Lanzarote: Eintauchen in die surrealen Farben der Feuerinsel

Die Kanarische Insel lockt mit unwirklichen Farbtönen und beeindruckendem Naturschauspiel: Doch das vielleicht Beeindruckendste ist die Unberührtheit.

Überblick

Anreise

Der Direktflug Wien-Arrecife mit Ryan Air dauert ca. fünf Stunden. Wer über den Wasserweg anreisen möchte muss zuerst mit dem Zug nach Cadiz in Spanien (36 Stunden Fahrtzeit); von dort fährt einmal wöchentlich eine Fähre nach Lanzarote (27 Stunden Fahrtzeit)

Sehenswürdigkeiten

Nationalpark Timanfaya:  200 km ²Vulkanlandschaft erkundbar zu Fuß oder auf Dromedaren.

Cueva de los Verdes: Ein Tunnelsystem, das vor 22.000 Jahren durch einen Lavafluss geschaffen wurde. 

Fondación César Manrique:  Das surreale, hippe Wohnhaus des Universalkünstlers César Manrique.

Restauranttipps

El Diablo:  Restaurant im Nationalpark Timanfaya, das mit Vulkanhitze grillt.

La Cocina de Colacho: Feine, kreative Küche in edlem Design.

Bodegas Rubicon: Kanarische Tapas am Weingut Rubicon.

Unterbringung

Luxuriös Lani’s Suites De Luxe: Elegante Einrichtung und eindrucksvoller Blick auf den Atlantik.

Bobo Chic Finca de Arrieta : nachhaltiger Rückzugsort inmitten einer Vulkanlandschaft.

Familienfreundlich Gran Castillo Tagoro: vielseitiges Resort mit Poollandschaft

 

"Aufpassen", rät uns die Reiseleiterin, "hier geht es steil hinunter". Behutsam steigen wir also über den unebenen Boden der Höhle. Das Loch neben uns ist so tief, dass man den Boden nicht ausmachen kann. Sie nimmt einen Stein, um zu demonstrieren, wie lange es dauert, bis er am Boden ankommt; wir sollen genau hinsehen. Sie holt aus. Doch der Kieselstein landet – platsch! – bereits nach einer Millisekunde im Wasser.

Vor uns ist nämlich gar keine Schlucht, sondern eine optische Täuschung. Ein derart ruhiger, dunkler Höhlensee, dessen klare Oberfläche bloß wie ein tiefes Loch aussieht. Eine Besonderheit des vulkanischen Gesteins, der das Licht besonders gut schluckt, in diesem Tunnelsystem Cueva de los Verdes, das vor rund 4.000 Jahren durch einen Lavafluss gebildet wurde. Beeindruckend.

Doch es ist generell ein Urlaub des Staunens auf Lanzarote, der östlichsten der acht Kanarischen Inseln 125 Kilometer vor der Nordküste Afrikas. Denn sie ist großteils mit erstarrter Lava bedeckt, die rund 100 Vulkane vor 300 Jahren ausgespien haben und liefert dadurch eine Aneinanderkettung von Naturschauspielen.

„Bereit?“, fragt der Guide tags darauf im Timanfaya Nationalpark im Westen der Insel, und all jene, die bis dato ihre Handys noch nicht gezückt hatten, tun es nun. Dann kippt er einen Kübel Wasser in ein schmales Erdloch, wartet eine Sekunde und – pffft! – schießt das Wasser als Fontäne mit einem Knall in die Höhe, der einen erschrocken zusammenzucken lässt. Es ist die Reaktion des kalten Wassers auf das heiße Magna. Timanfaya ist zuletzt zwar vor 200 Jahren ausgebrochen, erzeugt aber weiterhin eine derartige Hitze, dass es einem Guide in der nächsten Mulde gelingt, ein Bündel Heu zum Brennen zu bringen.

