Begnadete Körper: Der Wiener Starfotograf Andreas H. Bitesnich

Vom Autodidakten zum Aktspezialist: Andreas Bitesnich verwandelt Menschen in Skulpturen. Eine Berliner Galerie zeigt jetzt seine Kunst.

Herr Bitesnich, man kennt Sie vor allem als Akt- und Porträtfotografen. Sie können aber auch anders. In Ihrem Wien-Buch „Deeper Shades #04 Vienna“ ist etwa  eine Aufnahme des einstigen Wiener Originals Waluliso zu sehen. Wie kam es dazu?

Andreas H. Bitesnich: Ganz einfach, mich faszinieren Menschen und mich faszinieren Landschaften sowie Städte. Mit Models in einem Studio zu arbeiten, ist das eine. Eigentlich ideal, wenn man eine bestimmte Vision von einem Bild hat, die man nun endlich umsetzen kann. Manchmal aber entdeckt man auf einer Straße per Zufall ein Motiv, an dem man nicht vorbeigehen kann.

Bevor Sie Ihre Leidenschaft für die Fotografie entdeckten, waren Sie in der Berliner Punkszene umtriebig. Auch jetzt haben Sie ein unübersehbares Faible für die Musik. Sie haben etwa für den Komponisten Philip Glass, die Musikerin Rebekka Bakken sowie für Till Brönner Cover fotografiert und mit Paris Jackson, der Tochter von Michael Jackson, gearbeitet. Wie geht sich das alles aus?

Eine Zeit lang ging beides parallel, die Musik und die Fotografie. Aber dann verlangten der Job und die Familie, dass ich mich besser auf eine Sache konzentriere. 

Welcher Job war das?

Ich habe Einzelhandelskaufmann gelernt und war dann in einer Filiale des Elektrohauses Köck in der Taborstraße tätig.

1964 in Wien geboren: Andreas H. Bitesnich. Professionell fotografiert er seit 1988.

©Andreas H. Bitesnich
Ein weiter Weg von der Leopoldstadt bis in die Fotogalerien und Museen von Los Angeles, Tokio, Hamburg und Prag ...

Ja, es hat aber auch lange gedauert, bis ich mir als Fotograf einen Namen machen konnte. Selbst jetzt dauert es mitunter eine Extrazeit, bis ich ein Projekt umsetzen kann. So arbeite ich seit Längerem an einem Buch über   Philip Glass und den Dirigenten Dennis Russell Davies. Dabei entstand auch ein Video mit der japanischen Pianistin Maki Namekawa.  

 Mit Ihren Modellen Roy, Sina & Anthony und mit Irina schufen Sie einige ikonographische Höhepunkte der Neunziger- und Nullerjahre. Wie sehr hat sich die Aktfotografie seither verändert, oder anders gefragt: Haben die Bloggerszene und Instragram einen Einfluss auf die (Akt-)Fotografie?

Bestimmt haben die technischen und sozialen Umstände einen entscheidenden Einfluss auf die Fotografie. Das war auch immer schon so. Ich denke, dass das auch sehr wichtig ist. Dadurch können sich immer wieder neue Trends und Richtungen ergeben. Die „Enttechnisierung“ der Fotografie hat auch dazu geführt, dass endlich viel mehr Frauen fotografieren.  Was wiederum zu neuen visuellen und inhaltlichen Perspektiven in der Fotografie führt. Ich begrüße diese Entwicklung sehr. Es ist also ein sich immer weiter entwickelnder Kosmos, der uns noch viele Überraschungen bescheren wird.

Sie fotografieren Menschen wie Skulpturen und Städte wie Szenen eines Spielfilms: Können wir bei Ihrem aktuellen Buch „Momentum“ einen Abstecher in die Sportfotografie erwarten?

Nein, mit Sport hat das nichts zu tun. Das Konzept meines neuen Bildbandes ist, die Welten der Aktfotografie und der Landschaftsfotografie zusammenzuführen und dadurch neue artifizielle Situationen und Räume zu schaffen, die nur in der Reflexion durch den Betrachter stattfinden.  

 Fotografieren Sie auch mit einem Smartphone? Wie wichtig ist überhaupt die Technik für Sie?

Da ja bekanntlich die beste Kamera die ist, die man gerade dabei hat, übernahm das Smartphone bei mir eine Art Tagebuch-Funktion. Ich nutze es für „Skizzen“ und „Notizen“.

Ulrica, Mykonos, 1993

©Andreas H. Bitesnich

Andreas H. Bitesnich

Ilara, Austria, 2013

©Andreas H. Bitesnich/Andreas H.Bitesnich
Gibt es einen Unterschied, wenn Sie mit Leuten  wie Reinhold Messner oder mit Aktmodellen arbeiten?

Das Entscheidende ist doch immer die Emotion im Bild. Mit Menschen zu arbeiten und dabei die Energie und den Spirit des Moments in die gemeinsame Arbeit einfließen zu lassen, bedeutet mir sehr viel und ist geradezu essenziell für meine Arbeiten.

 

Roy, Vienna, 1995

©Andreas H. Bitesnich

Andreas H. Bitesnich, Momentum (Auflage 500 Stück)

Die Ausstellung findet in der Galerie CAMERA WORK statt; 1. September bis 18. Oktober; Berlin, Kantstraße 149,

©Andreas H. Bitesnich/2018 Room5Books

Sina & Anthony, Vienna, 1995

©Andreas H. Bitesnich
Bernhard Praschl

Über Bernhard Praschl

Bernhard Praschl, geboren 1961 in Linz. Als Stahlstadtkind aufgewachsen zwischen Stadtwerkstatt und Brucknerhaus. 1978 erster Manager der Linzer Punk-Legende Willi Warma. 1979 Studium der Politikwissenschaft und Publizistik an der Uni Wien. Zivildienst im WUK; 1986 Institut für Höhere Studien, Wien. 1989-1992 in der Die Presse, seit 1992 Redakteur im KURIER, 1994 Statist in Richard Linklaters "Before Sunrise", seit 1995 in der FREIZEIT. 2013 "Das kleine ABC des Geldes. Ein Lesebuch für Arm und Reich" (Czernin Verlag). Nach frühen Interrailreisen durch Europa (Portugal bis Irland) und Autofahrten entlang der California State Route und dem Overseas Highway nach Key West jetzt wieder Bahnfahrer - und E-Biker.

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