Houstons skyline - mit viel Leben tief darunter

Texas: Großspurig, großherzig und gelassen

Texas ist eigentlich für sich ein Kontinent. Zwischen Wolkenkratzern und böhmischen Knödeln wird man herzlich empfangen.

Überblick

Einwohner

ca. 29 Millionen

Fläche

695.662 km²

Beinahe fühlt man sich als Störenfried, wenn man die abgearbeitete Holztür aufstößt und sich durchs Halbdunkel Richtung Bar vorarbeitet. Aber keine Angst, die Herren, die hinten im Eck an ihren Gitarren oder Fiedeln arbeiten, lassen sich ohnehin nicht stören. Die sind so mit dem Country beschäftigt, dass selbst der Koreaner mit seinem Handy-Blitzlicht den Groove nicht aus dem Gleichgewicht bringt.

Texas ©Kramar Konrad

Dass sich auch ein Koreaner – oder eben ein Österreicher – in dieses Holzhaus verirrt, das an eine Skihütte erinnert, ist eigentlich nur Willie Nelsons Schuld. Die heute über 80-jährige Country-Legende widmete ihr einen Song. "Let’s go to Luckenbach, Texas" erzählt über diesen wahrscheinlich kleinsten Ort in den rollenden Hügeln von Zentraltexas, der eigentlich nur aus einer Handvoll Holzhäuser besteht, darunter auch ein Postamt und jeder Menge Musik.Ob in der kühlen Jahreszeit drinnen in der Hütte, oder im Sommer draußen auf der Veranda, in Luckenbach wird immer Musik gemacht: An manchen Tagen in kleiner Runde, wo jeder der vorbeikommt und ein Instrument dabei hat, mitspielen kann, oder, wenn ein Konzert oder sogar ein Festival angesagt ist, mit ein paar Hundert Musikfans im Hof unter den alten Bäumen.

Mehr als Cowboy-Klischees

Wer in Luckenbach vorbeigeschaut hat, mit einem verflucht eiskalten "Lone Star"-Bier in der Hand zur Musik getanzt oder zumindest mit dem Fuß gewippt hat, der hat schon etwas sehr Grundsätzliches über Texas erlebt und verstanden: Die offenherzige Entspanntheit als Lebensgefühl. So viele Gesichter dieses endlos weite Land hat, es hat eine Grundstimmung, und die hat in den Holzhütten von Luckenbach, aber auch zwischen den Hochhaustürmen von Houston und den hippen Kunstgalerien im Osten von Austin Platz. Wer durch Texas reist, also meistens im Auto durch endlose Weiten rollt, wird fast überall angenehm überrascht, wie offen und unkompliziert die Menschen Gäste aus dem alten Europa empfangen.

Texas ©Texas tourism/SporlederaArt

Texas wird oft auf eine Handvoll Klischees reduziert. "Eine Gruppe besoffener Cowboys, die in einer Country-Bar auf einem elektrischen Bullen Rodeo üben", fasst sie ein Musiker spätabends in einer Bar in Austin ironisch zusammen.

Ja, natürlich entkommt man in diesem Land dem Rodeo nicht. Die Kalender sind das ganze Jahr über dicht gefüllt(www.traveltexas.com/things-to-do/ranches-and-rodeos/events): Das können riesige Veranstaltungen sein wie die Stock Show in Fort Worth im Jänner, wo Rodeo als Spitzensport in allen Varianten geboten wird, oder ein nachbarschaftliches Wochenend-Vergnügen wie in den Dörfern rund um Fredericksburg, wo Kühe und Stiere gleich auf einmal verkauft, geritten und natürlich auch ausführlich gegessen werden.

Tschechisches Plumpsklo

Fredericksburg, diese herrlich amerikanisch verkitschte ehemals deutsche Auswandererstadt im Hügelland westlich von Austin, hat fast so viel Geschichte wie Kühe zu bieten – und das kann umso abenteuerlicher werden, je weiter man sich in die kleinen Dörfer der Gegend vorwagt. Werden auf der Touristenmeile von Fredericksburg Bratwurst, Weißbier und politisch nichtkorrektes Zigeunerschnitzel zelebriert, müssen die Erinnerungen an die Auswanderer aus Deutschland, Österreich oder Böhmen in Orten wie Schulenburg, Weimar oder Praha oft regelrecht entdeckt werden: Ob das nun ein Plumpsklo mit tschechischer Aufschrift neben der Holzkirche in Praha ist, oder die Werbung für den Polkaabend in Schulenburg.

Die Polka ist nur ein Beispiel, sehr viel von der Geschichte des "Lone Star State" steckt in seiner Musik. Und dass der beste Ort, um die in allen Varianten zu erleben, Austin ist, mag manchem wenig überraschend vorkommen. Schließlich nennt sich die Studentenstadt "live music capital of the world" – und das nicht zu Unrecht. Musik mag es anderswo auch reichlich geben, in Austin prägt sie das Lebensgefühl der Stadt. Wer das erleben will, muss sich keine Konzertkarten vorab kaufen, es reicht im Sommer durch die Parks zu schlendern, durch die Straßen zu spazieren, oder in der kühleren Jahreszeit einfach in irgendein Lokal zu gehen.