Kochen mit Vulkanhitze

Im dazugehörigen "El Diablo" Restaurant können wir im Anschluss des Rundgangs auf der Anhöhe nicht nur die Aussicht über die surreal karge Vulkanlandschaft durch die hohen Glaswände studieren, sondern bekommen Huhn serviert, das mit Vulkanhitze gebraten wurde. Das Fleisch wird auf einem Eisenrost über einer Basaltgrube gegrillt, in der Temperaturen von 400 Grad herrschen.

©Anna-Maria Bauer

Doch die Vulkanlandschaft Lanzarotes fasziniert nicht nur mit Feuerspielen: Schon auf der ersten Autofahrt nach der Ankunft am Flughafen Arrecife zum Quartier am südlichen Playa Blanca konnte man sich an den Farben kaum sattsehen: Die weißgewaschenen, quadratischen Häuser mit den blauen oder grünen Fensterläden kontrastieren mit dem Schwarz der Vulkanerde, dem intensiven Grün der Kakteen oder dem tiefen Blau des Atlantik.

Lanzarote

©Getty Images/iStockphoto/Juergen Sack/iStockphoto

Nach dem Besuch im Nationalpark parken wir das Auto im Fischerdorf "El Golfo". Die kleinen, trockenen Lavasteinchen knirschen unter den Sportschuhen, als wir einen kleinen Hügel emporsteigen. Wie auch an allen darauffolgenden Tagen der Reise strahlt die Sonne angenehm warm von einem nahezu wolkenlosen Himmel.

Insel des Sports

Sonne, Wind und rote Erde: Durch die Lage der Insel nahe dem Äquator findet man hier auf Lanzarote selbst um die Weihnachtsfeiertage konstante Temperaturen um die 20 Grad. Dazu weht erfrischender Wind, der die Insel interessant für Sportler macht. Radfahrer kommen gern in den Wintermonaten, wenn es in Europa noch zu kalt für ausgiebige Touren ist; Wanderfans erklimmen vom Strandort Famara den Peñas del Chache; er ist mit 670 Metern die höchste Erhebung Lanzarotes.

 

Lanzarote - die Karte

©Grafik

Wir spazieren weiter, die Erde ist nun Rot, was dem Eisen im Lavastein geschuldet ist. Am Hügelkamm angekommen, fällt der Blick auf ein Band schwarzen Lavastrands, das zwischen einem aquamarin-farbenen Atlantik und einem kleinen See liegt, der in Smaragdgrün schimmert: Lago Verde, die grüne Lagune.

Lanzarote

©Getty Images/Sybille Reuter/istockphoto

Es ist eine Insel der anderen Farben. Im Fall des grünen Sees entsteht diese durch die hohe Konzentration der Meeres-Salde, einer salztoleranten Süßwasserpflanze. Und dann gibt es noch einen weiteren ungewöhnlichen Aspekt auf Lanzarote. Die Gebäude, stellt man mit jeder weiteren Fahrt fest, sind auf der gesamten Insel fast surreal harmonisch, wohltuend eingebettet in die Natur.

Dazu fällt auf, dass es kaum Ampeln gibt, stattdessen unzählige Kreisverkehre. Auch Werbeplakate sind nirgends zu sehen. Und Hochhäuser schon gar nicht. Über drei Stockwerke geht es nicht hinaus. Das kam jedoch nicht von alleine.

Der Mann, der eine Insel hinterließ

Die meisten Künstler hinterlassen Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen, mitunter eine Kunstrichtung. Man denke an Andy Warhol und die Pop-Art-Bewegung. Doch ein spanischer Universalkünstler, der die 1960er ebenso wie Warhol in New York verbrachte, schuf ein Vermächtnis der anderen Art: die Vision einer Insel.

