Alwin Jurtschitsch im Kampf gegen Trockenheit: Wie Winzer wieder Weinbauern werden
Alwin Jurtschitsch setzt auf blühende Weingärten gegen die wachsende Trockenheit und auf neues „Terroir“.
Von Ingrid Greisenegger
Wenn Alwin Jurtschitsch mit der Schaufel den Boden umdreht, riecht es nach Waldboden und es werden Regenwürmer, nach und nach ein halbes Dutzend, sichtbar. Der Regenwurm ist nur der größte und deshalb bekannteste Vertreter der „Unterirdischen“, jenen im Verborgenen tätigen Milliarden von Lebewesen (Pilze, Bakterien, Mykorrhiza), die für die Humusbildung verantwortlich sind.
Jurtschitsch, der das gleichnamige Traditionsweingut gemeinsam mit seiner Frau Stefanie seit 2006 biozertifiziert führt, setzt bewusst und experimentell auf regenerative Landwirtschaft, bei der der Bodenaufbau die Basis des ökologischen und letztendlich wirtschaftlichen Erfolgs bildet. „Wenn Pflanzen weniger Stress haben“, so der Weinbauer, „sind sie weniger anfällig für Krankheiten.“ Gesunder Boden bewirkt das. Ziel ist es, der durch den Klimawandel bedingten zunehmenden Trockenheit besser und möglichst ohne Bewässerung, begegnen zu können. Denn das Ausmaß der Trockenheitsfolgen sei abhängig von der Bewirtschaftung und einem Begrünungsmanagement. Blühende Weingärten sollen die Landschaft prägen, weithin sichtbar bunt. „Jeder Schmetterling, der vorbeifliegt, soll bleiben wollen“, meint Jurtschitsch.
Zwischen die Rebenreihen setzt er Grünstreifen, zum Beispiel mit Phacelia (Bienenweide) mit ihren nektarreichen blauen Blüten. Im Ackergrün finden sich auch weiße Sommerwicken, Sommerroggen, Mohn, Leindotter, Kümmel und Klee. Als Nachfrucht bringen Bohnen und Erbsen Stickstoff in den Boden ein. Die geballte Biomasse ist Futter für den Regenwurm, der den Humus für die nächste Traubenernte aufbereitet. Nach der Ernte beweiden Schafe manche der Weingärten, sie fressen und düngen. Der Boden bleibt nie unbedeckt, denn es wird auch gemulcht.
Diese Strategie geht auf: am Boden ist die Temperatur messbar niedriger, er trocknet weniger aus und kann Regenwasser besser speichern. Vor der Begrünung im Frühjahr (mit einer Ackergrün-Biodiversitätsmischung) wird er nur flach bearbeitet, mit Kreiselegge und Scheibenegge, um das natürliche Bodenleben möglichst wenig zu beeinträchtigen. Dort wo der Boden durch die brutale Trockenheit bereits erodiert ist, will Jurtschitsch heuer „Terra Preta“ (Kohlenstoff, der aus Holz gewonnen wird) einbringen, die er zum Kompost mischt. „Kompostmachen“, erinnert sich Experimentator Jurtschitsch an seine Lehr- und Wanderjahre, die ihn fast rund um die Welt führten, „habe ich eigentlich erst in Australien gelernt, nicht in der Ausbildung und nicht zu Hause. Dabei sollten wir Winzer, um den Herausforderungen von Trockenheit und Klimawandel zu begegnen, doch alle wieder Weinbauern werden, die sich darauf verstehen.“
Die Trockenheit hat man in Langenlois, dem Tor zum Weinbaugebiet Kamptal, in den letzten Jahren immer stärker zu spüren bekommen. Es gibt bereits Rebsorten, die diesen neuen Klimagegebenheiten angepasst sind. „Diese PIWI-Sorten (Rebsorten mit Resistenz gegen Pilzkrankheiten, Anm. d. Red.) werden so schnell nicht Grünen Veltliner und Riesling im Kamptal ersetzen“, urteilt Jurtschitsch, „sind aber eine Alternative, der man folgen soll“. Er arbeitet auch am „Terroir“, dem Herkunftsgeschmack, den nicht nur der Kellermeister, sondern auch der Standort prägt. „Der Wein“, sagt Jurtschitsch, „soll immer noch nach Kamptal schmecken. Wir setzen auf die traditionellen Sorten. Riesling kommt von den sehr trockenen Terrassen, Grüner Veltliner von dort, wo Lehm und Löss sind.“ Elegant, kühl und ausbalanciert soll der Geschmack sein, auch der seines Sekts, der jetzt erstmals in den Handel kommt. Exportiert wird bis Japan, wobei das Gewicht der Glasflaschen ökologisch belastend zuschlägt. Aber immerhin: Früher hatten Flaschen 700 Gramm, heute sind es nur mehr 400 Gramm.
Auf 23,8 Prozent der Weinbauflächen wird heute Biowein produziert, mit einem Zuwachs von 125,5 Prozent seit 2015. „Die Klientel für Biowein ist für die Weinbauern eine „betreuungsintensive“, stellt Victoria Loimer von der NÖ Landwirtschaftskammer fest. Denn Biowein-Fans wollen in der Regel Details wissen zu Herkunft und Produktion. Beispielsweise zum Pflanzenschutz. Da kommt oft die vorwurfsvolle Frage nach dem Einsatz von Kupfer, das sich im Boden belastend anreichern kann. Eingesetzt wird es gegen die Pilzerkrankung „falscher Mehltau“. Bis 2016 hat es Jurtschitsch auf drei Hektar Versuchsfläche ohne Kupfer versucht. Es geht, doch mit geringerem Ertrag. Im Bio-und ebenso im konventionellen Weinbau sind bis zu 4 kg/Hektar erlaubt. Jurtschitsch schafft es heute mit 1 kg/ Hektar. Matthias Jäger von „Biohelp“, einem auf Pflanzenschutz spezialisierten Unternehmen, erinnert daran, dass vor gut 50 Jahren noch bis zu 80 kg/Hektar erlaubt waren. Man hat dazugelernt.
Weit verbreitet ist jetzt ein Produkt aus Braunalgen, ergänzend zu den Kupfergaben. Es handelt sich dabei um ein Bio-Stimulanz, das die pflanzeneigene Abwehr anregt und somit hilft, Kupfer zu reduzieren. Generell werden zur Pflanzenstärkung und zur Aktivierung der Mikroorganismen im Boden Kräutertees versprüht. „Cappuccino-Tee“ nennt Jurtschitsch diese Brühe, die beim Ansetzen durch ihre Schaumkrone an das Kaffeegetränk erinnert. „Als Weinbauer muss man jenseits des Alltagsgeschäfts immer auf der Suche nach Lösungen für die Zukunft sein“, sagt Jurtschitsch. Eine liegt für ihn auch in der Errichtung einer Photovoltaikanlage im Weinfeld. Sie bringt Schatten, schützt vor Hagel und Starkregen und ermöglicht eine doppelte Ernte auf ein und derselben Fläche: die von Wein und Strom, den man bei Traktoren mit Elektroantrieb einsetzen könnte.
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