Blühende Fantasie: Künstler basteln Tiere oder Schuhe aus Blumen
Es gibt Menschen, denen reicht ein Strauß Blumen nicht. Was mit Blüten, Stängeln und Blättern alles möglich ist.
Seine Schuhe sind geradezu perfekt. Sie sind bunt, meist höchst filigran, riechen gut, haben organische und zugleich gewagte Formen – und sie schmerzen trotz allem nicht. Schmerzlich mag nur sein, dass es Michel Tcherevkoffs Shoe Fleurs lediglich als Bilder gibt. Und selbst wenn es sie gäbe, sie würden – gefertigt aus Gräsern, Blättern und Blüten – auch viel zu schnell wieder vertrocknen. Aber das findet der Fotograf sogar richtig spannend.
„Kunstwerke aus frischen Blumen zu machen, passt zu den kurzen Abläufen der Mode und des Styles. Schon während ich Blumen fotografiere, ändern sie sich. Und den Prozess der Veränderung finde ich sehr schön“, sagte der in New York lebende Künstler mit französisch-russischen Wurzeln einmal.
Einen Namen machte er sich dadurch, indem er die Wirklichkeit um ein Stück aufpeppt. „Nur Bilder von etwas zu machen, das existiert, hat mich nie wirklich gereizt. Mich hat immer die illustrative Fotografie interessiert, in der ich mir eine eigene Realität mit Twist schaffen kann.“ Und das macht er ziemlich erfolgreich – Tcherevkoff ist ein gefragter Mann in der Kunst- und Modewelt. Frustriert vom Jus-Studium kam er in den 1970ern nach New York, wo seine Schwester als Model arbeitete. Als er sie bei einem Shooting besuchte, erkannte er: Juristerei ist nicht mehr das, was er machen will. Die Fotografie ist es.
Er hört die Pflanzen sprechen
Ein Shooting war es auch, das ihn auf die Idee zu seinem Schuh-Projekt brachte. Er fotografierte ein Blatt, das verkehrt herum vor ihm lag. „Moment, das sieht aus wie ein Schuh“, bemerkte Tcherevkoff. Er begann zu experimentieren und kaufte das gesamte Angebot eines Blumenmarkts auf. Er machte unzählige Bilder der Blüten, Blätter, Stiele, er verknotete, drehte, und fügte dann die Einzelbilder zusammen. Entstanden sind daraus die farbprächtigen Treter, die er im Buch „Shoe Fleur, a Footwear Fantasy“ verewigte.
Einfach machte er es sich bei seiner Arbeit wahrlich nicht. „Ich habe mich früh dazu entschieden, die unterschiedlichen Arten nicht zu vermischen. Jeder Schuh – und jede dazugehörende Handtasche – sollten aus einer bestimmten Pflanze gemacht werden.“ Und er hörte den Gewächsen zu, denn die hatten einiges zu sagen. „Jede Pflanze sprach in einer anderen Stimme zu mir. Die eine hatte eine sehr leise, also mussten auch die Riemen dünn sein.“ Eine andere hätte ihm ins Ohr gebrüllt „Ich bin groß und stark. Ich kann ewig gehen!“ Also designte er ein eher klobiges Exemplar. Was ihm die Pflanzen später kess zugeflüstert haben, wäre durchaus interessant. Da schuf er verführerische Unterwäsche. Später folgten gewagte Hüte.
Weniger filigran, dafür umso knalliger sind die Schuhe, die Mr. Flower Fantastic fabriziert. Der ebenfalls aus New York stammende Mann kombiniert Kunst, Floristik und Sneakers und schafft riesige Bouquets, die aussehen wie bunte Turnschuhe. Vor einigen Jahren sorgte er bei den US-Open für Aufsehen, als er Serena Williams’ Nike Air Max '97 mit floralen Elementen zusammensetzte. Aber es muss nicht nur duftendes Schuhwerk sein. Manchmal baut er mit Pflanzen auch Handys, Burger oder Pizzen nach.
