Harald Schmidt im Interview: "Es hat sich ausprovoziert“

Der Entertainer über seine Tour quer durch die Lieblingsgasthäuser des Übertreibungskünstlers Thomas Bernhard, Frittatensuppe, Tafelspitz – und Essen als Sex des Alters.

Die Idee, sich Thomas Bernhard nicht über den klassischen Weg der – Achtung, jetzt wird’s akademisch – Werkanalyse zu nähern, sondern ihm im Wirtshaus und am Esstisch zu begegnen, gefiel Harald Schmidt. Als Herausgeber des Buches „In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe“ sei er der „Grüß-Gott-Onkel“. Auf einem Roadtrip – „Drei Traumtage. Ein Wetter zum Heldenzeugen!“– bereiste der Entertainer Gasthäuser in Bernhards oberösterreichischer Heimat, wo er etwa beim Kirchenwirt zu Ohlsdorf hörte: „Den Bernhard-Freak kennst scho beim Einigehn.“

Thomas Bernhard hatte im Gasthof Klinger in Gaspoltshofen am liebsten die Frittatensuppe. Im Stück „Der Theatermacher“ setzte er ihr ein literarisches Denkmal und krönte sie zur „Existenzsuppe“. Wie ist Ihr Verhältnis zur Frittatensuppe?

Harald Schmidt: Die kenne ich als Schwabe ja als Flädlesuppe, also die Wiederverwertung von Pfannkuchen …

In Österreich Palatschinken.

Genau. Um mich literarisch hochzupuschen, sage ich in der Austro-Anbiederung jetzt auch Frittatensuppe. Lustig, dass in Oberösterreich der Zorn groß war, wie die Piefke das Wort überbetonen: „Wann i des scho hea – Frittaten.“

©APA/GEORG HOCHMUTH
Gegessen wird oft in der Weltliteratur, aber was ist in puncto Essen das Besondere bei Bernhard?

Claus Peymann sagt, es sei schon meisterhaft, wie er seine Figuren über das Essen kennzeichnet. Wie und was sie essen. Das Meisterstück ist der Brandteigkrapfen in „Ritter, Dene, Voss“, inzwischen ein Klassiker. Jeder Bernhard-Junkie kann davon erzählen und die Szene auch gleich im Theaterfoyer nachspielen.

Wie sind Sie mit Bernhard in Berührung gekommen?

Als Schüler ging ich drei Mal pro Woche ins Theater. Das war die Peymann-Zeit in Stuttgart mit den Bernhard-Uraufführungen: „Minetti“ und „Immanuel Kant“ mit Peter Sattmann habe ich gesehen. Bleibend in Erinnerung ist mir aber Gert Voss, der einen Papagei synchronisiert.

Beeindruckend?

Ja. Ich bin ja in den Beruf gegangen, weil ich bei dieser Form des Theaters mitspielen wollte. Ich war 17 Jahre alt, und alle, die später zu Göttern des deutschsprachigen Theaters wurden, fingen da an. Martin Schwab, Kirsten Dene, Gert Voss, Branko Samarovski … Aber diese Projekte von rückwärts sprechenden Diversen mit deutschen Obertiteln heute sind nicht mehr so mein Ding.

Worüber sich Harald Schmidt freut

„Wie geleckt“
Kochen  macht Harald Schmidt selbst keinen Spaß: „Aber ich bin ein leidenschaftlicher Aufräumer  der Küche – an Sonntagen bis zu drei Mal,  weil bei uns ab 7 Uhr in Schichten gefrühstückt wird. Bis um 15 Uhr irgendwer, der behauptet, ein Kind von mir zu sein, auch frühstückt. Und ich möchte, dass die Küche hinterher aussieht wie geleckt.“

Provokant
Harald Schmidt ist „natürlich überglücklich, dass in Zeiten der politischen Power-Korrektheit in Wien noch der ,Mohr im Hemd’ auf der Speisekarte steht“. 

Was haben Sie beim Road-Trip kulinarisch erlebt?

Sie müssen sich vorstellen, ich habe dreimal zu Mittag gegessen wegen der Fotos fürs Buch. Aber es hat so unglaublich gut geschmeckt. Der Wurstsalat beim Kirchenwirt in Ohlsdorf. Das ist meine Lieblingsrichtung: rustikales Essen – perfekt gemacht. Oder: Tafelspitz in Gmunden im Hotel Schwan, butterweich, fantastisch. Und im Gasthof Klinger hab ich von der Frittatensuppe freiwillig drei Portionen gegessen.

Chapeau!

Alle diese Gastwirte reden ja über Bernhard wie Fans über einen Fußballspieler. Beim Kirchenwirt, so wird erzählt, saß seinerzeit immer einer am Tisch dabei, der hieß der Narrisch-Hansl. Und Peymann war total begeistert, weil der Narrisch-Hansl nur ab und zu so Sätze wie Kalendersprüche sagte. Dann rief Peymann: „Was dieser Mann spricht, ist reine Literatur.“ Da hängt – gerahmt – auch die Eintrittskarte für die Uraufführung von „Heldenplatz“ an der Wand. Man versteht, wo die Basis von Bernhard liegt. Man kommt rein und glaubt, man ist in einem Bernhard-Stück.

©Brandstätter Verlag
Dabei wurde er als „Nestbeschmutzer“ wie kein anderer gehasst und angefeindet.

Natürlich. Insofern ist ja heutzutage nicht mehr vorstellbar, dass ein Theaterstück noch so einen Skandal auslösen kann. Was heute am Theater passiert, ist den Leuten ja vollkommen gleichgültig. Es hat sich letzten Endes ausprovoziert. Man hat schon alles gesehen: nackt, halbnackt, Bergstiefel, Hakenkreuz ...

Also gilt: „In Wien musst erst sterben, dass sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang“, wie Helmut Qualtinger illusionslos sagte.

Das ist wahrscheinlich überall so und wahrscheinlich der bessere Ruhm. Die Leute, die schon zu Lebzeiten angehimmelt werden, das ist ja meist nichts, oder?

Es heißt: Essen sei der Sex des Alters. Wie ist Ihre Wahrnehmung dazu?

Bei mir das beste aus beiden Welten: Ich esse beim Sex.

Wie bitte? Ich kenne nur die Zigarette danach.

Ich kenne die Zigarette anstatt (lacht). Nein, ich lasse mich füttern beim Sex.

Werner Rosenberger

Über Werner Rosenberger

Seit 1994 beim KURIER im Kultur-Ressort und Autor zahlreicher Reise-Reportagen für den FREIZEIT-KURIER. Davor hat der gebürtige Steirer zehn Jahre lang bei verschiedenen Medizin- und Wissenschaftsmedien gearbeitet, war Mitgründer und Chefredakteur einer Wochenzeitung für Ärzte, außerdem Werbetexter und Autor u. a. für GEO, Profil, Trend und Diner's Club Magazin.

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