Die Stimme im Kopf: Warum führen wir eigentlich Selbstgespräche?

Ob laut oder still, fast jeder spricht mit sich selbst. Warum es nicht egal ist, wie nett man dabei zu sich selbst ist.

"Stell dir vor, das Telefon läutet, und dran ist wer? Du selber." (© Gernot Kulis). Nun, um diese eher bedenkliche Art des Selbstgesprächs soll es hier nicht gehen. Sondern um die Worte in unserem Kopf und jene, die wir vor uns hinmurmeln – letzteres bevorzugt, wenn wir mit uns alleine sind. Laut Ethan Kross haben die meisten Menschen regelmäßig etwas mit sich selbst zu besprechen. Der Psychologieprofessor der University of Michigan hat untersucht, was Selbstgespräche bewirken können. Vor allem das „Geschwätz“ (Engl. „Chatter“) in uns steht dabei im Fokus. Dieses sei nämlich oft dafür verantwortlich, dass wir immer wieder in einer Negativspirale landen. Sein Buch („Chatter – die Stimme in deinem Kopf“) erscheint demnächst auf Deutsch.

"Was denkst du?" - "Ach nichts"

„Mit sich selbst zu sprechen, ist die Fähigkeit, verbal über unser Leben nachzudenken“, so Kross. Die Psychologie weiß längst, dass das schon bei kleinen Kindern beginnt, sie plaudern selbstvergessen vor sich hin, ohne sich um das Rundherum zu kümmern. Erst mit fünf Jahren wandert das Denken immer mehr ins Innere. „Was denkst du?“ – „Ach nichts.“ Von wegen, wir halten in unserem Kopftheater regelrechte Wutreden, stellen Fragen, geben  Anweisungen („Raus aus dem Bett!“), motivieren uns  („Das werd’ ich schon schaffen!“), vergleichen uns („Das kann ich aber besser“) oder üben Selbstkritik („Warum hab ich das bloß vermasselt?“). Außerdem können wir besser lernen und uns konzentrieren, wenn wir laut denken. 

Vielleicht doch mit sich selbst telefonieren?

Kross meint, dass es nicht egal sei, wie und was wir mit uns selbst so bereden. „Wem es gelingt, seine Stimme zu beruhigen, ist glücklicher“, so der Psychologe. Das ist besonders schwierig, wenn man in einem Gedankenkarussell aus Problemen steckt oder der innere Kritiker zum Alltag gehört. Wie geht der Weg da raus? Kross empfiehlt das distanzierte Selbstgespräch. Das heißt, sich mit Namen oder sogar in der 3. Person anzusprechen. So schaffe man eine neue Perspektive und könne sich gut zureden, wie man es ja sonst perfekt bei den besten Freunden macht. Also vielleicht doch mal mit sich selbst telefonieren?

Frage der Freizeit

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Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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