Der Roman, mit dem man nach Gugging kommt

„Jeder Mensch ist eine Insel“ von Wolfgang Pennwieser ließ sich vom "Art brut"-Star August Walla inspirieren.

So kann man das sehen:

Wenn jemand bei seinem Schrebergartenhaus den Container für den Grasschnitt mit Zeichen anmalt und manchmal auch einen Baumstamm, um seine Gefühle auszudrücken: Dann empören sich die Leute und rufen nach Recht und Ordnung.

Auch so kann man das sehen:

In der Kunstwelt ist der Sonderling, der mit Farbe und Pinsel durch die Klosterneuburger Au zieht, weltberühmt. Es gibt großformatige Bilder, die um Hunderttausende Euro versteigert werden. Gern würde man sein Nachbar sein und ihm Bäume bringen.

Walla und Wallner

Ein „Ding“ – zwei Bedeutungen; und ob so oder so, das verändert das Erleben deutlich: Polizei rufen – oder um ein Autogramm bitten.

Das fasziniert Wolfgang Pennwieser; und deshalb fasziniert ihn Art brut – die wahnsinnig „rohe“ Kunst.

„In der Einfachheit der Texte und Bilder liegt die Welt verborgen“, sagt Pennwieser. „Es ist wohl die Reduktion auf das Wesen der Dinge, was mich derart begeistert.“

Das gibt der Schriftsteller (und Psychiater, Psychotherapeut in Wien), der eine Zeitlang in der Landesnervenklinik Gugging gearbeitet hat, mit Freude weiter.

Großartige, großformatige Bücher zum Thema liegen längst vor, elementar ist „August walla.!“ aus dem Residenz Verlag, sechs Kilo schwer, 149 Euro teuer. Aber dank Pennwieser spürt man, was in Gugging Wunderbares geschah und immer noch geschieht. Man wird von ihm mitgenommen.

Danach ist man leicht mitgenommen.

Die Figur Wallner ist nicht Walla, der 2001 verstorbene Star der WG im „Haus der Künstler“ (Foto oben). Aber er kommt ihm nah, so anders kann Wallners Leben gar nicht erfunden sein.

Der „Echte“ war die Inspiration, aber erst nach dem fertigen Roman hat sich Pennwieser mit August Walla genau beschäftigt.

„Jeder Mensch ist eine Insel“ ist die Geschichte, wie ein 1.) Mensch und 2.) psychiatrischer Patient in der Therapie zum vermögenden Künstler wird, der nicht glauben kann, dass er sich nun mehrere Häuser kaufen könnte. Wallner will doch bloß Schwedenbomben!

Er malt nicht, sondern integriert mittels Pinsel alles in seine Welt.

Es ist auch nebenbei die Geschichte der Art brut in Österreich. Auf die Gemälde, Wandmalereien, Zeichen und Texte lässt sich der Autor allerdings kaum ein.

Man hätte auch Wallas Leben nacherzählen können.

Wie im Supermarkt, wenn er sich der Kasse näherte, sofort eine Angestellte herbei eilte, extra für ihn. Er war nämlich recht ... bedachtsam. Die Kassierin war eine halbe Stunde mit ihm beschäftigt.

Aber muss ja nicht sein, sich ans "echte" Leben zu halten.

Die Kunstfigur Wallner bringt uns an dieselbe Stelle.

Wolfgang Pennwieser:

„Jeder Mensch
ist eine Insel“
Czernin Verlag.
160 Seiten.
20 Euro

Wertung: ****

Peter Pisa

Über Peter Pisa

Ab 1978 im KURIER, ab 1980 angestellt, seit November 2022 Urlaub bzw. danach Pension. Nach 25 Jahren KURIER-Gerichtsberichterstattung (Udo Proksch, Unterweger, Briefbomben) im Jahr 2006 ins Kultur-Ressort übersiedelt, um sich mit Schönerem zu beschäftigen. Zunächst nicht darauf gefasst gewesen, dass jedes Jahr an die 30.000 Romane erscheinen; und dass manche Autoren meinen, ihr Buch müsse unbedingt mehr als 1000 Seiten haben. Trotzdem der wunderbarste Beruf der Welt. Man wurde zwar immer kurzsichtiger, aber man gewann an Weitsicht. Waren die Augen geschwollen, dann Musik in wilder Mischung: Al Bowlly, Gustav Mahler, Schostakowitsch und immer Johnny Cash und Leonard Cohen.

Kommentare