Texas ©Texas Tourist Board

Eine Bühne gibt es überall – und mehr als genug talentierte Musiker, die da rauf wollen. Es gibt etablierte, von Touristen gut frequentierte Ausgehviertel wie die 6th Street, aber auch ständig neue Ecken in dieser Stadt, die auf einmal angesagt sind (austintexas.org/visit/music-scene/venue-guide). Es gibt Clubs für Elektrobeats und solche für betagte Country-Melancholiker: Und was sie alle gemeinsam haben, sind niedrige Eintrittspreise – manchmal reicht auch eine Spende für die Band – und offene Türen für jedermann. Exklusivität am Rande der Arroganz, wie man sie anderswo in hippen Ausgehvierteln erlebt, kennt man in Texas nicht.

Amerikaner zu Fuß

Auch zwischen den Wolkenkratzern von Houston wirkt dieses Land oft angenehm provinziell und unkompliziert. Wer in der Innenstadt von Houston von Bar zu Bar schlendert – hier gehen sogar Amerikaner zu Fuß – stößt nicht nur ständig auf neue Lokale, sondern auch auf Menschen, die wissen wollen, was so ein komischer Österreicher bei ihnen macht. Das "Howdy", den Standard-Gruß in Texas, hört man an solchen Abenden oft und oft, und irgendwann hat man begriffen, dass das nicht nur ein abgegriffenes Cowboy-Klischee ist, sondern ein Lebensgefühl.

Infos

Anreise

Austrian Airlines fliegen mit einem Zwischenstopp nach Houston, der beste Ausgangspunkt für eine Reise durch Zentraltexas. Auch Dallas ist mit einem Zwischenstopp gut erreichbar, Condor bietet auch Austin (Mai bis September) an, Preis ab 650 Euro.

Luxusbleibe

Wer sich Luxus im großen Stil eines alten Grand Hotels auch im Süden der USA gönnen möchte, ist im "St. Anthony’s" in San Antonio bestens aufgehoben.

Zimmer ab 150 Euro. www.thestanthonyhotel.com

Essen

Wer wirklich wissen möchte, wie Texas BBQ schmeckt und wie man es stilgerecht rustikal zu sich nimmt, holt sich seine Riesenportion bei Cranky Frank’s BBQ in Fredericksburg, ab 10 Dollar ist der Teller mehr als voll. www.crankyfranksbbq.com

Tour

Austin ist nicht nur Amerikas Musikmetropole, es ist auch eine Stadt voller bildender Künstler, Verrückter aller Schattierungen und ständig neuen Geschäften, Bars und Ideen. Die Führer bei "The Real Austin Tour" kommen meist selbst aus der Szene, wissen Bescheid und haben mehr Tipps als man in einer Woche ausleben kann. Info im Austin Visitor Center, 602 E 4th Street.

Shopping mit Stil

Aus einer alten Bierbrauerei hat eine Gruppe ziemlich kreativer Immobilienentwickler einen Komplex gestaltet, in dem sich vom Hotel über einen Bauernmarkt bis hin zu Shops, weit abseits der immer gleichen Ketten, eine wirklich interessante Auswahl an Möglichkeiten bietet. Die alte Brauereieinrichtung samt Maschinen ist perfekt in das neue Design integriert. 303 Pearl Parkway, San Antonio. www.atpearl.com

Deli einmal Deutsch

Die Küche des alten Europa ist ja in Texas aufgrund der Auswanderer überall zu finden, von böhmischen Kolatschen ("Kolache") bis zu Strudeln, Bratwurst und politisch nicht ganz korrektem Zigeunerschnitzel. Schilo’s im Zentrum von San Antonio ist eine der kuriosesten Mischungen aus Heurigem, Diner und britischem Pub und hat stilechte Küche der alten Schule und eine noch stilechtere Atmosphäre. 424 E Commerce Street, San Antonio.

Konrad Kramar

Über Konrad Kramar

Erfahrungen, europa- und weltweit, hat Konrad Kramar in seinen Jahren als Auslandsreporter mehr als genug gesammelt. Jetzt berichtet er als Korrespondent für den KURIER aus dem Machtzentrum der EU, aus Brüssel und kann genau dieses Wissen aus seinen Jahren als Reporter bestens einsetzen: egal ob es um Krieg in Nahost, Bauernproteste, oder die Chancen und Gefahren der neuen Gentechnik geht. Eine ganze Handvoll Fremdsprachen - inklusive einem allmählich immer besseren Französisch - ist da durchaus hilfreich Als langjähriger Amerikaexperte hat er die USA von den schwarzen Ghettos in LA bis zu den Villenvierteln in Boston bereist, US-Eliteunis und Armeebasen von innen kennen gelernt: Die USA waren für Auslandsreporter Konrad Kramar immer ein Land, an das er sein Herz verlieren konnte - trotz Antiterrorwahn, Trump und religiöser Fanatiker. Mehr als 20 Jahre war er vor dem für den KURIER unterwegs, vom Iran bis nach Spanien oder Tschechien, begleitet von langjähriger Erfahrung mit Krisen und Katastrophen. Als Buchautor wirft er lieber einen Blick in die heimische, oder auch die europäiche Geschichte, etwa in Büchern wie "Die schrulligen Habsburger", "Mission Michelangelo", oder "Neue Grenzen, offene Rechnungen"

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