Reisetipp: Kulinarische Entdeckungsreise in Siena

Das Dreigestirn von Kunst, Kultur und Küche feiert in der Toskana immer neue Highlights, und besonders Siena entführt seine Besucher in ihre mittelalterlichen Mauern zu einer Entdeckungsreise der kulinarischen Art.

Überblick

Anreise

von Wien nach Florenz, von dort 1 1/2 Std mit dem Zug nach Siena
visittuscany.com/de/orte/siena 
vetrina.toscana.it/en

Alternative Anreise

Die Anreise mit der Bahn dauert mind. 12,5 Std von Wien nach Siena
oebb.at

Mittags in einer kleinen Seitenstraße mitten im Stadtzentrum von Siena: Im Il Pulcino hängen die Jacken lässig über den Sessellehnen. Die Ärmel der blütenweißen Hemden sind hochgekrempelt und der Krawattenknoten gelockert. Wie selbstverständlich steht die Flasche Wein auf dem Tisch und über den Tellern voll Pasta liegt ein angenehmer Klangteppich von Stimmengewirr. Jetzt haben sich die Büros geleert und die Beamten und Angestellten genießen die Mittagspause bei einem frisch zubereiteten Essen abseits der Touristenpfade. „Nein, zur Piazza del Campo gehen wir nicht. Da kann man höchstens mal einen Kaffee trinken. Wir haben hier so unsere Stammlokale. Da sind die Preise noch okay und statt Burger und Pizza gibt es echte toskanische Küche“, sagt Enrico, der mit drei seiner Kollegen zu Mittag isst.

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Wetten, dass er schon morgens – wie die meisten Italiener – sein Frühstück in Form eines Cappuccino oder Espresso mit einem Dolce (einem kleinen, süßen Gebäckstück) in einer der vielen Kaffeebars oder Pasticcerien eingenommen hat. Vielleicht sogar im Caffè Nannini. Der Name ist nicht erst bekannt, seit es die Rocksängerin Gianna Nannini zu weltweitem Ruhm gebracht hat. Den Kaffee, der hier geröstet wird und seine Vollendung als Espresso erfährt, kennt man über die Stadtgrenzen hinaus. 

Gianna Nanninis Großvater Guido entschied sich schon 1943, die Bohnen selbst zu rösten und traditionelle Backwaren der Stadt Siena nach überlieferten Rezepten in seinen Öfen zu backen. Seit 1990 pflegt ihr Bruder Alessandro Nannini die Familientradition und ist nicht minder erfolgreich. Alle Filialen in Siena sind immer gut besucht und erste Adressen für einen ausgezeichneten Espresso, der gleichzeitig würzig und kräftig sowie ausbalanciert und rund ist.

Sienas Legende

Wie kaum eine andere toskanische Stadt konnte Siena ihre mittelalterliche Stadtsilhouette so authentisch erhalten und ihre toskanische Genusstradition dazu. Das zieht Touristen aus aller Welt immer wieder magisch an. Siena, so sagt die Legende, ist auf drei Hügeln zwischen den Flüssen Elsa und Arbia erbaut worden, gegründet von Senio und Ascanio, den Söhnen Remus, am Saum der Chianti-Hügel. Das ist auch der Grund, warum man hier heute immer noch auf Statuen der Wölfin stößt, die einst die mythischen Zwillinge und Rom-Gründer Remus und Romulus säugte.

Top-Position: Siena ist von vier Spitzen-Weinregionen umgeben. Ein Ausflug in die mit Reben überzogenen Hügel ist ein Muss

©mauritius images / Alamy Stock Photos / Dennis Cox/Alamy Stock Photos/Dennis Cox/mauritius images

Aber die knapp 55.000 Einwohner große Stadt gilt nicht nur als eine der schönsten der Toskana, sogar ganz Italiens. Die Piazza del Campo ist mit ihrer Muschelform nicht nur einer der wundervollsten Plätze der Welt, der Dom mit seiner in weißem und dunkelgrünem Marmor verblendeten Fassade einer der prachtvollsten. Siena ist auch ein einziges Paradies für Food- und Weinliebhaber. Immerhin liegt die Schöne eingebettet in großartige Weinanbaugebiete und das ist bekanntermaßen einer ausgereiften Küchenkultur gerade wunderbar zuträglich. „Wir haben hier um Siena herum vier ausgezeichnete Weinregionen“, sagt Flaminia Bosi, die als Stadtführerin Feinschmecker und Weinliebhaber durch Sienas Gourmetparadies und die Weinhochburgen um die Stadt herumführt. Gerade die herzhaften Gerichte, die von regionalen Weinen begleitet werden – vom jungen Rosso di Montalcino bis zum aromenstarken Brunello di Montalcino – stehen für den Genusskosmos in Siena und Umgebung. Selbst einer simplen Bohnensuppe – Zuppa di fagioli – wird hier ein Krönchen aufgesetzt, Crostini mit einer Mousse aus Hühnerleber verfeinert und hausgemachte Tagliatelle, Pici-Nudeln mit Trüffeln der Region oder einer Wildschweinsauce geadelt. 

Highlights der Toskana: Die Besucherschlange vor dem Dom ist lang, doch es lohnt sich das Warten. Der Dom von Siena schlägt alle Erwartungen.

