Weekender Cres und Lošinj in Kroatien: Blau-türkise Wunder
Der aus Cres und Lošinj gebildete Archipel ist klimatisch, kulturell und kulinarisch einzigartig. Reisebericht eines Radfahrers, der unterwegs einiges erlebt hat.
Überblick
Wer sich den Öko-Luxus (teure Tickets und mehr als einen Tag auf Achse) gönnt, nimmt den Zug bis Rijeka und den Bus, via Fähre (nach Porozina oder Merag). Info: oebb.at
Hallöchen! Die Waldgeister mit dem niedlichen Namen Macmalići (lautsprachlich: Madsmalidschi), ihren roten Kappen und blauen Hosen begleiten euch, geschätzte Radfahrende, durch den Karst hinauf. Wollen euch vergessen lassen, dass die Straße von der Anlegestelle der Fähre im kleinen Ort Porozina mehr als zehn Kilometer sanft, aber stetig bergauf führt. Immer bergauf – durch den Tramuntana.
Der Mischwald im Norden der kroatischen Insel Cres wird beeinflusst von kontinentalem Klima und einem böigen Wind aus Nord-Nordwest, der Tramuntana (italienisch: Tramontana) genannt wird. Hainbuchen, Eichen und Kastanienbäume stehen rechts und links Spalier. Und die Macmalići biegen sich vor Lachen: „Selber schuld, Fremde, wenn ihr hier zur Mittagszeit hochkriecht.“
Geier über der Insel Adrenalin! Rasant-riskant ist dann die Abfahrt auf einer engen und kurvenreichen Straße in das pittoreske Dorf Beli, wo sich hoch ambitionierte Insulaner wie Tomislav Anić für ihre bereits seit der letzten Eiszeit hier lebenden Mitbewohner engagieren. "Die Geier", sagt der Tierschützer der NGO Priroda (Natur), "sind Teil unserer Identität. Daher setzen wir uns dafür ein, dass sie weiterhin mit uns auf Cres leben können."
Zu wenig Nahrung und respektlose Gäste, die den Jungtieren zu nahe kommen, kosten dem riesig großen Wappentier von Beli Substanz. Gleich hinter dem Besucherzentrum werden sowohl kranke als auch verletzte Jungvögel mit viel Herzblut aufgepäppelt. Geier sind soziale Wesen, deutet Tomislav Anić. "Deshalb ist ihre Chance, von ihren Artgenossen in den Familienverband reintegriert zu werden, groß." Sein Appell an die menschliche Vernunft: "Bleibt bitte mindestens fünfzig Meter von ihren Nestern entfernt. Am schönsten ist es doch, wenn Geier fliegen."
Marmelade aus Oliven
Wer seine Pflicht in den Wochen vor dem Inselurlaub auf dem Rad abgespult hat, darf die Weiterfahrt in die Stadt Cres als eine Kür betrachten, für andere ist sie mehr Pflicht als tolles Urlaubsfeeling. Sie fassen daher klugerweise eine Mitfahrgelegenheit ins Auge. So oder so. Das Restaurant Riva an der Riva im alten Hafen von Cres bietet Stärkung für alle, die Fisch und Meeresfrüchte mögen.
Auf dem belebten Hauptplatz, der nach dem Philosophen der Renaissance Frane Petrić benannt ist, warten weitere Gaumenfreuden: In ihrem kleinen Delikatessenladen offeriert Izabel Bravdica ihre Marmeladen aus schwarzen Oliven und wilden Granatäpfeln. Gleich nebenan bittet Daniele Surdić ebenso Kostproben an: Olivenöl pur, Olivenöl mit Orangensaft oder Chili. Und da waren sie wieder, die Macmalići, die lustigen Typen aus dem Tramuntana, in diesem Fall sind sie Namensgeber des lokalen Produzenten.
Der Imker Mladen Dragoslavić preist seinen Honig wenige Schritte außerhalb der Altstadt an. Er erzählt, dass er dafür viel Aufwand betreiben muss. Bevor die Tage lang und heiß werden, übersiedelt er die Bienenvölker in die kühleren Berge auf dem Festland. "Freunde von mir passen dort auf sie auf. Bei uns auf der Insel Cres sind sie von der Hitze zunehmend bedroht." Im Spätherbst holt Dragoslavić die Inselbienen wieder heim und nimmt die Bergbienen seiner Freunde mit. Von dieser Form des Zweitwohnsitzes haben alle etwas.
Auch die Schuhe, Hüte, Kleidungsstücke, Kunstblumen und Polster der extrovertierten Textildesignerin Vesna Jakić sind ein Gewinn für alle: Die Wolle, die sie für ihre Souvenirs verwendet, ist an sich Abfall. Sie fällt bei der Schafschur ab. Niemand auf der Insel außer der Inhaberin des bunten "Ruta"-Ladens mag die schmutzigen Haare der Inselschafe säubern, kämmen und weiter verarbeiten. "Ich hingegen werke sehr gerne mit Filz."
Wildschweine gegen Schafe
Mit ausreichend Kalorien und neuen Ideen lässt sich der erste Anstieg hinter der Stadt Cres auch auf dem Rad bewältigen. Immer eine Option für besonders gut Trainierte ist der 19 Kilometer lange Abstecher in das Bergdorf Lubenice, das auf einem Felsen 378 Meter über dem Meer errichtet wurde.