©Shutterstock / Pawel Kazmierczak/Pawel Kazmierczak/Shutterstock.com

Als César Manrique 1966 im Alter von 47 Jahren und nach Ausstellungen in 28 Städten an seinen Heimatort Arrecife zurückkehrte, wollte er nicht nur eine Künstler-Kommune schaffen, sondern ein Gesamtkunstwerk. Ihm war klar, dass es auf dieser Insel „Landschaften gibt, die nicht normal sind“, und so setzte er sich daran, diese zu schützen. Er baute Beziehungen zum Chef der Inselregierung auf, der ein Freund aus Kindertagen war. Er ging in Dörfer und sprach mit Bauern darüber, wie wunderschön ihre Häuser waren und dass sie nicht verfallen dürften.

➤ Hier mehr lesen: Loire: Sightseeing-Tipps, Hotels und Restaurants

Naturschutzgebiet

Naturverbunden 1993 – ein Jahr nachdem Manrique bei einem Autounfall tödlich verunglückt war – erklärte die UNESCO die gesamte Insel zum Biosphärenreservat. Damit war sie zwar nicht die erste Kanarische Insel, in der ein Reservat ausgerufen wurde, doch die einzige, bei der sich das Schutzgebiet über das komplette Eiland erstreckte.

Trotz des strengen Naturschutzes war Manrique dem Tourismus gegenüber nicht abgeneigt – es sollte bloß der richtige sein: nachhaltig, langsam, qualitätvoll. Dafür hat er unterschiedliche Attraktionen selbst gestaltet. Den Aussichtspunkt El Mirador del Río im Norden der Insel etwa, dessen gläserne Konstruktion derart subtil in die Klippen gebaut wurde, dass man sie erst erkennt, wenn man direkt davor steht.

©Getty Images/fotoember/istockphoto

Von hier hat man den Überblick über die kleine Insel La Graciosa, die 2018 als achte Kanarische Insel aufgenommen wurde und von Lanzarote mittels kurzer Fährfahrt erreichbar ist: Mit nur 700 Einwohnern findet man hier entlegene Ruhe, keine asphaltierten Straßen, dafür weite Küsten, bei deren Erkundung man sich so aufheizt, dass der Atlantik gerade die richtige Abkühlung bietet.

Zwanzig Autominuten südlich von El Mirador del Río befindet sich Manriques letztes Werk: El Jardin de Cactus, ein Kakteengarten mit 4.500 verschiedenen Pflanzen, etwa die acht Meter hohe Kaktus-Skulptur am Eingang oder die riesigen runden Kakteen, mit dem wenig schmeichelhaften Namen "Asiento de Suegra" (dt. „Sitz der Schwiegermutter“).

➤ Hier mehr lesen: Best of Bella Italia: Die schönsten Reiseziele in Italien

Ein Haus in erstarrter Lava

Noch ein wenig weiter südlich in der Ortschaft Tahíche sah Manrique ein paar Jahre nach seiner Rückkehr die emporgestreckten Zweige eines Feigenbaums inmitten eines unwirtlichen Lavafelds. Er bat den Taxifahrer anzuhalten und erkannte, dass der Feigenbaum aus einer vulkanischen Höhle wuchs. Sie hatte sich durch eine Gasblase in der Lava gebildet. Manrique entdeckte noch vier weitere Blasen – und war begeistert. Was für ein Fund! Der Landbesitzer schüttelte darüber den Kopf und weigerte sich, Geld für den Verkauf des Grundstücks anzunehmen. Er gab Manrique das Land gratis, da es dem Besitzer wertlos erschien.

Heute ist das ehemalige Wohnhaus von César Manrique eines der begehrtesten Touristenattraktionen des Landes. Gleich im ersten Zimmer wird der Blick von einer schwarzen Lavamasse gefangen, die durch das Fenster schwappt und als erstarrte Welle vom Fensterbrett hängt. Auf der Vulkanerde wachsen grüne Kakteen; dazu strahlt das Weiß der Wände im Kontrast. Ein natürlich gerahmtes Naturspektakel, das Manriques Zitat heraufbeschwört: "Das beste Gemälde", sagte er einst, "ist die Natur."

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

Kommentare