Wenn er seine Werke schafft, hat er stets eine Gasmaske auf. „Ich habe eine spirituelle Verbindung mit Pflanzen“, sagte er einmal dem Sneaker-Magazin Sole Collector. „Nur Gott kann sie machen. Ich nehme nur, was schon gemacht wurde, und positioniere sie nur unterschiedlich. Es geht nicht um mich und wie ich aussehe, es geht nur um die Blumen, erklärte er einmal in einem Interview. Die Maske trägt er aber nicht nur, weil er nicht erkannt werden will. Mr. Flower Fantastic, der Pflanzen so sehr liebt, leidet blöderweise auch unter einer Pollenallergie.
Manchmal verschenkt er seine Werke auch an bestimmten Orten, die seine Fans nach Hinweisen erraten müssen. Auch das hat für ihn eine ganz wichtige Bedeutung: „Ich gebe meine Skulpturen her, weil es meinen Geist nährt. Als früher Menschen Blumen pflückten und zu Sträußen banden, wurden sie nicht verkauft, sondern geteilt – und zwar nur, weil es Frieden zu den Empfängern gebracht hat.“
Wir lernen, wenn man auf Pflanzen hört oder sich mit ihnen verbunden fühlt, dann kommt Schönes dabei heraus. Und wer sie sammelt, hellt mitunter auch die eigene Stimmung auf. So war das zumindest bei Bridget Beth Collins, die sich auch Flora Forager nennt. „Ich habe das in einer schwierigen Phase meines Lebens begonnen“, sagte sie einmal der Plattform My Modern Met. „Nach Blumen zu suchen war Balsam für meine Seele. Ich liebte es, sie nach Hause zu bringen und zu entdecken, an welche Tiere oder Szenen sie mich erinnern.“
Mit Blättern, Blüten und Sonstigem, das sie draußen in der Natur so findet, modelliert sie Porträts oder gleich ganze Landschaften, die auf Instagram Hunderttausende Follower begeistern. „Es war, als würde ich ein Geheimnis aufdecken. Ich teilte das mit anderen, um zu erinnern, dass Schönheit und Magie auch an unbekannten Orten zu finden sind, wenn wir sie nur suchen.“ Ihre dreidimensionalen Illustrationen sehen auch aus, als wären sie von Gnomen oder Elfen zusammengebastelt worden. Und auch viele ihrer Motive wirken so, als wären sie aus einem Märchen entsprungen.
Auch kein Wunder – sie selbst posiert gern elfengleich mit Blumen im Haar und Glitzer im Gesicht. Außerdem wohnt sie mit ihrer Familie auch in Seattle in einem kleinen Haus mit Garten, das sie Erdloch nennt. „Es sieht so aus und fühlt sich auch so an wie eine Hobbit-Höhle.“
Zeichen der Natur
Zwar nicht elfengleich, aber wirklich zauberhaft, sind die Werke Raku Inoues aus Montreal. Er fügt Blüten und Pflanzenteil zu Tieren zusammen, die manchmal ziemlich nahe der Realität sind – vom Insekt, über das Faultier bis hin zum Tiger. Damit schafft er es auch mit einer beständigen Regelmäßigkeit in internationale Medien. Und wie bei den anderen war es die Natur, die ihm „ein Zeichen gab“. „Der Wind hat den Rosenbusch in meinem Garten zerzaust. Ich habe die herabgefallenen Blüten, Blätter und Stängel aufgesammelt und mein erstes Werk geschaffen.“
Manchmal, sagte er dem Metal Magazine, wolle er eine bestimmte Botschaft in seine Blüten legen. „Aber viel öfter schaffe ich nur etwas, weil ich es cool finde.“ Er könne seine Tiere mit viel Pflanzenmaterial auflegen. „Aber meine neueren Arbeiten sind digital manipuliert. Anstatt unzählige Blumen zu opfern, habe ich Fotos von fünf Pflanzen aus unterschiedlichen Richtungen gemacht und das zusammenmontiert“, sagte er einmal dem Metal Magazine.
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