Durch den Rückspiegel nach vorn: Lichtkünstlerin Brigitte Kowanz in Linz
Das Schlossmuseum zeigt die letzte große Schau, die die im Jänner verstorbene Künstlerin Brigitte Kowanz noch aktiv konzipierte – mit viel Sinn für Gegenwärtiges
Es ist schwer, nichts hineinzuprojizieren in diese Werke, in die scheinbar ins Unendliche laufenden Spiegelungen. Das weitläufige Untergeschoß des Linzer Schlossmuseums wirkt durch sie noch größer, wird buchstäblich zu einem Raum der Reflexion. Assoziationen zu einem Gedenkraum jagen durch den Kopf, aber man lässt sie wieder ziehen: Hatte sich doch Brigitte Kowanz, die am 28. Jänner dieses Jahres verstarb, selbst nie in den Mittelpunkt gestellt.
Die Ausstellung bzw. Installation mit dem Titel „ISTR“ in Linz (bis 24. 7.) ist nun die letzte, die Kowanz selbst konzipierte – und zugleich die erste, die posthum ausgerichtet wird. Ob es seitens der Künstlerin Vorahnungen gegeben hat, bleibt unklar – dass Kowanz nicht nur in der Zeit voraus, sondern auch zurückblickte, lässt sich aber doch sagen.
Das suggeriert einerseits die titelgebende Arbeit, deren Buchstaben ISTR kurz für „I Seem To Recall“ (etwa: „Ich scheine mich zu erinnern“) stehen. Als Morse-Intervalle codiert, umschließen diese Kürzel vier tragende Säulen. Halbverspiegelte Scheiben umschließen diese Blöcke zur Hälfte und lassen sie mit anderen, entlang den Wänden platzierten Arbeiten korrespondieren.
Codierungen, Spiegelungen, Endloseffekte – das sind die Vokabeln, aus denen Kowanz ihr komplexes, bei aller Sinnlichkeit stets auch theorie- und recherchebasiertes Werk baute.
Kürzel und Emojis
Für die Linzer Schau nahm die Künstlerin, die immer wieder auch Marksteine der Digitalisierung wie das Datum der ersten übermittelten eMail als Code monumentalisierte, Anleihen bei der jüngsten Gegenwart: Akronyme wie „OMG“ oder „ASAP“, in Handschrift wiedergegeben und als Leuchtstoffröhren ausgeführt, bilden etwa ein Spruchband an der Wand, als neue Variante der Verkürzung von Kommunikation.
Eine weitere findet sich daneben: Zunächst nur als gebürstete Edelstahlplatten kenntlich, entpuppen sich kreisrunde Objekte bald als Kowanzsche Varianten von Emojis, deren Gesichter aber erst im Streiflicht sichtbar werden. Die Quelle dafür sind krumme Leuchtstoffröhren, denen man kaum klare Bedeutungen – ein Lachen oder Weinen etwa – zuschreiben kann; Kommunikation braucht auch Konvention.
Das Ums-Eck-Denken und das Streben nach einer präzisen Form unterscheidet Kowanz’ Kunst von so vielem, was derzeit vorgibt, die digitalisierte Gegenwart zu erfassen. Der zweite, in Schwarzlicht getauchte Saal scheint da Ausdruck einer Selbstüberprüfung zu sein, ob das eigene Werk Bestand hat: Die Künstlerin nahm für diesen Bereich ihre Arbeit mit fluoreszierenden Farben aus den 1980ern wieder auf, Titel wie „Flashback/Look Ahead“ sprechen für sich. Tatsächlich haftet dem Remix kein Retro-Flair an.
Ob Kowanz selbst also retrospektiv gestimmt war? Das kleine, fast etwas versteckte Objekt, in dem das Kürzel „thx“ neben einem Konvexspiegel steht, der den ganzen Raum erfasst, ließe sich als Abschiedsgruß, als ein „Danke für alles“ lesen. Doch die eigenen Projektionen können auch trügerisch sein. Das „Danke für alles“ soll trotzdem nicht unerwidert bleiben.
Kommentare