Timber Pioneer ist  Frankfurts erstes Bürohaus in Holz- Hybrid-Bauweise. Die Expertise kommt auch vom östereichischen Holzbauspezialisten Wiehag

Auf Holz geklopft: Wie in Wien ein nachhaltiges Stadtquartier entsteht

Die Zukunft ist nachhaltig – Immobilienentwickler setzen immer öfter auf umwelt- und energiebewusste Projekte. Die Holz-Hybrid-Bauweise ist im Kommen.

Der zweite Bezirk in Wien bekommt beim Augarten ein neues Grätzel: das Leopoldquartier, das vom Immobilienentwickler UBM Development und dem Architekturbüro Gangoly und Kristiner aus Graz auf rund 22.900 Quadratmetern umgesetzt wird. Der Entwurf sieht den Abriss der vorhandenen Bürohäuser und einer Hochgarage vor. Sie weichen vier neuen Gebäuden, die neben Büro- und Geschäftseinheiten Platz für Wohnungen bieten. Die Bauten richten sich so aus, dass ein lang gezogener Innenbereich entsteht. In Zukunft soll dieser teils entsiegelt und bepflanzt sowie autofrei sein. Für Personen, die es eilig haben, werden Ladestationen für E-Roller oder E-Bike bereitgestellt. „Wir schaffen durch das Leopoldquartier ein lebendiges, grünes Stadtquartier, das den Bewohnern und Anrainern die Annehmlichkeiten der Zentrumsnähe zum einen und zum anderen die Lebensqualität zwischen Donaukanal und Augarten bietet“, so Gerald Beck, Geschäftsführer von UBM Development Österreich, bei der Projektvorstellung 2019. Der im Herbst gestartete Abbruch schreitet voran. Die Baustelle folgt dabei dem Cradle-to-Cradle-Prinzip, bei dem (grob gesagt) die Rohstoffe des Altbestandes nicht im Müll landen, sondern weiterverwendet werden. Die Fertigstellung des Quartiers ist für 2024 geplant. Was das Projekt ganz besonders von anderen abhebt, ist: Es wird zur Gänze als Holz-Hybrid-Bau errichtet.

Direkt hinter dem Augarten soll das neue Leopoldsquartier entstehen. Im Bild ist noch der Altbestand zu sehen

©UBM Development

Evolution. Von der Blockhütte zum Fachwerkshaus – seit Langem setzt der Mensch beim Bauen seiner Behausungen auf Holz. Dass es nun bei der Errichtung von Hochhäusern zum Einsatz kommt, ist aber relativ neu. So entsteht etwa mit dem „Timber Pioneer“ (zu sehen ganz oben im Bild) Frankfurts erstes Bürogebäude in Holz-Hybrid-Bauweise. In Wien ist u.a. das 2020 fertiggestellte Ilse Wallentin Haus an der BOKU Wien beispielgebend.

Herbert Hetzel, GF von Beyond Carbon Energy
 

©bce beyond carbon energy

Die Holz-Hybrid-Bauweise bringt dabei ein zusätzliches Material – meist Beton – ins Spiel. In welcher Art und in welchem Verhältnis die beiden Baustoffe zueinander stehen, ist nicht vorgeschrieben. Oft bestehen die Außenwände aus Holz, während Fundament, Stiegenhaus, Aufzugsschacht und Innenwände (zumindest teilweise) aus Beton gegossen sind. Bisher hat sie sich diese Bauweise in Europa vor allem bei Einzelprojekten hervorgetan. Nun scheint die Zeit reif, dass ganze Gebäudekomplexe – wie eben auch am Wiener Augarten – entstehen. Der Vorteil von Holz ist, dass es im Vergleich zu anderen Rohstoffen eine günstigere Klimabilanz aufweist.

Das Ilse Wallentin Haus an der BOKU Wien wurde 2020 fertiggestellt: Die skelettartige Holz-Konstruktion umgibt einen Betonkern 
 

©wien_proholz/klomfar

So ist der Energiebedarf für die Herstellung im Vergleich zu Ziegel oder Stahl wesentlich geringer, es wächst ohne fossilen Energieverbrauch nach und speichert bei seiner Entstehung große Mengen CO2. So bindet ein Kubikmeter Holz eine Tonne CO2 aus der Atmosphäre. Zudem ist es ist vollständig recycelbar.

In Beton findet Holz klimamäßig nicht unbedingt einen Traumpartner, aber einen akzeptablen. In der Herstellung ist Beton weniger umweltfreundlich, dafür ist er sehr preiswert und statisch hoch belastbar. Führt man beide Werkstoffe in einer Bauweise zusammen, entstehen insgesamt klimabewusste Gebäude in einer kürzeren Bauzeit. Die Gestaltung ist flexibler und die Immobilien haben einen höheren wirtschaftlichen Nutzen.

Das autofreie Leopoldquartier wird einen Mix aus Wohnen, Geschäften und vielen Grünflächen bieten

©Ubm

Betriebsbereit. Im Fall des Leopoldquartiers setzt sich der Nachhaltigkeitsgedanke auch nach den Ab- und Aufbauarbeiten fort. So soll einmal der laufende Energiebedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Das Wiener Unternehmen Beyond Carbon Energy steht hier als Partner zur Seite.

Laut der Europäischen Kommission sind in der EU Immobilien durch Abriss, Renovierung, Bau und Nutzung für 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. „Die Wärme- und Kälteversorgung durch Beyond Carbon Energy ermöglicht durch die intelligente Nutzung von Geothermie als saisonaler Speicher eine CO2-freie – und großteils autarke – Energieversorgung der Immobilien“, so Geschäftsführer Herbert Hetzel. Mehrkosten für die Nutzer gegenüber traditioneller Energieversorgung würden dabei nicht entstehen. Zudem macht es „von den Entwicklungen der Energiemärkte unabhängig“, so Hetzel. Über ein Netz von rund 250 geothermischen Erdsonden, die jeweils 150 Meter in die Erde führen, soll den Mietern und Eigentümern jährlich Heiz- und Kühlenergie in der Größenordnung von 4.800 MWh bereitgestellt werden. „Neben unserer Strategie, alle Gebäude in Holzbauweise zu errichten, ist dies ein maßgeblicher Schritt, nicht nur von Klimaschutz zu sprechen, sondern zu handeln und diesen auch aktiv umzusetzen“, ergänzt auch Gerald Beck.

Belinda Fiebiger

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