©Getty Images/iStockphoto/Delpixart/iStockphoto

Flaminia Bosi, kurz Flami genannt, kennt sich im Schlaraffenland Toskana bestens aus. Ganz besonders natürlich in ihrer Heimatstadt Siena. Fünf Jahre hat die heute 44-Jährige in Deutschland gelebt, aber natürlich ist sie zurückgekehrt und freut sich jetzt, ihren Gästen die kulinarischen Geheimnisse ihrer Heimat zu offenbaren. Am besten auf einer Feinschmeckertour, die durch die mittelalterlichen Mauern der Stadt führt. „Diese Touren mache ich am liebsten. Da kann ich gleich ein Missverständnis aus dem Weg räumen“, sagt die studierte Dolmetscherin und Übersetzerin: „Viele denken, die typisch toskanischen Gerichte kommen aus Florenz. Das stimmt, aber Siena hat auch eine eigene Genusstradition.“ Dazu zählen vor allem deftige Gerichte. Zum Beispiel die Ribollita – eine Art Brotsuppe mit viel Gemüse wie Federkohl, Wirsing, weiße Bohnen, Karotten, Erdäpfeln und Tomaten. Oder Ossobuco Sieneser Art. „Dafür werden Beinscheiben vom Rind inklusive der Markknochen mit Gemüse wie Sellerie, Karotten, Tomaten sowie Brühe und Rotwein sehr lange auf kleiner Flamme gegart“, weiß Flami, die privat auch sehr gerne am Herd steht.

Botschafterin des guten Geschmacks: Flaminia Bosi führt zu den Topadressen ihrer Heimatstadt und der Umgebung
 

©Brigitte Jurczyk

„Sehr beliebt bei den Sienesen ist auch Blutwurst – Buristo – die mit speziellen Gewürzen verfeinert wird. Oder Crostini mit Milz und Leber. Wir haben übrigens unsere eigene Salami und Schinken vom Gürtelschwein. Maiale di Cinta Senese heißen die Tiere bei uns. Die leben das ganze Jahr unter freiem Himmel und ernähren sich nur von dem, was Wald und Wiesen hergeben.“ Und für alles Süße haben die Sienesen  – so nennen sich die Einwohner von Siena – natürlich auch ein Faible. Besonders schlägt ihr Herz für Panforte und Riccarelli; beides eigentlich mal typisches Feiertagsgebäck, besonders für Weihnachten, das man aber heute das ganze Jahr über genießt. „Panforte besteht aus Mandeln, Honig, kandierten Früchten und vielen Gewürzen“, erklärt Flami. Die dick mit Staubzucker bestreuten Kekse aus geriebenen Mandeln und Eiweiß – Ricciarelli – kamen laut Legende erst nach dem Ende der Kreuzzüge aus dem Orient nach Siena. Wer diese süßen Träume in Siena am besten entstehen lässt? Nannini, La Nuova Pasticceria und die La Fabbrica del Panforte.

Schon an den köstlichen Vorspeisen lässt sich die hohe Qualität der Sieneser Küche ablesen

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Gesamtkunstwerk Siena

Auf den kulinarischen Streifzügen durch ihre Heimatstadt besucht Flami Bosi mit ihren Gästen Produzenten, Restaurants und Caffès, bei denen man die kulinarischen Highlights natürlich auch gleich probieren kann. Oder geht die Zutaten einkaufen wie zum Beispiel auf dem Biomarkt in der Viale Cesare Maccari oder in der wundervollen Antica Drogheria Manganelli – einem historischen Lebensmittelladen mit toller Auswahl an Sieneser Produkten. Wer will, schreitet anschließend gleich zur Tat und lernt in der Kochschule FonteGiusta Academy, wie man einige der typischen Gerichte nachkocht. 

Am Piazza del Campo geht es entspannt zu. Er ist Zentrum der Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Hier findet auch das berühmte Pferderennen Palio di Siena statt 
 

©Getty Images/Photo Beto/istockphoto

„Siena ist einfach ein Gesamtkunstwerk“, schwärmt Flami. „Ein wunderbarer Mix aus mittelalterlichen Prachtbauten, Pferderennen auf der imposanten von Patrizier-Häusern gerahmten Piazza del Campo, klebrig-süßem Panforte und Pici-Pasta mit Wildschweinsauce. Aus kleinen engen Gassen, gotischen Kirchen und Museen voller Kunst.“ Aber manchmal muss man raus aus der Stadt. Und hat dann die große Auswahl. „Gern zeige ich meinen Gästen bei einem Ausflug das berühmte Weinanbaugebiet Chianti. Und natürlich darf dann ein Abstecher zum Castello di Brolio nicht fehlen! Das Schloss ist nämlich der Geburtsort des Chianti Classico“, verrät Sienas Botschafterin des guten Geschmacks. Der Geburtsort des Chianti Classico? „Ja, weil der Baron Ricasoli, dessen Nachfahren jetzt das imposante Schloss führen, nämlich Mitte des 19. Jahrhunderts die Mischung der Trauben festlegte, die für den Chianti benutzt werden.“ 

Dass man im Schloss um eine Weinprobe nicht herumkommt, versteht sich da von selbst!

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