Keramik Trend: Die Neue Lust am alten Handwerk
Ob klassisches Gmundner Geschirr, hippe Teller aus Portugal oder lässige, feministische Kunst aus Wien: Handgefertigtes aus Keramik liegt derzeit voll im Trend.
Von Nicole Zametter und Vanessa Haidvogl
Kaum jemand in Österreich hat nicht wenigstens als Kind aus einem Gmundner Häferl seinen Kakao getrunken. Oder die Sonntags-Suppe aus dem Grüngeflammten gegessen. Nicht nur aufgrund der zahlreichen Kindheitserinnerungen, die damit verbunden sind, vermittelt das ikonische Geschirr ein heimeliges Gefühl. Handgefertigt seit 1492. Drei Worte, die gerade in Zeiten der Übersättigung Wert vermitteln: „Ein einzigartiges Stück, nur für dich gemacht.“ Dabei kennt man das Gmundner Geschirr auf der ganzen Welt. Wie der Traditionsbetrieb den Bogen zwischen Masse und Klasse spannt, hat sich der KURIER vor Ort angesehen.
Besuch in Gmunden: Die Manufaktur der Gmundner Keramik am Traunsee befindet sich am Ortseingang, eine enorme, geflammte Kaffeetasse vor dem Eingang lässt keinen Zweifel zu. Die Führung durch die Produktionsstätte beginnt mit der Masseaufbereitung: Eine Mischung aus den natürlichen Grundstoffen Feldspat, Quarz und Kaolin wird nach Geheimrezeptur in riesigen Fässern gerührt. Später wird die fertige Masse in Gipsformen gegossen, gedreht oder gepresst, je nach Art des gewünschten Gefäßes. Nach dem ersten Brennvorgang, im beeindruckend großen Brennofen, sind die Gefäße noch sehr filigran. Jedes Einzelne wird jetzt wieder in die Hand genommen, verfeinert und verbessert – oder es kommt zurück in seine ursprüngliche Form. Denn, wieder mit Wasser in Verbindung gebracht, wird die einmal gebrannte Keramik wieder flüssig. Abfälle gibt es hier daher nicht. So nachhaltig läuft die gesamte Produktion, wie uns Eva Böhnisch, Marketingleiterin des Unternehmens, erklärt: „Zerbrochene Rohware wird zu hundert Prozent wiederverwendet und recycelt. So erhalten alle Tonabschnitte eine neue Chance und werden dem Herstellungsprozess rückgeführt.“
Wenn in der Retusche die Form der Keramik aber vollendet wurde, wird glasiert. Die weiße Glasur besteht aus den Hauptbestandteilen Silicium und Magnesium. Je nach Form werden die Stücke getunkt, besprüht oder per Hand getaucht. Danach geht es in die Malerei. Auf der Rückseite jeder Keramik erzählt ein Stempel, welche Malerin hier am Werk war. Während etwa die Streublumen gemalt und die Hirsche gestempelt werden, wird der Großteil der Gmundner Keramik geflammt. Flammen ist eine weltweit einzigartige Spritztechnik, die seit über 300 Jahren in Gmunden ausgeübt wird. Wurde dies damals noch mit einem Horn gemacht, so fließt die Farbe heute konstant aus einem Schlauch, den die Profis in Gmunden in geschickten Bewegungen über Teller und Tassen führen.
Sehr beeindruckend dabei zuzusehen und für Laien eine echte Herausforderung, wie sich zeigt. Dann schon lieber mit dem Pinsel malen, da kann nicht so viel schief gehen. Fast vierzig Malerinnen und Maler sind in Gmunden am Werk. Circa 60 Arbeitsschritte durchläuft jedes Keramikteil in Gmunden. Die vielen Hände, die hier mit Liebe zum Handwerk agieren, besitzen die nötige Routine, um täglich an die 5.000 Stück Keramik herzustellen. Jedes davon ein Unikat.
Von Hand gemacht
„Wenn man merkt, da hat sich wer Zeit genommen und ist gesessen, um dieses besondere Stück zu machen. Etwas, das nicht jeder hat. Darin liegt wohl der Zauber“, erklärt etwa Künstlerin Onka Allmeyer-Beck das spürbar größer werdende Interesse an handgefertigter Keramik. Die Wiener Künstlerin, die unter dem Namen „onxydizzyfingers“ auf Instagram seit Jahren international erfolgreich ist, kreiert ausgefallene Stücke, die sie liebevoll „messed vessels“ nennt.
Die skulpturalen Stücke sind Plastiken und Gebrauchsgegenstände zugleich und treffen damit den Puls der Zeit. „Ich freue mich, dass die Keramik immer salonfähiger wird und auch als Kunstform anerkannt wird. Endlich bewegt sich die Keramik weg aus der Küche. Es dreht sich nicht mehr alles nur um Häferln oder Kochlöffelhalter“, zeigt sich die Künstlerin zufrieden. Jahrzehntelang hatte das Material – Keramik ist der Überbegriff für Porzellan, Steingut, Steinzeug und Irdenware wie Terrakotta, die sich durch Zusammensetzung, Brenntemperaturen und Dichte unterscheiden – ein Nischendasein in Kunst und Design geführt. Es war auf Tischgeschirr und ein paar dekorative Wohnaccessoires beschränkt.
