Aus Alt mach Neu: Wie Möbel für die Ewigkeit bleiben

Zwei Neo-Unternehmer erzählen, warum sie sich beruflich neu orientieren und gegen die Wegwerfmentalität eintreten.

Tausende Tonnen Möbel und andere Gebrauchsgegenstände landen in Österreich jedes Jahr auf dem Müll – dabei wäre vieles davon noch gut brauchbar. Der frühere Top-Manager Josef Papousek, 49, wollte dem Wergwerf-Wahnsinn nicht länger zusehen "und die letzten Jahre bis zur Pension etwas Sinnvolles machen“, wie er sagt.    

Ein Wunsch, der in Zeiten von Pandemie und Klimakrise bei vielen gewachsen ist. Auch bei Christian Ippisch, 27, der sein Berufsleben noch vor sich hat. Den vorgegebenen Weg will er nach dem Lehramtstudium für Biologie und Sport aber nicht gehen. An seinem neuen Start-up für Vintage-Möbel sollen alle Freude haben: "Die Personen, von denen ich Stücke kaufe, die Kunden, die das Handwerk schätzen  – und ich selbst bei der Restauration.“  

Ein schöneres zweites Leben 

Langsam streicht Josef Papousek über den schweren Holztisch, der in seinem Geschäft "Mocca Mint – Home of Upcycling“ ausgestellt ist. "Da ziehst du dir keinen Schiefer ein – nichts“, schwärmt er. Was man dem Tisch nicht ansieht: Er besteht aus alten Berliner Bodendielen und stand 10 Jahre in einer WG. Wie ungebraucht wartet er jetzt auf neue Besitzer.

Auch Papousek war in einem früheren Leben etwas anderes, nämlich CEO einer großen Unternehmensberatung. Hektik und Dienstreisen prägten den Alltag des Zweifach-Vaters. "Für ein Meeting nach London zu fliegen, kommt mir heute völlig absurd vor“, sagt der Rockmusik-Fan.

Um die Abfertigung hätte sich der gelernte Versicherungskaufmann auch einen Teilzeitjob suchen und auf die Pension warten können. Stattdessen investierte er in das Geschäftslokal auf der belebten Josefstädter Straße, wo er seit diesem Sommer "upgecycelte“ Qualitätsmöbel und (Wohn-)Accessoires von verschiedenen ausgewählten Herstellern verkauft.

Ein gutes Kauf-Gefühl

Upcycling sei in Österreich noch ein Stiefkind, erklärt Papousek. Viele verwechseln es mit Recycling, dabei ist der Unterschied wesentlich: "Wenn Sie ein Blatt Papier wegwerfen und daraus wird wieder Papier in schlechterer Qualität, ist das Recycling. Beim Upcycling nehme ich ein altes Material und produziere daraus etwas Hochwertigeres, Schöneres, das mit dem Ursprungsprodukt nichts mehr zu tun hat.“

So findet man im "Mocca Mint“ etwa Taschen, die einmal Fahrradschläuche waren; eine Anrichte aus einem 100 Jahre alten Weinfass; oder ausziehbare Blumenständer, die aus weggeworfenen, hochwertigen Lattenrosten entstanden sind.

©KURIER/Jeff Mangione

Altes "Zeug“ in jungen Händen

Mit alten Möbeln ist Christian Ippisch aufgewachsen. Investierten seine Eltern doch ihr erstes selbst verdientes Geld stolz in  ausgefallene Jugendstil-Antiquitäten. Dass diese einmal für ihn zum Beruf werden, hätte er aber nicht gedacht: "Als Kind war es mir vor allem peinlich, dass wir so altes Zeug daheim hatten.“

Doch Zeiten ändern sich, Geschmack bekanntlich auch. Seiner Mutter zuliebe schließt der 27-Jährige im Vorjahr zwar seinen Lehramt-Master ab. "Aber nur, um ihr danach sagen zu können, dass ich in keine Schule gehe, sondern Antiquitätenhändler werde.“ Unterstützt wird er dabei von seinen "Helferleins“ Paula Spitzauer (22), Laura Schoditsch (25) und Schwester Katharina Ippisch (30). Das Ziel der Quereinsteiger: Den verstaubten Antiquitätensektor "mit Dr.-Martens-Stiefeln in eine jugendlichere Richtung treten“. Keine einfache Aufgabe, sind die Möbel doch  in der Regel Kunden vorbehalten, „die fest im Leben stehen“. Was diese besonders schätzen, sind ihre literarisch belegbaren Stücke aus der Jugendstil-, Art-Déco und Bauhauszeit.

"Generation Ikea“

Ihr junges Alter überrasche anfänglich, werde insgesamt aber positiv aufgefasst, sagt Katharina Ippisch: "Wir verleihen der Szene etwas Modernes. Wir arbeiten  stark mit sozialen Medien. So verbinden wir alt mit neu.“ Immer mehr würde auch die "Generation Ikea“ die Qualität der alten Stücke schätzen, weiß Schoditsch. "Vor allem Bauhaus hat das Vintage-Flair, das bei unserer Generation so In ist.“  

"Ich will aufzeigen, dass Nachhaltigkeit auch gutes Design sein kann“, betont der Neo-Unternehmer. "Upcycling hat nichts mit Bastelei zu tun. Es soll ernst genommen werden.“

Immer mehr Konsumenten hätten die Nase voll von Wegwerfkultur und Billigmöbeln, die keinen Umzug überstehen. "Ich will nicht die Welt verändern“, stellt Papousek klar. "Aber wenn ich bis zu meiner Pension 100 Leute dazu bringe, dass sie einen Tisch kaufen, den sie nach 15 Jahren noch haben – dann hab ich viel erreicht.“

©Traudes Kinder

Was bei den Jungen gut ankomme:  "Wenn man Möbeln nach 100 Jahren ein neues Leben einhaucht, ist das  auch nachhaltig.“ Denn  das Vintage-Kollektiv sammelt und verkauft nicht nur Zeug aus dem vergangenen Jahrhundert, sondern legt in der Restauration selbst Hand an: "Wir  arbeiten nur mit hochwertigen Naturprodukten. Die Antiquitäten bestehen meist aus Holz, Metall oder Glas.“ Plastik oder Gummi werde man bei ihren Stücken nie finden. 

Ab 8. Oktober sind diese im neu eröffneten Atelier  von "Traudes Kinder“ in der Hintzerstraße 6, im dritten Wiener Bezirk, ausgestellt. Hinter dem Namen steht die Mutti: "Unsere Mama heißt Waltraud und liebt ihre  Antiquitäten fast so sehr wie ihre Kinder.“ Eine Liebe, die wie die Möbel selbst Generationen überdauert.                

Elisabeth Kröpfl

Über Elisabeth Kröpfl

Seit Dezember 2021 beim KURIER. Zuerst im Ressort Lebensart, jetzt am Newsdesk. Spanisch- und Englischstudium in Graz, danach Journalismus-Master an der FHWien.

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