Weekender Lyon: Ein Paradies für Genießer und Kulturfans

Lyon, ein Paradies für Genießer, Flaneure und Liebhaber des Lichts. Die begab sich auf die Spuren von Ernest Hemingway, Fitzgerald, Asterix und Jacques Brel. Denn sie alle waren schon da.

Überblick

Anreise

Von Wien direkt in 1h 45 min. 

Einwohner

ca. 500.000

Währung

Euro

Was, wie bitte, wo warst du? In Lyon? Besucht man eine der bei uns weniger bekannten Städte Frankreichs, provoziert man bei seinem Gegenüber ein großes Fragezeichen. Warum Lyon? Das befindet sich ja nicht einmal am Meer, muss man sich dann anhören. Stimmt. Der Einwand, dass die rund 520.000-Einwohner-Stadt dafür an zwei Flüssen liege, wird zwar zur Kenntnis genommen, mehr aber überzeugt folgender Sinnspruch dieser Schlaraffenstadt: „Durch Lyon fließen die Rhône und die Saône UND der Beaujolais!“, heißt es hier pointiert.

Voilà! Na dann: Prost! Ja, nördlich, unmittelbar nach der Stadtgrenze Lyons beginnt das berühmte Weinbaugebiet Beaujolais. Daher also das üppige Angebot dieser Sorte in den lokalen Bistros und Restaurants. Selbst in der Brasserie Georges wird der Beaujolais hoch gehalten. Dabei geht die lyonesische Institution auf eine unweit des Bahnhofs Gare Lyon Perrache anno 1836 gegründete Brauerei zurück. Aber was für eine!

Ob Jules Verne, Jacques Brel, Colette, Sartre, die Piaf oder Hemingway, sie alle dinierten und tranken hier. „Hemingway saß gerne an Tisch Nr. 10“, wird man ungefragt informiert. Fast genau 100 Jahre ist es her, dass der US-amerikanische Autor mit seinem Buddy F. Scott Fitzgerald die französische Provinz besucht hat. Eigentlich nur eine Fußnote in der langen Geschichte der Stadt. Tiberius Claudius Nero Germanicus, der vierte römische Kaiser, wurde im Jahre 10 v. Chr. in der damals Lugdunum („Festung des Lug“) genannten keltischen Siedlung geboren.

Ein Blick in die „Traboules“, die Hausdurchgänge, geht bei einem Stadtspaziergang dazu. Aber, Achtung: nicht alle sind öffentlich zugänglich

©Getty Images/iStockphoto/Gael Fontaine/iStockphoto

Und, oui, oui, Asterix und Obelix waren bei ihrer „Tour de France“ ebenfalls im späteren Lyon im südlichen Gallien. Sie wollten dort Fleisch und Würste kaufen. Hemingway und Fitzgerald haben davon noch nichts gewusst. Ersterer hob in seinen Erinnerungen „Paris, ein Fest fürs Leben“ immerhin ein „wunderbares Lunchpaket vom Hotel in Lyon mit ausgezeichnetem getrüffelten Brathähnchen“ hervor. Und wir? Wir labten uns, bevor wir in der stets gut besuchten Brasserie Georges einen Tisch zugewiesen bekamen – Nr. 20, der Stammtisch von Antoine de Saint-Exupéry –, an Austern und Champagner, also quasi am Gruß aus der Küche.

Typisches Bistro in Lyon – draußen sitzt man beim kleinsten Sonnenstrahl. Wozu gibt es Jacken  

©Getty Images/redtea/iStockphoto

Wie Gott in Frankreich

Eine Reise hierher lohnt sich wirklich. Vor allem ein verlängertes Wochenende. Kostet erstens nicht die Welt und bringt einem – zweitens – eine andere Welt ganz nahe. Schon am ersten Tag machte sich das Gefühl breit, dass wir es mit dieser Wahl mehr als gut erwischt haben. Wir fühlten uns wie Gott in Frankreich. Weil hier alles zusammenpasst: die sorgsam restaurierten Renaissance-Gebäude; die zu jeder Tageszeit Baguettes besorgenden Menschen; die großen Plätze wie die Place Bellecour mit seinen Statuen, Sitzbänken, Cafés und Bars; und selbstverständlich auch diese spürbare Grundstimmung des Savoir-vivre.

Futuristisch wie ein Raumschiff aus einer anderen Galaxie: das Musée des Confluences

©maxime brochier

Wenn sich das zwar für ganz Frankreich behaupten lässt, macht sich die Kunst, das Leben zu genießen, in Lyon besonders breit. Schon alleine, weil „Jahrhundertkoch“ Paul Bocuse (1926-2018) zuletzt fünf Brasserien in Lyon betrieb. Seiner Version der Nouvelle Cuisine und vor allem seiner Botschaft der regionalen Küche hat sich die 500.000 Einwohner zählende Feinschmeckermetropole seit längerem verschrieben. Wir schauen uns ab, wie das geht. In der Sonne am Saône-Ufer flanieren, bei einem nahen Wochenmarkt gustieren und dann in einem Bouchon, einem jener Gasthäuser mit den typischen rot-weiß-karierten Tischdecken, ein Pression, ein Bier, trinken. Aha, ist ja gar nicht so schwer.

Die halbe Stadt ist eine Freilichtgalerie: Wandbild der Künstlergruppe Cité Création
 

©only lyon tourisme et congrès

Allez hop & Ahoi!

