Marc-André Leclerc wurde berühmt für seine Solo-Aufstiege auf einige der höchsten Berge in der westlichen Hemisphäre: „Der Alpinist“

Doku über Extremalpinist Marc-André Leclerc: Solo in Eis und Schnee

Kletterdoku über Marc-André Leclerc. Ein Gespräch mit seiner Partnerin Brette Harrington und Nick Rosen, Regisseur von „Der Alpinist“

Gigantisch erhebt sich ein Berggipfel in der Winterlandschaft. Senkrecht und unbezwingbar startet er in die Höhe. Kein Mensch, so würde man glauben, könnte diese abweisende Wand besteigen. Erst wenn man ganz genau hinsieht, bemerkt man einen roten Punkt, der sich wie ein Marienkäfer langsam die steile Felswand hinaufbewegt.

Es ist der Kanadier Marc-André Leclerc, der das schier Unmögliche möglich macht und den Berg bezwingt.

Der junge Extrembergsteiger galt als ein Meister seiner Kunst. Er beherrschte die höchste Form des Kletterns, genannt Free Solo: Alleine Aufsteigen, ohne Seil.

Am 5. März 2018 ist der 25-jährige Marc-André Leclerc in den Bergen von Alaska, gemeinsam mit seinem Bergsteigpartner Ryan Johnson, ums Leben gekommen. Die Leichen der beiden wurden nie gefunden.

Absturz

Das Unglück geschah mitten in den Dreharbeiten von „Der Alpinist“ (derzeit im Kino), einem packenden Porträt über Marc-André Leclerc, an dem die beiden Regisseure Nick Rosen und Peter Mortimer arbeiteten. Die Filmemacher hatten den jungen Einzelgänger von ihrem Projekt überzeugen können, was den Kanadier aber nicht davon abhielt, mittendrin wochenlang zu verschwinden und alleine einen Berg zu besteigen, ohne das Drehteam zu informieren.

„Klar hätte ich mir manchmal gewünscht, einen Film mit jemandem zu drehen, der ein bisschen kooperativer ist und nicht plötzlich verschwindet“, gibt Co-Regisseur Nick Rosen im KURIER-Gespräch zu: „Aber Marc war einfach messerscharf auf das Klettern fokussiert und erreichte in seiner Disziplin ein unglaublich hohes Niveau. Das war extrem beeindruckend und hat uns begeistert. Außerdem wollte er mit unserem Film seine Leidenschaft für das Bergsteigen und seine Inspiration mit anderen Menschen teilen.“

Vor der Kamera zeigt sich Marc-André Leclerc als ein bisschen schüchterner, lockiger junger Mann, der etwas verlegen, aber unglaublich liebenswürdig aus seinem Leben erzählt und davon, wie er begonnen hat, immer extremere Bergtouren zu unternehmen. Wenn er dann in atemberaubenden Bildern gefrorene Wasserfälle hinauf klettert oder im Schneesturm den Granitberg Torre Egger in Patagonien besteigt, wird einem schon beim Zuschauen schwindlig. Da muss sich der Laie fast zwangsläufig fragen: Warum tut er das? Warum riskiert jemand beim Extrembergsteigen sein Leben?

„Ich selbst bin auch Kletterer, aber ich würde nie so riskante Touren unternehmen“, meint Rosen, aber: „Wenn ich solche Fähigkeiten hätte wie Marc sie hatte und mich so entspannt und kompetent im hochalpinen Bereich bewegen könnte, vielleicht würde ich auch in Versuchung geraten? Ich kann den Reiz schon verstehen: Völlig auf sich alleine gestellt im Austausch mit der Natur zu stehen, muss eine unglaublich transzendentale Erfahrung sein.“

Marc-André Leclerc in "Der Alpinist"

©Polyiflm

Immer weiter klettern

Auch Brette Harrington, langjährige Freundin des Verunglückten, die in der Doku ebenfalls öfters zu Wort kommt, bestätigt das Glück dieser Erfahrung: „Ich komme gerade von einer Alpintour zurück“, so Harrington im Interview: „Die Natur, die so viel größer und mächtiger ist als ich, vermittelt mir das Gefühl, lebendig zu sein. Es gibt mir eine neue Perspektive darauf, was wirklich wichtig ist im Leben.“ Nach dem Tod von Marc-André Leclerc, mit dem sie ausgedehnte Klettertouren unternommen hatte, sei sie „immer weiter geklettert. Ich wollte nichts anderes tun als Klettern. Das ist bis heute so.“ Auch habe sie viel mehr über den Tod nachgedacht: „Ich habe das Gefühl, es könnte jederzeit alles zu Ende sein. Egal, was ich tue.“

Brette Harrington, Partnerin von Marc-André Leclerc, in "Der Alpinist"

©Polyfilm

„Der Alpinist“ wurde trotz des Unglücks fertiggestellt und geriet zum berührenden Dokument über einen Mann, der seinen Traum lebte: „Marc hatte einen Kletterstil, den ich wunderschön finde und den kaum jemand gesehen hat“, findet Brette Harrington: „Das soll sich ändern.“

Fakten

Extrembergsteiger
Marc-André Leclerc wurde 1992 in Nanaimo, in British Columbia, geboren. Nach einer ADD-Diagnose (Aufmerksamkeitsdefizitstörung) begann er obsessiv zu klettern. Die dafür  erforderliche Konzentration half ihm dabei, sich zu fokussieren

Kletter-Mekka
Im Alter von 16 wurde er Teil der Squamish-Community, die als Kletter-Mekka gilt.  2015   machte Leclerc in Patagonien seinen ersten Solo-Aufstieg auf den  Cerro Torre. Er war auch der Erste, der den Torre Egger solo im Winter bestieg. Im März 2018 verunglückte er tödlich in Alaska

Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

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