Warum sind die Dinge nie dort, wo man sie sucht?

Bist du auch immer auf der Suche? Vielleicht hast du ja das Schussel-Gen - oder du brauchst ein paar Tipps.

Kollege A geht nie ans Telefon, wenn man ihn anruft. Den Grund dafür nennt er stets selbst, wenn er prompt, aber atemlos zurückruft: „Warum ist mein Handy nie dort, wo es sein sollte?“
Das kennt man doch. So wie  die Suche nach dem Autoschlüssel, den man  gerade in die Hosentasche gesteckt hatte. In die linke-hinten-nein-rechts-vorne-oder-doch-hinten-oder-gar-nicht ...? Unauffindbar, verloren, gestohlen?
Willkommen in der Welt der Suchenden. Und in der Welt der Panik ("Oh, nein, ich hab' mein Geldbörsel verloren!!!"). Das ist ja auch gar nicht so unwahrscheinlich, so die Statistik des "Fundservice der Stadt Wien": So wurden vergangenes Jahr 8.300 Schlüssel bzw. Schlüsselbunde abgegeben, 10.500 Geldbörsel, 20.200 Ausweise wie andere Dokumente und - ein bisserl skurril - 3 Gebisse.

Warum sind wir bloß so schusselig?

Ein Trost vorweg: Vergessliche sind die besseren Entscheider, so eine Studie der Universität Toronto, da sie Unwichtiges leichter von Wichtigem unterscheiden können. Schließlich braucht unser Hirn ein bisschen Platz zum Nachdenken. Aber auch sonst haben wir gute Gründe, uns nicht alles zu merken, so Psychologin Jasmin Thamer (konnext.at).

Geht es um Alltagsgegenstände, die wir oft suchen, hat das meistens einen ganz bestimmten Grund, so die Psychologin: „Wir sind nicht  bei der Sache.“ Schuld sei die Routine: „Da wir Schlüssel und Handy ständig in die Hand nehmen, passiert das nebenbei, ohne dass wir der Handlung  Aufmerksamkeit geben.“ Zudem müssen wir immer mehr bei uns tragen: Handy, eCard, Kreditkarte, Impfnachweis – ohne alldem geht nichts.

Da kann man gedanklich schon ins Stolpern kommen. Wenn  dann auch  noch die Einkaufsliste memoriert und rasch die App gecheckt wird, ob morgen eh Grillwetter ist, wundert’s nicht, dass mancher sogar die Brille sucht, die auf der Nase sitzt. „Wir sind  nicht dafür gemacht, mehr als  ein, zwei Dinge gleichzeitig zu tun. Auch wenn viele das von sich glauben.“ 

Manche können sich auf das Schussel-Gen ausreden, das Forscher der Uni Bonn 2014 entdeckt haben. "Wer über eine bestimmte Variante dieses Gens verfügt, lässt sich leichter ablenken und erlebt signifikant häufiger Momente, die mangelnder Aufmerksamkeit geschuldet sind", heißt es in der Studie.

Allen, die mehr Finden als Suchen wollen, empfiehlt Jasmin Thamer deshalb, wichtigen Dingen einen fixen Platz zu geben, und sie dort bewusst abzulegen. „Eine halbe Sekunde fokussieren spart 15 Minuten Suche.“  Ihr Tipp: Alles „auf den rechten Fleck“ zu legen. Zum Beispiel das Handy immer in die rechte Tasche, den Schlüssel in die rechte Schublade und die Kreditkarte ins rechte Fach im Börsel. Und wer dann doch wieder verzweifelt sucht? „Ruhe bewahren, innehalten, atmen, dann in Gedanken die letzten Schritte zurückgehen, das hilft, sich zu erinnern.  Und darauf vertrauen, dass alles wieder auftaucht.“

Frage der Freizeit

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Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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