Mit seiner Lage an der Rhône und an der Saône ist Lyon nah am Wasser gebaut. Das geht sogar so weit, dass wie in Venedig Personenverkehr auf den Fluten zum Alltag gehört. Also nehmen wir das Vaporetto Richtung Confluences, dem neuen Stadtviertel auf dem südlichen Teil zwischen den beiden Flüssen. Wir passieren alte Lagerhäuser, die ein neues Leben als moderne Wohn- oder Bürobauten erhielten, eine Sonderzahl an Freiluftbars und den weithin sichtbaren grünen Kubus des TV-Senders Euronews, bis wir bei einem futuristischen Bau landen, der wie ein Raumschiff aus einer anderen Galaxie wirkt: das vom österreichischen Architekturbüro Coop Himmelb(l)au geplante Musée des Confluences. Allez hop, man kann unten durchgehen, vorbeigehen und natürlich reingehen. Vor neun Jahren wurde dieses zehntausende Exponate beinhaltende Museum der Welt-, Tier- und Menschheitsgeschichte – u. a. zwei riesige Saurierskelette – eröffnet. Beinahe eine Million Neugierige pilgern seither pro Jahr in dieses moderne Wahrzeichen von Lyon.

Kuriose Fakten. Wusstet ihr, dass …

… der monumentale, mit einer 375 Meter langen Fassade klassizistische Bau (bekannte unter dem Namen Hôtel-Dieu)  entlang der Rhône zwei Jahrhunderte als Krankenhaus diente, bevor er 2010 u. a. zum Prestigeobjekt „Cité internationale de la gastronomie et du vin“ adaptiert wurde?
… Lyon mit dem originellen Anagram ONLY LYON auf die Einzigartigkeit der Stadt hinweist? Die nach Paris und Marseille drittgrößte Metropole Frankreichs hat tatsächlich anderen etwas voraus: u. a. das Hüten des kulinarischen Erbes von Jahrhundertkoch Paul Bocuse sowie den Pioniergeist der gebürtigen Lyoneser Saint-Exupéry und der Brüder Lumière.
… die Fußballfans von Olympique Lyon besonders fanatisch sind? Im Vorjahr forderten sie mit einem Spruchband die eigenen Spieler auf, andere Schuhe zu tragen. Die Kicker sollten auf grünes Schuhwerk verzichten. Die Farbe Grün ist die Farbe des verhassten Vereins AS Saint-Étienne.

Apropos neue Zeichen

So bemerkenswert sich Lyon um das architektonische Erbe der Renaissance kümmert, so fortschrittlich zeigen sich die Wände vieler Stadtviertel. Auf gigantischen Wandbildern, Murals, zeigen sie unter anderem die reiche Geschichte der Stadt, von der römischen Siedlung über die Jahrhunderte, in denen die Seidenstickerei viele Bewohner wohlhabend machte bis zu dem Autor und Flugpionier Antoine de Saint-Exupéry und den Erfindern des Kinos, den Brüdern Lumière.

Lyon gilt als die "Hauptstadt der Gastronomie": Nicht nur wegen dem Wirken von Paul Bocuse stehen Köche hier gerne in der Auslage

©Guillaume TRANQUARD

Im Zeichen einer anderen französischen Berühmtheit, den auch die Netflix-Community kennen dürfte, nämlich Meisterdieb Arsène Lupin, wurde jüngst das im Stil der Art-déco-Ära gehaltene Café Arsène eröffnet. Très chic! Was soll man da machen? Ganz einfach, hinreisen und anschauen. Gelegenheiten gibt es genug. Im Mai beziehen beim Festival Nuits Sonores große Namen der Elektro-Szene wie Kraftwerk, New Order oder Nicolas Jaar alljährlich einige Hotels, die wichtigsten Kulturstätten sowie Industrieanlagen der Stadt.

Wem das nicht konveniert, alljährliches Highlight ist auch Lyons Lichterfest Fête des Lumières, das für vier Tage viele Gebäude der Stadt in bunte Farben und Muster illuminiert – von der Basilika bis zur Oper. Dieses Fest hat seinen Ursprung im Marienkult. So gesehen findet es rund um den 8. Dezember, Maria Empfängnis, statt. Bis dahin ist noch sehr, sehr viel Zeit. Und damit einem vor Ort eine Speisekarte nicht spanisch vorkommt, lassen sich bis dahin noch ein paar Sätze in lupenreinem Französisch einstudieren.

Bernhard Praschl

Über Bernhard Praschl

Bernhard Praschl, geboren 1961 in Linz. Als Stahlstadtkind aufgewachsen zwischen Stadtwerkstatt und Brucknerhaus. 1978 erster Manager der Linzer Punk-Legende Willi Warma. 1979 Studium der Politikwissenschaft und Publizistik an der Uni Wien. Zivildienst im WUK; 1986 Institut für Höhere Studien, Wien. 1989-1992 in der Die Presse, seit 1992 Redakteur im KURIER, 1994 Statist in Richard Linklaters "Before Sunrise", seit 1995 in der FREIZEIT. 2013 "Das kleine ABC des Geldes. Ein Lesebuch für Arm und Reich" (Czernin Verlag). Nach frühen Interrailreisen durch Europa (Portugal bis Irland) und Autofahrten entlang der California State Route und dem Overseas Highway nach Key West jetzt wieder Bahnfahrer - und E-Biker.

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