Josef Hoffmann: Der Wohndiktator

Wie wohnt man in einem Interieur, das andere aus dem Museum kennen? Zu Besuch in einer Hoffmann-Wohnung.

Mit Hoffmann leben heißt, immer auf dem Sprisserl zu sitzen.

Die Wohnung der Salzers ist mit Möbeln des Architekten und Designers Josef Hoffmann (1870–1956) ausgestattet. Schönheit durch Gestaltung in das Leben seiner Kunden zu bringen, bedeutete für ihn, so heißt es im Katalog zur Hoffmann-Schau, die ab 15. 12. im MAK zu sehen ist, ästhetischen und sozialen Fortschritt.

Das mag so gewesen sein, bequem war’s nicht unbedingt. Sessellehnen etwa sind exakt im rechten Winkel zur Sitzfläche gebaut. Die Haltung ist zwangsläufig gerade. Gemütlich ist anders. Man sitzt, wie gesagt, eher auf der Kante, oder, wie Wanda Salzer sagt, „am Sprisserl“, wenn man bei Tisch Platz nimmt.

Zu Josef Hoffmanns Kunden gehörten viele Prominente. Darunter auch die Familie Wittgenstein, mit der die Salzers verwandt sind. Das Salzersche Esszimmer entstand 1916 für Paul Wittgenstein. Einer von mehreren Paul Wittgensteins, allesamt verwandt mit dem Philosophen Ludwig. Und mit den Salzers. Die genaue Familiengeschichte ist kompliziert und verzweigt.

„Hoffmann hat mir meine Jugend ruiniert!“ soll sich  Fritzl Wittgenstein über die unbequemen Hoffmann-Möbel echauffiert haben. Schön sind sie trotzdem 

©Martin Stachl

Im weitläufigen Familienbund befinden sich etliche Hoffmann-Ensembles, darunter auch das Landhaus „Bergerhöhe“, ebenfalls für Paul Wittgenstein gebaut. Für Designbegeisterte ein Schmuckkästchen, für die Salzers ... ein Wohnhaus.

Das klingt mondäner, als es ist. Leben mit Möbeln, die andere aus dem Museum kennen, ist zweifellos schön. Doch man sollte sich das nicht zu luxuriös vorstellen.

Leben mit Hoffmann bedeutet Verantwortung. Und Kosten. Ein kaputtes Sesselbein gehört in Sonderbehandlung. Einige wenige spezialisierte Tischler gibt es noch in Wien. Sie sind nicht günstig. Aber unsachgemäße Reparaturen kann man sich als Hoffmann-Möbel-Besitzer eben auch nicht leisten.

Mit Hoffmann-Interieurs leben, bedeutet außerdem, dass man seine Möbel selbstverständlich immer wieder für Ausstellungen verborgt. Der Tisch, an dem die Tochter des Hauses ihre Schulaufgaben machte, war in internationalen Ausstellungen zu sehen. Für die Kinder der Salzers war er trotzdem ganz normaler Alltag. Frühstück, Mittagessen, Matheaufgabe. Die Eltern waren gelassen: Wenn man im Hoffmann-Esszimmer als Kind eine Lampe umwarf, wurde auch nicht mehr geschimpft, als wenn’s eine Ikea-Lampe gewesen wäre.

Wanda Salzer, Hoffmann-Bewohnerin und Markus Kristan, Hoffmann-Experte  

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Interieur mit Tücken

Fritz Wittgenstein, ein Cousin Ludwig Wittgensteins, für die Salzers der Fritzl Wittgenstein, hatte ein von Hoffmann eingerichtetes Kinderzimmer. In der Familie erinnert man sich an seinen Ausspruch: „Josef Hoffmann hat mir meine Jugend ruiniert!“ Bei den Salzer’s war’s nicht ganz so schlimm, aber auch hier hatte das Aufwachsen mit historischem Interieur seine Tücken. Das Wohnzimmer nebenan bot übrigens wenig mehr Komfort. Das Biedermeiersofa war zwar nicht von Hoffmann, aber ebenfalls sehr unbequem. Man kugelte beim Fernsehen lieber auf dem Boden herum. Immerhin im Wissen, dass die Möbel, die man zur Verfügung gehabt hätte, etwas Besonderes waren.