Seit 4.000 Jahren soll dieser exponierte Ort mit dem atemberaubenden Meerblick durchgehend besiedelt sein. Vor hundert Jahren wurden in Lubenice 250 Personen gezählt, heute sind es noch weniger als ein Dutzend. Eine ist Tea de Both, wenigstens in der Sommerzeit. Die Puppenmacherin aus Zagreb begrüßt Interessierte im liebenswert eingerichteten Museum für Schafzucht. Schafe haben die Dörfler über Jahrhunderte genährt. "Heute gibt es auf der Insel kaum noch Schafhirten", sagt die Volkskundlerin im zweiten Bildungsweg. Auch die Schafe sind inzwischen bedroht: "Zu gefährlich ist die Übermacht der Wildschweine."
Weiter radeln! Der Südteil der Insel Cres ist von Macchia-Sträuchern bedeckt, das Klima mediterran. Bis zur Brücke von Osor betört die zu jeder Jahreszeit abwechslungsreiche Vegetation alle Sinne der Radfahrer. So sehr, dass sie den ständigen Rhythmuswechsel aus Hinauf und Hinunter beinahe vergessen.
Die Reste der Stadtmauer in Osor erinnern daran, dass hier einmal die Hauptstadt der Insel Cres eingerichtet war. Die Schatten spendenden Häuser im Ortskern zeigen den Einfluss der Venezianer. Moderner ist die wenige Meter lange Drehbrücke zwischen Cres und Lošinj. Auch auf dem Rad quert man sie binnen weniger Sekunden.
Sie führt auf den Osoršćica zu, der mit 588 Metern als höchste Erhebung auf der Insel Lošinj gilt. Der Berg prägt den Norden des Eilands, wirkt von der Küstenstraße entlang des Meers viel mächtiger als der fast gleich hohe Wiener Hermannskogel (544 Meter).
Wer weiter mit dem Rad in den ehemaligen K. u. k.-Luftkurort Mali Lošinj fährt, darf sich gleich nach der Ankunft mit einem schattigen Päuschen im Duftgarten der Sandra Nicolich belohnen. Die erfahrene Tourismusfachfrau hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht: In ihrem Garten blühen die Blumen der Insel. Kräuter verfeinern das Abendessen, das sie gemeinsam mit ihrer Familie liebevoll zubereitet.
Alte und junge Visionäre
Nur fünf Minuten mit dem Fahrrad weiter, im Windschatten der Čikat-Bucht, entzücken die repräsentativen Villen und Parkanlagen des alt-österreichischen Adels und Geld-Adels. Von einem Kajak aus lassen sie sich besonders gut ausmachen: zum Beispiel die Villa Carolina im Stil eines italienischen Sommerhauses, vom Inhaber des Wiener Haute-Couture-Salons Caroline Breyer in Auftrag gegeben. Oder das Hotel Alhambra mit seiner orange-roten Fassade, 1912 vom Grazer Architekten Alfred Keller geplant. Die schattige Bucht mit Park-Atmosphäre und zauberhaftem Lungomare beruht auf einer Idee mehrerer Visionäre: Menschen wie der Wiener Chemiker, Geologe und ausgewiesene Experte für Bäderheilkunde, Konrad Clar, oder auch der Lungenfacharzt Leopold Schrötter von Kristelli haben vor 140 Jahren das Potenzial der Orte Mali und Veli Lošinj richtig eingeschätzt.
Noch vor 1900 ließen sie eine halbe Million Kiefern und andere Bäume setzen. Die Schattengeber sind Zeugen einer gröberen Transformation: von einfachen Dörfern hin zu mondänen K. u. k.-Luftkurorten. Die Stadtführerin Irena Dlaka erklärt das so: "Wer Nachhaltiges schaffen möchte, muss seinen Visionen folgen. Und dann müssen noch die richtigen Leute zusammentreffen."
Ein Visionär ist auch Michael Gollenz. Der 28-jährige Oberösterreicher ist seit zwei Jahren Küchenchef im "Alfred Keller", dem Restaurant des Boutiquehotels Alhambra. Er hat sich im Nu in die Herzen der Gastrokritik und des betuchten Publikums gekocht.
Dabei war Gollenz vor seinem Wechsel vom angesagten Zürcher "Widder"-Restaurant nach Lošinj nicht sicher, ob dieser Transfer seinem beruflichen Aufstieg dienen kann: "Mein Mentor Stefan Heilemann hatte mir überraschend eröffnet, dass er mich bereits für höhere Aufgaben bereit sieht, und ein anderer Schweizer Küchenchef, Christian Kuchler, hat mir dann auf der Insel diese Chance geboten." Ein Michelin-Stern binnen kürzester Zeit: Das hat seine Zweifel in den Wind geschlagen. Er freut sich: "Hier bekomme ich alle Zutaten, die ich mir wünsche, nicht zuletzt alle Fische und Meeresfrüchte."
Delfine mit ihren Jungen
Diese Radtour endet am nächsten Morgen in Veli Lošinj, dem alten Fischerort, in dem heute noch eine Lungenheilanstalt Patienten Kur und gute Luft bietet. Noch einmal wird vom Land aufs Wasser gewechselt: Ein Schnellboot des Blue World-Instituts bringt Interessierte zu den Delfinen vor Lošinj.
Maximal 30 Minuten dürfen sie dann die Meeressäugetiere, unter ihnen auch einige Junge, bei ihren Schwimmbewegungen und Sprüngen begleiten. Immer parallel, um sie nicht in ihren Bahnen zu stören. Die Meeresbiologen des Instituts wollen ihre Gäste für die Bedürfnisse der Delfine sensibilisieren. Zudem erforschen sie das Zusammenleben der Tiere in ihren Familienverbänden.
Leben und leben lassen, ein guter Gedanke am Ende dieser Reise. Die Waldgeister und Wegbegleiter, die Macmalići, würden das im Übrigen auch so sehen.
Kommentare