1,5 Milliarden US-Dollar: Auktion von Paul Allens Sammlung bricht Rekorde

Das Top-Segment des Kunstmarkts schien angesichts der Werke aus Besitz des Microsoft-Gründers keine Obergrenze zu kennen

Man dachte, der Gipfel für Auktionsrekorde sei irgendwann erreicht - doch unter den Milliardären dieser Welt (laut Forbes 2.668 an der Zahl, ein leichter Rücklauf gegenüber 2021) gibt es immer noch solche, die bereit sind, extrem hohe Summen für Kunst auszugeben. Den Beweis lieferte in der Nacht zum Donnerstag die Auktion der Sammlung des 2018 verstorbenen Microsoft-Mitbegründers Paul Allen bei Christie's in New York. Mit einem Gesamtumsatz von eineinhalb Milliarden US-Dollar (laut Auktionshaus 1,506,386,000 US-Dollar - laut Tageskurs am 10.11.  umgerechnet 1,514,698,584 Euro) wurde an einem Abend ein höherer Erlös erzielt als bei jeder bisherigen Versteigerung einer Privatsammlung - abzüglich der vom Auktionshaus kassierten Prämien belief sich der Umsatz auf 1,296 Milliarden. Fünf Gemälde - darunter Gustav Klimts "Buchenwald" aus dem Jahr 1903 - erzielten Preise jenseits der 100 Millionen - eine Häufung, die es so noch bei keiner Auktion gab. Für 20 Künstler wurde dabei ein neuer Auktionsrekord aufgestellt.

Die "100-Million-Dollar-Babys"

Den höchsten Zuschlag erhielt bei der Auktion Georges Seurats "Les Poseuses, Ensemble (Petite version)" . Mit 149 Mio. Dollar wurde ein neuer Höchstwert für den Künstler. Paul Gauguins Ölgemälde "Maternité II" (1899) wurde für 106 Millionen Dollar verkauft. Über die 100-Millionen-Dollar-Marke kamen auch Paul Cézannes "La Montagne Sainte-Victoire" (1888-90, 138 Mio. Dollar inkl. Gebühren) und Vincent Van Goghs "Verger avec cyprès" (117 Mio. Dollar).

Der Erlös der gesamten Auktion - zur Abendauktion kommt am Donnerstag noch der Verkauf weiterer Werke untertags hinzu - soll einer Stiftung zufließen, die gemeinnützige Anliegen unterstützt, die Allen zu Lebzeiten definiert hatte. Welche das genau sind, ist derzeit nicht bekannt.

Allen, der auch zwei Sportmannschaften besaß und als Sammler von Rock-Memorabilia auffiel, suchte in der Kunst stets das Beste von großen Namen. Das Angebot für solche Werke wurde in der Vergangenheit immer schmäler. Der Milliardär hatte sich über den Umfang seiner Schätze lange sehr bedeckt gehalten, einige aber doch immer wieder verliehen. So erfuhr die Fachwelt erst 2017 durch eine Wanderausstellung, dass sich Klimts "Birkenwald" (in der Literatur oft auch als "Buchenwald" gelistet) in Allens Besitz befand. Das Bild, das 2006 aus dem Wiener Belvedere an die Erben nach Ferdinand Bloch-Bauer restituiert worden war, hatte 2006 einen Rekord für eine Klimt-Landschaft aufgestellt: 40,336 Mio bezahlte Allen damals, was heute rund 60 Millionen US-$ entspräche. Die nun erreichten 104,5 Millionen sind also ein satter Gewinn.

Auch sonst erwies sich Allens Kunstsammlung als gutes Investment: Das Seurat-Gemälde "Les Poseuses" hatte der Software-Unternehmer laut Art Newspaper 1999 von einem New Yorker Kunsthändler privat erworben. Zur Auktion war es zuletzt im Jahr 1970 gelangt, wo es um 1,1 Millionen US-$ den Besitzer wechselte, was heute rund 8,41 Millionen US-$ entspräche.

Zahlungsbereitschaft

Die von der Kunstmesse Art Basel und der Bank UBS beauftragte Ökonomin Clare McAndrew gab vor kurzem einen Zwischenbericht über das Sammlerverhalten nach der Pandemie heraus, basierend auf der Befragung von 2700 "High Net Worth Individuals (HNW)" - definiert als Personen, die jährlich bereit sind, mehr als 10 Millionen US-Dollar für Kunst auszugeben. Sie fand, dass sich die Bereitschaft zum Kunstkauf relativ unbeeindruckt vom globalen Krisen zeige: Zwar sei die Zahl der Milliardäre angesichts des Ukrainekrieges leicht zurückgegangen, das von Milliardären gehaltene Vermögen habe sich aber in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Die Top-Ten-Milliardäre hätten ihren Reichtum zwischen März 2021 und 2022 gar um 13 Prozent gesteigert. Kunst gelte vielen als "sicherer Hafen in turbulenten Zeiten", so McAndrew zum Branchendienst Artnet.

Dennoch ist die Luft in jenen Preiskategorien, in denen sich die Allen-Sammlung bewegt, sehr dünn. Um viele Werke - darunter Klimts "Birkenwald", Lucian Freuds "Large Interior" (Titelbild) und Paul Cézannes" "Montagne St. Victoire" - wurde nicht lange gefochten, laut Wall Street Journal war nur ein einziger Bieter involviert. Christie's hatte für alle Lose im Vorfeld Garantien eingeholt - das heißt, sie wurden auch zu einem vorab fixierten Preis verkauft, selbst wenn sich im Saal niemand meldete. Deswegen konnte die Auktion auch "mit weißen Handschuhen", also ohne durchgefallene Lose, abgeschlossen werden. Laut Christie's stammten die Bieter zu 50% aus dem amerikanischen Raum, zu 12 Prozent aus dem asiatisch-pazifischen Raum und zu 38 Prozent aus Europa oder dem Nahen Osten. 

 

Michael Huber

Über Michael Huber

Michael Huber, 1976 in Klagenfurt geboren, ist seit 2009 Redakteur im Ressort Kultur & Medien mit den Themenschwerpunkten Bildende Kunst und Kulturpolitik. Er studierte Publizistik und Kunstgeschichte und kam 1998 als Volontär erstmals in die KURIER-Redaktion. 2001 stieg er in der Sonntags-Redaktion ein, wo er für die Beilage "kult" über Popmusik schrieb und das erste Kurier-Blog führte. Von 2006-2007 war Michael Huber Fulbright Student und Bollinger Fellow an der Columbia University Journalism School in New York City, wo er ein Programm mit Schwerpunkt Kulturjournalismus mit dem Titel „Master of Arts“ abschloss. Als freier Journalist veröffentlichte er Artikel u.a. bei ORF ON Kultur, in der Süddeutschen Zeitung, der Kunstzeitung und in den Magazinen FORMAT, the gap, TBA und BIORAMA.

Kommentare