Schnitzeljagd mit dem Meister der Moderne in Pilsen

Wer sich für Adolf Loos interessiert, findet in der westböhmischen Stadt Bauten mit wechselhafter Geschichte.

In Wien, wo ja sogar der Weltuntergang angeblich später eintrifft, hat man Jahrzehnte gebraucht, bis man sich an die umstrittene Fassade des Loos-Hauses auf dem Michaelerplatz gewöhnt hatte. Lange wurde es als „Haus ohne Augenbrauen“ verspottet, das Kaiser Franz Joseph derart missfiel, dass er einige Fenster der Hofburg vernageln ließ, um die „unanständige Nacktheit“ nicht sehen zu müssen.

Es waren nicht nur der altmodische Wiener Kunstgeschmack, sondern auch einige andere Skandale, die dafür sorgten, dass Adolf Loos Österreich den Rücken kehrte. Wer sich für das Spätwerk des Meisters der Moderne interessiert, kann sich deshalb auf eine Entdeckungsreise nach Tschechien begeben, von wo Loos ja ursprünglich stammte.

Aufgeschlossen

In Pilsen, der Industriestadt in Westböhmen, die in den 1920ern goldene Zeiten erlebte, fand der Exzentriker aufgeschlossene und zahlungskräftige Kundschaft für seine letzten großen Projekte. Auch seine dritte Ehefrau, die 35 Jahre jüngere Fotografin Claire, stammte aus Pilsen. Zehn Objekte – teils Wohnungen, teils Villen – hat Loos in Pilsen gestaltet.

Wohnung von Adolf Loos entworfen

©Konrad kramar

Die Kommunisten, die bis 1989 in der Tschechoslowakei herrschten, hatten für klassische Moderne, vor allem wenn sie im Auftrag von reichen Unternehmern entstanden war, wenig Sinn. Ungeachtet entsetzter Zwischenrufe von Experten, dass hier ein Stück Architekturgeschichte dem Verfall preisgegeben werde: Eine von Loos entworfene Wohnung wurde zum Amt umfunktioniert, eine andere wurde im Stil der 1960er umgebaut. Böden und Einbaumöbel wurden herausgerissen, andere von Loos persönlich gestaltete Einzelstücke landeten im Müll.

"Knieschwimmer"

Seit fünfzehn Jahren sind Experten in Pilsen nun mit der Wiederherstellung der Loos-Bauten beschäftigt. Akribisch wurde der Originalzustand bis in die kleinsten Details, die Loos ja besonders wichtig waren, wieder hergestellt. Von der raffinierten, von einem Zugabteil inspirierten Garderobe, über einen Müllschlucker, bis zu Loos’ berühmtem Sitzmöbel, dem „Knieschwimmer“, steht alles wieder genau an dem Platz, an dem es der Meister selbst hingestellt hat. Sechs Objekte sind jetzt im Rahmen von Führungen zu besichtigen. Drei verschiedene Führungen werden angeboten (adolfloospilsen.cz).

Adolf Loos

©Wikimedia Commons/Otto Mayer

Brenn- und Höhepunkt dieser Touren auf den Spuren von Adolf Loos ist die Semler-Residenz. Dieses, sein letztes Werk, das erst von seinem Schüler und Kollegen Heinrich Kulka fertiggestellt wurde, ist zu einem Architekturzentrum ausgebaut worden, in dem auch Ausstellungen und Diskussionen stattfinden.

Nicht ganz so opulent, aber dafür umso abenteuerlicher ist die Führung in der Wohnung der Familie Vogl, für die man sich auch heute noch durch ein Amt durchschlagen muss. Nur, dass die Beamten wohl deutlich freundlicher sind und mehr Sinn für Kunstbegeisterte haben als zu Zeiten des Kommunismus.

Top 3-Tipps

Trinken:  Wer nach Pilsen fährt, sollte auf eine Besichtigung der legendären Brauerei in Pilsen nicht verzichten (pilsen.eu)
Wohnen:  Das Vienna-House ist ein futuristisches Design-Hotel mit allem Komfort in der City (viennahouse.com)
Verkosten: Bei einem Spaziergang durch die Altstadt kommt man einfach an den Konditoreien und ihren Mehlspeisen nicht vorbei. Ganz klassisch etwa das Café Fellini direkt am Hauptplatz

Konrad Kramar

Über Konrad Kramar

Erfahrungen, europa- und weltweit, hat Konrad Kramar in seinen Jahren als Auslandsreporter mehr als genug gesammelt. Jetzt berichtet er als Korrespondent für den KURIER aus dem Machtzentrum der EU, aus Brüssel und kann genau dieses Wissen aus seinen Jahren als Reporter bestens einsetzen: egal ob es um Krieg in Nahost, Bauernproteste, oder die Chancen und Gefahren der neuen Gentechnik geht. Eine ganze Handvoll Fremdsprachen - inklusive einem allmählich immer besseren Französisch - ist da durchaus hilfreich Als langjähriger Amerikaexperte hat er die USA von den schwarzen Ghettos in LA bis zu den Villenvierteln in Boston bereist, US-Eliteunis und Armeebasen von innen kennen gelernt: Die USA waren für Auslandsreporter Konrad Kramar immer ein Land, an das er sein Herz verlieren konnte - trotz Antiterrorwahn, Trump und religiöser Fanatiker. Mehr als 20 Jahre war er vor dem für den KURIER unterwegs, vom Iran bis nach Spanien oder Tschechien, begleitet von langjähriger Erfahrung mit Krisen und Katastrophen. Als Buchautor wirft er lieber einen Blick in die heimische, oder auch die europäiche Geschichte, etwa in Büchern wie "Die schrulligen Habsburger", "Mission Michelangelo", oder "Neue Grenzen, offene Rechnungen"

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