Mühlviertel

Speck, Wasser und Weite machen das Mühlviertel zum Kraftort

Hügel, Wälder, mystische Plätze. Das Mühlviertel in Oberösterreich ist perfekt für alle, die ausschalten wollen. Dazu ist es ein Ort gepflegter Kulinarik. Nette Sehenswürdigkeiten gibt es auch.

Infos

Anreise mit dem Auto

Von Wien rund 3 Std. ins Obere Mühlviertel (A1 und A7 bis Linz, dann Bundesstraßen), ins untere Mühlviertel  – etwa Grein – ca. 2 Std. (A1-Abfahrt Ybbs).

Öffentliche Anreise

Ab Linz HBF Richtung Freistadt mit der Summerauer Bahn.
Ansonsten mit dem Bus weiter.

Wer mit der Welt am Ende ist, sollte ans Ende der Welt. Das ist stets der Anfang der Erholung. Es muss gar nicht allzu weit weg sein. In dem Fall reicht das Mühlviertel, im Norden Oberösterreichs – nicht weit von Linz entfernt.

Hier gibt es wenig. Wobei ganz so stimmt es nicht. Hier gibt es viel Ruhe und Gegend, wo man das Weite suchen kann: Hochebenen und überraschend hohe Hügel, die von großen Wäldern und Wiesen bedeckt sind. Von ihnen sieht man weit ins Land hinein, bis ins Gebirge, nach Bayern oder ins benachbarte Tschechien. Wo früher der Todesstreifen Europa trennte, lebt die Flora und Fauna auf – eine Landschaft, ideal für Aktivitäten im Freien.

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Und ein wenig ist es auch mystisch. Findlinge und große Bauernhöfe aus Granit prägen die Region – jede Person hier kann mindestens eine Handvoll Kraftplätze nennen.

Einer, der ganz viele Kraftplätze weiß und sich auch sonst in der Gegend auskennt, ist Peter Haudum. Um ihn zu treffen, empfiehlt sich ein Besuch im gleichnamigen Wirtshaus in Helfenberg, das nun dessen Sohn führt. Die Gaststube ist so, wie eine bodenständige Gaststube am Land aussehen soll. Holzvertäfelt, alte Fotos, auch zu Mittag voll mit Menschen und Dunst der aufgetischten Traditionsgerichte. Die Blunzn wurde in Frankreich mehrmals ausgezeichnet.

Was ihr noch in der Geschichte lest:

  • Das sind tolle Kraftorte
  • Dieses Hotel lockt anspruchsvolle Paare an
  • Hier isst und trinkt man gut
  • Diese Sehenswürdigkeiten gibt es

Vogelscheuchen, Burgen, "Heiliges Wasser"

Damit die gute Stube immer voll ist, ließ sich der Senior-Wirt, dessen Aussehen perfekt mit seinem Wirken harmoniert, stets Neues einfallen. So rief er einmal einen fünf Kilometer langen Schaukelwanderweg ins Leben, um Gäste zu ihm ins Obere Mühlviertel zu locken. In Sicht- und Gehweite von Kindern war stets eine spektakuläre Schaukel aufgestellt. Und auch einen Vogelscheuchenweg mit 150 Schreckensgestalten initiierte er. Ein voller Erfolg.

Aber zu viel des Guten. Anrainer missfiel, dass an Wochenenden Tausende Menschen an ihren Häusern vorbeimarschierten. „Den Schaukelweg mussten wir nach fünf Jahren wieder einstellen.“ Zu viele Menschen, zu viel Lärm, zu viel Müll und gestohlenes Obst von den Bäumen. Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der aus Helfenberg stammt und hier wie einige andere gerne Tarock spielt, habe einmal gesagt: „Wenn du einen Todfeind hast, sag es dem Haudum, der soll am Haus vorbei einen Wanderweg machen.“ Später habe er ein Big Brother für Ferkel gestartet. „Das kannst noch googeln.“

Peter Haudum mit seinen Kindern in der Gaststube des Wirtshauses in Helfenberg.

©Gasthof Haudum

Aber genug erzählt, der „Haudum Beda“ will den Gästen die Gegend zeigen. Er kennt und grüßt alle vom Lenkrad seines E-Autos aus. Er erzählt von den vielen Burgen in der Gegend, die miteinander unterirdisch verbunden sein sollen und fährt zur Burg Piberstein. Er zeigt, bis in welche Höhen es der Biber schon geschafft hat oder wo er seinen Speck vier Wochen lang surt und lagert, bevor ihn der „Speck Lois“ im Wirtshaus mehrere Wochen lang räuchert und die unterschiedlichen Kreationen in der Speckwerkstatt verkauft werden.

Viele Steine, viele Kraftplätze und viel Landschaft gibt es im Mühlviertel.

©Oberösterreich Tourismus/Patrick Langwallner

Und natürlich zeigt er einen Kraftplatz – einen Ort, an dem schon eine keltische Kultstätte angesiedelt war und heute an einer Lichtung die aus Granit gebaute Waldkapelle Maria Rast steht. In der Nähe gibt es mit dem „Heiligen Wasser“ eine Quelle, der Heilkräfte nachgesagt werden. Auf jeden Fall gilt das Mühlviertler Wasser als gesund. Es ist eisenhaltig und weich – damit gut für die Haut. Zum Kirchlein geht von Helfenberg ein Wanderweg weg, den – natürlich – Haudum initiiert hat. Der führt auf einer Brücke über die Steinerne Mühl. Hier innehalten, wenn das Wasser über die unzähligen bemoosten Steine hinabfließt. Das kann was. Das erzeugt eine innere Ruhe.

