Im Oktober steigt die „Barcolana“, die größte Segel-Regatta der Welt. Tausende Dreiecke machen den Golf von Triest zu einem weißblauen Fleckerlteppich

Triest: auf ein wunderbares Wochenende am Meer

Triest, die alte Hafenstadt an der Adria, blüht, gedeiht und wird vor allem von Österreichern innig geliebt.

Überblick

Fläche

ca. 84 km²

Einwohner

ca. 203.250

Lage

Nordosten Italiens

Beste Reisezeit

April bis September

Von Klaus Puchleitner

Immer Mitte Oktober verstellen eine ganze Woche lang gut zweitausend kleine, weiße Dreiecke den Blick oben vom Karst hinunter auf den blauen Feinripp des Golfs von Triest. Sie durchpflügen die Adria in wildem Durcheinander und folgen keiner Ordnung, die sich Betrachtern erschließen würde. Die Segelregatta „Barcolana“, die größte der Welt, versetzt Triest nämlich jeden Herbst in Aufruhr. Wie Sardinenschwärme irrlichtern während dieser Barcolana-Woche draußen am Meer die Boote durchs Wasser – und am Land die Fans durch die Straßen der Stadt. Triest, die nördlichste Hafenstadt des Mittelmeeres, diese ganz besondere Mischung aus altem Österreich und neuem Italien, ist dann Opera Grande.

Eigentlich ist Triest aber gar nicht so – nicht dieses wilde Wirrwarr, in das die Barcolana die Stadt einmal pro Jahr taucht. Eigentlich ist Triest viel eher eine stille Schönheit, eine leise, zarte Mischung aus Poesie und Italianità, mit einem Hauch Österreich. Triest ist ein sanft, aber mit Verve vorgetragener Vers, ein Wind, der ebenso hauchen wie stürmen kann. Und ein Schmelztiegel von allen und allem. An die 90 Ethnien leben in der Stadt, meist freundlich und friedlich miteinander verbunden, und mischen sich zu einer kaleidoskophaften Pluralität. Einfacher gesagt: Triest ist wunderbar.

Ich packe in meinen Koffer ...

… den jüngsten Heinichen-Krimi „Borderless“, der auch in Triest spielt. Oder einen der anderen Heinichen-Krimis, denn Schauplatz ist immer Triest.

… Notizbuch und Füllfeder – denn in Triest, der Stadt der Schreiber, kann man gar nicht anders als schreiben. Es gibt unzählige Geschichten zu beobachten und weiterzuerzählen. 

… Badehose und Windjacke. Mit ein wenig  Glück kann man bis Ende Oktober ins Meer springen. Aber wenn die Bora Nera einfällt, braucht man schon im Herbst warme Kleidung.

Wir Österreicher lieben diese Stadt offensichtlich. Wienerisches Idiom oder steirischer Dialekt sind auf der Piazza Unità, entlang des Canal Grande oder am Molo Audace, den Flaniermeilen Triests, nichts Ungewöhnliches. Kein Wunder, kommen Österreicher doch quasi nach Hause, wenn sie nach Triest kommen. Die alte K&K-Stadt an der Adria war früher wichtigster Handelsvorposten der Monarchie zum Süden hin. Diesen Charme von damals gibt es immer noch. Andererseits ist das Triest von heute natürlich aber vor allem Italien, also auch aufgeregt, chaotisch, ab und zu sogar ein wenig hyperventilierend. Diese katalysatorische Mischung aus alter Monarchie und moderner Extravaganza ist es, die die Stadt so besonders macht.

Stadt der Schreiber

Einer, der über Triest erschöpfend zu erzählen weiß, ist weder Österreicher noch Italiener: Veit Heinichen, deutscher Krimiautor, hat sich vor Jahren hier angesiedelt und wurde rasch zu einer Art Stadtschreiber. Seine Krimis sind weniger Storys über Verbrechen, sondern mehr Reiseführer durch die Stadt, auch Zeitzeugen politischer und sozialer Strömungen. Das Hotel Riviera & Maximilian’s, nahe Heinichens Villa betörend schön am Abbruch des Karsts im Vorörtchen Grignano gelegen, bietet seinen Gästen inzwischen sogar Touren zu den Krimi-Schauplätzen in der Stadt an – derzeit etwa zum jüngsten Heinichen-Krimi „Borderless“.

Schreibende Menschen wurden von Triest immer schon angezogen, da ist Heinichen nicht der erste. Wie in der modernen Zeit die Barcolana-Segler, so kamen früher Literaten von überall hierher. Rilke schrieb im nahen Duino seine Elegien, James Joyce begann in Triest die Arbeit am Roman-Ungetüm „Ulysses“. Goethe war da, Casanova zeitweise auch, dazu Italo Svevo, Umberto Saba und viele andere. „Man kann in Triest gar nicht nicht schreiben“, versichert Heinichen.