Heute ist der Markt riesig, wie auch die Erfolgsgeschichte des deutschen Keramik-Labels Motel a Miio beweist. Das von zwei Freundinnen im Portugal-Urlaub entdeckte Keramik-Geschirr wird mit großem Erfolg in die ganze Welt verkauft. Auch hier: Jedes Stück von Hand gemacht. Das Besondere, das Unperfekte, wird jetzt gefeiert und Keramik-Kunst findet sich nicht nur in Sammlerhaushalten. „Über Instagram wurden meine Arbeiten sehr schnell international bekannt. Die Kunden sind dabei so unterschiedlich wie meine Skulpturen selbst“, verrät Onka Allmeyer-Beck.
Hollywood liebt Töpfern
Die sich drehende Töpferscheibe, darauf ein Klumpen Lehm, der sich unter geschickten Händen langsam zu einem Kunstwerk formt. Wer dazu automatisch Unchained Melody von den Righteous Brothers im Ohr hat, denkt an die berühmte Szene aus dem Film „Ghost – Nachricht von Sam“. Der Neunzigerjahre-Hit prägte das romantische Bild der Töpferei. Das Jahrtausende alte Handwerk zur Herstellung von Keramik Gefäßen erlebt aber aktuell eine Renaissance.
Jedenfalls erhält man den Eindruck, wenn man sich in den sozialen Medien umsieht: Kaum ein Hollywood-Star, der sich derzeit nicht selbst an die Töpferscheibe setzt. Oder wenigstens besondere Stücke zelebriert. Während etwa US-Sängerin Lizzo die Keramik-Vasen von Austro-Künstlerin Andrea Kollar feiert, deckt Khloe Kardashian den Familientisch mit Gmundner Keramik. Allmeyer-Beck weiß: „Mit Keramik arbeiten ist ja auch schön. Es wirft dich in deine Kindheit zurück, du machst was mit den Händen und hast dann auch ein Resultat, worauf du stolz sein kannst. Das ist in Zeiten wie diesen besonders schön.“
Zum Ausprobieren der Töpferei gibt es zahlreiche Möglichkeiten in ganz Österreich. Wer vor der Töpferscheibe zurückschreckt, kann auch „nur“ malen. In Gmunden zum Beispiel, da kann man von den Profis lernen und dann sein eigenes Muster kreieren.
Vom Schüler bis zum Senior: jeder kann Töpfern
Selbst etwas mit den Händen schaffen: Ein Wunsch, der sich bei einem Töpferkurs sehr gut verwirklichen lässt. Wir haben uns den Meisterbetrieb „Fresh Ceramics“ und sein Kursangebot in Wien-Hietzing angeschaut.
Die Töpferscheiben surren vor sich hin. Es ist Samstag Vormittag im Keramikstudio „Fresh Ceramics“ in Wien-Hietzing. Acht ambitionierte Kursteilnehmer haben eine Arbeitsschürze umgebunden und versuchen gerade ihr Bestes, mit ihren eigenen Händen aus einer Kugel Ton ein erstes Kunstwerk oder Gefäß zu schaffen. Die diplomierte Keramikerin Kristina steht mit Rat und Tat zur Seite, damit am Ende des Kurses ein hübsches Stück für zu Hause herauskommt. Am ersten Tag des zweitägigen Einführungskurses lernen die Teilnehmer, zwei Stunden lang zu zentrieren, Wände hochzuziehen und mit den Händen dem Ton eine Form zu geben. Danach kommen die Stücke für mindestens 24 Stunden in den Schrühbrand. Eine Woche später werden die Teilnehmer ihre gebrannten Werke glasieren. Der Einführungskurs kostet 85 Euro. Ein Zimmer weiter unterstützt Keramikmeisterin Lena junge Frauen beim Glasieren von fertigen Rohlingen. Diese Glasuren bieten eine spannende Palette von Farben und besonderen Effekten.
Das Team von „Fresh Ceramics“, bestehend aus fünf jungen Frauen, bietet regelmäßig Kurse und Workshops für Kinder (für das Sommercamp ab 22. 8. gibt es noch freie Plätze!) sowie Erwachsene, in jedem Level von Anfängern bis zu Fortgeschrittenen. „Bei uns lernt man das Modellieren per Hand, das Drehen an der Töpferscheibe sowie die Platten-, Wulst- und Daumentechnik. Somit steht der kreativen Entfaltung und Gestaltung eigener Keramikwerke nichts mehr im Weg“, erzählt Lena. Die Absolventin der Keramik-Schule Stoob arbeitet mittlerweile seit zehn Jahren mit Ton und hat deshalb immer ein paar gute Tipps und Tricks parat. Freitags findet ein neuer Kurs statt. Gemeinsam wird bei dem einen oder anderen Glas Wein ein Weinkühler modelliert. Winzer als Kooperationspartner sind gerne willkommen. freshceramics.at
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