Räuber und Polizist“, sagte er sich selbst. Aber Preußler hatte irgendwann genug von Kinderbüchern, er nahm die Arbeit an „Krabat“ – für viele sein Meisterwerk – wieder auf. Diesen illustrierte Zeichner Herbert Holzing, der bereits „Die Abenteuer des starken Wanja“ ausgeschmückt hatte.
Wie beim Text merkt man an den Bildern, dass sie für ein älteres Publikum gedacht sind. Sie nehmen den Grundton der Preußlerschen Erzählungen auf, die oft auf böhmischen (oder im Falle Krabats sorbischen) Sagen beruhen. Diese sind alles andere als fröhlich und setzten auf Emotionen. Holzings Illustrationen sind, wie es die FAZ einmal treffend beschrieb, wuchtig, düster, aber gleichzeitig überraschend zart. „Preußler hat so bildhaft geschrieben, dass ich die Bilder sofort vor mir sah“, sagte Holzing einmal. Beide verband später eine Freundschaft.
Weil aller guten Dinge stets drei sind, aber wohl mehr, weil sie wirklich gut war, setzte Preußler außerdem auf die Künste Winnie Gebhardts. Sie war es, die Bilder zum „Der kleine Wassermann“ – Preußlers erstes Kinderbuch – lieferte, das 1956 beim Thienemann-Verlag erschien.
Der kleine gezeichnete Bub aus dem Mühlweiher mit den Schwimmhäuten zwischen den Fingern begeisterte alle Beteiligten. Aber wie Preußler berichtete, habe der Buchhandel weniger euphorisch reagiert. Denn Gebhardt hatte, wie der Autor sagte, „konsequenterweise das Titelbild, das den kleinen Wassermann auf dem Karpfen Cyprinus reitend zeigt, mit einem leichten Grünstich versehen, um zu zeigen, dass es sich um eine „Unterwasseraufnahme handle“. Das fand der zwar wunderhübsch“, aber andere nicht: „Sie wissen, die Branche ist böse – bald erhielt er den Spitznamen „kleine Wasserleiche“.
Die Angst war groß, auf dem Buch sitzen zu bleiben. Aber es sollte anders kommen: „Nun, dem Glücksfall, dass das Buch einen Sonderpreis beim Deutschen Jugendbuchpreis bekam, habe ich es zu danken, dass man sich beim Verlag in immense Unkosten stürzte und den Grünfilter rausnahm. Seitdem lebt der kleine Wassermann kregel dahin und macht seinen Weg.“
Preußler und Gebhardt machten den ihren. In „Die kleine Hexe“ wurde die Zusammenarbeit fortgesetzt. Allerdings kannten sie einander zunächst nicht persönlich, wie Tochter Susanne Preußler-Bitsch einmal mitteilte: „Als Anfang der 1960er-Jahre meine Eltern zu einem Verlagsfest in Stuttgart eingeladen waren, bog da eine zierliche Frau mit langen roten hochgesteckten Haaren um die Ecke und beiden war sofort klar: Dass kann nur die Winnie Gebhardt sein – sah sie doch zum Verwechseln ähnlich aus wie die kleine Hexe, die sie illustriert hatte.“
Die 127 Jahre alte – also noch blutjunge – Hexe hat nicht nur ihren bösen Kolleginnen ins Handwerk gepfuscht und ist Protagonistin in einem der ersten deutschen antiautoritären Kinderbücher. Ihre Gestalt mit Zottelhaaren, spitzer Nase und Raben-Freund Abraxas an der Seite ist, wie jene von Hotzenplotz, bekannt geworden wie ein bunter Hund. Da wundert es nicht, dass viele Bücher bis heute mit den Bildern der Erstausgaben erscheinen. Nur sind sie nicht mehr in Schwarz-Weiß gehalten. Die Sehgewohnheiten haben sich geändert, Kinderbücher sollen farbig sein.
Fürs 60-jährige Erscheinungsjubiläum erhielt die kleine Hexe 2017 in der Fortschreibung „Abflug mit Abraxas“ ein neues, runderes Antlitz. Der schlecht gepflegte Typ bekam 2018 ein Facelift in „Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“, die auf einem aufgetauchten Puppenspiel Preußlers basiert und von dessen Tochter ergänzt wurde.
Preußler, dessen weltweite Gesamtauflage bei 50 Millionen Exemplaren liegt, hat aber auch höchstselbst die Feder geschwungen. Etwa in „Hörbe mit dem großen Hut“. Hier möchte ein Hutzelmann aus dem Siebengiebelwald auf Wanderschaft gehen. Als er sich eines Tages auf den Weg macht, erlebt er viele Abenteuer. Und nur knapp entgeht er dem bösen Plampatsch. Wie gut, dass er Zwottelzottelschratz trifft, der sein Freund wird und ihn nach Hause begleitet.
Gerade widmet sich auch die Ludwiggalerie im deutschen Oberhausen dem Thema. Wer Interesse daran hat, sollte sich schnell nach Nordrhein-Westfalen begeben. Die Schau dauert bis 15. Jänner.
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