So lieblich die Stadt Literaten immer schon erschienen sein mag, Triest ist doch eine echte Stadt der Winde und kann sehr wohl auch anders. Zwar sind die Sommer warm, wenn aber im Herbst und Winter der eiskalte Fallwind Bora Nera vom Karst herunter fegt, wandelt sich das sanfte Triest schlagartig. Auch wenn der warme Scirocco vom Meer her umrührt, kann die weiche Stimmung schnell umschlagen. Doch das hat ebenfalls seinen Reiz: Beinahe auf morbide Weise schön kann es zum Beispiel sein, wenn die Masten der Segelboote im Yachthafen aus dem grauen Meer hinauf in den noch graueren Himmel stechen.

Trist in Triest hatte es seinerzeit auch Österreichs berühmtester Ortsansässiger, Erzherzog Maximilian, der sich im 19. Jahrhundert das weiße Märchenschlösschen Miramare ans Kap von Grignano bauen ließ: Genießen konnten er und seine Frau Charlotte es nach der Fertigstellung nämlich nicht, weil Maximilian bald darauf in Mexiko erschossen wurde. Miramare mitsamt dem Park ist heute aber fixer Sightseeing-Programmpunkt von Triest-Besuchern.

Das gute Leben

Insgesamt ist Triest jedenfalls eine Stadt der Lebensfreude, selbst wenn diese manchmal verhalten daher kommen mag. Alex Benvenuti, lokaler Hotelier, der schon in sieben verschiedenen Städten zu Hause war, sagt: „Nirgendwo kann man so gut leben wie hier.“ Allein die Küche – ein Konglomerat aus Meer und Land, aus slawischen, ungarischen, italienischen und österreichischen Einflüssen.

Mit Restaurantbesitzerin Ami Scabar hat Stadtschreiber Heinichen ein Triestiner Kochbuch verfasst, das die lokale Diversität gut festhält. Von Fisch bis Strudel, Triest kann alles. Die empfehlenswertesten Lokale sind fast immer die kleinsten und finden sich oft versteckt in den Gässchen der Cavana – der Altstadt zwischen Meer und Colle di San Giusto. Michelinstern-prämierte Haute Cuisine gibt es hingegen im „Harry’s Piccolo“ an der pompösen Piazza Unità. Auch ein guter Tipp: Hinauf auf den Karst und, ausgehend vom Obelisk von Opicina, eine Tour durch die vielen Osmize starten. Rund acht Wochen, meist im Herbst, dürfen diese lokalen Heurigen ausgesteckt haben.

Mit der Renovierung alter Viertel wurde in Triest vor Jahren ein immenser Boom eingeleitet. Keine italienische Stadt prosperiert im Augenblick stärker. Das großzügige Borgo Teresiano um den Canal Grande ist inzwischen ein Bar- und Shopping-Hotspot, während in der verwinkelten Cavana immer mehr kleine Boutiquen und Läden öffnen.

Alles brummt. Auch Hotelier Benvenuti wird sein kleines und vor allem von österreichischen Gästen schon bisher heiß geliebtes Hotel Riviera & Maximilian’s demnächst in Richtung fünf Sterne ausbauen. Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft zieht es in die Stadt – und auch immer mehr Österreicher, die sich um Zweitwohnsitze umschauen. Wenn der alte Freihafen, der Porto Vecchio, irgendwann fertig renoviert ist, entstehen dort Tausende neue Wohnungen, dazu Büros und Geschäfte direkt am Meer – ein neuer Stadtteil.

Vielleicht wird ja sogar auch die alte, blaue Straßenbahn wieder restauriert, die bis vor wenigen Jahren noch von der Piazza Oberdan hinauf auf den Karst nach Opicina fuhr, und die von Triestinern und Touristen gleichermaßen gemocht wurde. Die Schienen sind noch verlegt, doch die alten Waggons bräuchten eine Frischzellenkur. Einheimische und Besucher wüssten es sicher wieder zu schätzen, wenn die Triestiner wilden Winde, die kalten wie die warmen, nicht nur die Segelboote unten im Golf antreiben, sondern auch wieder durch die zugigen Waggons der Tram pfeifen, die zu den ältesten Europas gehörte, solange sie fuhr. Das würde zweifellos gut zur traditionsreichen, zärtlichen, aber eben doch immer auch ein wenig stürmischen Poesie der Stadt passen.

Morgen in der Sonntagsbeilage "Reise Genuss“: Lokalaugenschein von der ersten Kreuzfahrt, die nun wieder in Triest ablegt – unter extremen Sicherheitsvorkehrungen.

©Katjana Lacatena / carolineseidler.com

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