Dieses Hoffmann-Ensemble stand einst in der Wohnung von Paul Wittgenstein

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Apropos Biedermeier: Josef Hoffmann war zwar arg streng in seinen Designvorgaben, selbst hielt er sich in seinem 60 Jahre dauernden Kreativleben auch nicht immer daran. Er war den Biedermeiermöbeln seiner Eltern gegenüber durchaus wohlwollend gesinnt, erzählt Architekturhistoriker und Hoffmann-Fachmann Markus Kristan, der mit der die Salzers besucht hat. „Man muss immer unterscheiden zwischen dem, was die Architekten sagen, und dem, was sie tun.“

Schönheit ging im Hoffmann’schen Credo immer vor Zweckmäßigkeit. Und er glaubte fest an die heilende soziale und wirtschaftliche Kraft der Schönheit. Doch im Gegensatz zu seinem Erzfeind Adolf Loos, der in seinen vielen Publikationen Vorschriften für wirklich jeden Lebensbereich bis hin zum idealen Frühstück (Haferbrei!) machte, hielt sich Hoffmann weitgehend an das Thema Wohnen.

Mit Hoffmann-Möbeln leben, bedeutet auch Verantwortung: Reparaturen etwa verlangen nach Sonderbetreuung – rar und teuer  

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Auch das ist ein Fass ohne Boden. Denn Hoffmann designte alles – bis hin zum Kohlekübel. Hoffmanns Designs waren revolutionär. Wanda Salzer bewundert die Vorfahren noch heute für ihren Mut, sich zu dieser Modernität zu bekennen. Denn schließlich richtete sich ein Großteil des Bürgertums kurz zuvor noch im Stil des Historismus ein. „Großmama Salzer“, eine geborene Wittgenstein, die einst in dieser Wohnung lebte, war konsequent in der Fortschrittlichkeit. Allerdings, erzählt man sich, hat sie vieles umgestellt und sich dem Wohndiktat Hoffmanns nicht immer gebeugt. Denn ja, „Hoffmann war ein Wohndiktator“, sagt Markus Kristan. Was Adolf Loos in einem spöttischen Text über Hoffmann auch beschrieb. Wer von Hoffmann eingerichtet wurde, dürfe keine Möbel verschieben, heißt es darin sinngemäß. Auch das ein Ausdruck jener Rivalität, die die beiden 1870 nur wenige Kilometer voneinander entfernt in Mähren auf die Welt gekommenen Architekten ein Leben lang verband.

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Gesamtkunstwerk

Hoffmann schwebte immer ein Gesamtkunstwerk vor. Vom Monogramm der Servietten angefangen. Und er verstand es, seine Künstlerfreunde gut zu integrieren – etwa im Brüssler Palais Stoclet, das Hoffmann 1905 plante und für das Gustav Klimt und Ludwig Heinrich Jungnickel berühmte Friese entwarfen.

Ob nüchterne Sachlichkeit oder Verständnis fürs Biedermeier: Josef Hoffmann ging in seiner langen Karriere durch viele Phasen. Am berühmtesten ist heute wohl die, die Markus Kristan launig als jene des „Quadratl-Hoffmanns“ bezeichnet. Hoffmann zeichnete stets auf kariertem Papier und seine berühmtesten Designs sind die strengen schwarz-weißen Quadrate.

Aber wer weiß, was vom Vielarbeiter Hoffmann in Zukunft noch alles auftauchen wird. Denn, sagt Historiker Kristan: „Das Werkverzeichnis eines Künstlers endet nicht mit seinem Tod, sondern mit dem Tod des Bearbeiters.“

Barbara Beer

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