Hotel-Pionier Bergergut

In der Nähe stehen relativ große Hotels, die sich genau auf jene spezialisiert haben, die einfach nur ausspannen wollen – sie müssen nicht einmal mit der Welt am Ende sein. Eines der ersten Häuser, das Menschen hierher gelockt hat, war das schlossähnliche Bergergut, das im wohlklingenden Ort Afiesl auf einer Anhöhe steht. Seit den Neunzigern hat sich der ursprünglich als Sommerfrische-Unterkunft eröffnete Betrieb ganz der Romantik nur für Erwachsene verschrieben. „Meine Eltern haben bemerkt, sie können nicht mit der Tiroler oder Salzburger Hotellerie mithalten“, erzählt Chefin Eva-Maria Pürmayer. Also suchte man den Erfolg in der Nische. Mitunter mit ungewöhnlichen Mitteln – Zimmer mit Himmelbetten wurden eingerichtet. Ganz nach dem Motto: Urlaub für Paare im siebenten Himmel. „Das war sehr verkitscht – damals gab es eine Disney-Hochzeit.“

Kurz darauf folgten die berühmt-berüchtigten Höllen- und Teufelssuiten. Die sorgten gar dafür, dass Religionslehrerinnen ihren Schülern empört von derlei Ungeheuerlichkeiten erzählten. Und: „Oma und Opa sind ein paar Wochen nicht in die Kirche gegangen“, sagt Pürmayer. Der Erfolg war teuflisch, die Auslastung lag bei 97 Prozent: „Wir wurden sogar Fallbeispiel in Lehrbüchern.“

Als Pürmayer übernahm und ihr Partner, der Zweihaubenkoch Thomas Hofer, dazustieß, kamen die speziellen Themenzimmer weg, mehr Holz hinein. Die Zielgruppe der Paare blieb. Seitdem setzt das Bergergut auf Kulinarik und Genuss – „da zählt für mich auch ein Waldspaziergang oder eine Massage dazu“. Das Spa spielt sämtliche Stückerln, die sich anspruchsvolle Gäste erwarten. Beim allabendlichen Dinner sehen die Gäste durch Panoramagläser auf die Hügellandschaft. Thomas Hofers mehrgängiges Menü ist reichhaltig.

Dazu schickt der Küchenchef, der im Steirereck oder Taubenkobel gelernt hat, viele Küchengrüße. Sein Credo: „Mühlviertel mit Blick auf die Welt“. Da darf es auch schon einmal eine Rahmsuppe mit Twist sein. Kreationen wie eine Saiblingssuppe mit Blunzenbuchteln sind herausragend, das Brot kommt aus dem eigenen Backhaus.

Eva-Maria Pürmayer und Thomas Hofer in ihrem Hotel Bergergut in Afiesl.

©genießerhotel bergergut

Generell ist das Mühlviertel ein Hort der gepflegten Kulinarik. Der Mühltalhof, wo Philip Rachinger im „Ois“ kocht, ist eines der besten Restaurants Oberösterreichs. Sein Küchenvorgänger und Vater Helmut setzt im „Fernruf 7“ auf Puristik. Karte gibt es keine, Preise sind klein, der Brotbackofen ist täglich heiß. Wirtshäuser sind vergleichsweise billig – viele setzen stark auf Regionalität. Der renommierte Whisky-, Gin- und Rumproduzent Affenzeller ist ebenfalls aus dem Mühlviertel. Dazu ist die Region Bierland durch und durch. Auch wenn seit einiger Zeit wegen des Klimawandels wieder Wein angebaut wird. „Das hat es früher schon gegeben, Schlossnamen wie Weinberg zeugen noch davon“, sagt Haudum.

Bier aus Schlägl und Freistadt

Fast 40 Betriebe bauen auf 160 Hektar Hopfen an. Berühmter Gerstensaft kommt etwa aus der Stiftsbrauerei Schlägl oder der Braucommune Freistadt. Letztere mit dem Freistädter Bier ist die größte Brauerei des Mühlviertels und blickt auf eine lange Geschichte zurück – seit 1363 besitzen die Bürger der Stadt das Braurecht. Sollte ein Besuch anstehen – noch eine Runde in der Altstadt drehen.

Freistadt nahe der tschechischen Grenze hat ein schmuckes historisches Zentrum,

©khs wolfgang spekner

Historisch wird es auch im benachbarten Rainbach. Dort fährt auf einem halben Kilometer Schienenstrecke die Pferdeeisenbahn. Die Kutscher sind dementsprechend mit Hut, robustem Mantel und Lederhose adjustiert. Immerhin wurde 1832 die erste öffentliche Eisenbahn am Europäischen Kontinent zwischen Budweis und Linz-Urfahr eröffnet.

Die historische Pferdeeisenbahn fährt in Rainbach im Mühlkreis.

©OÖTourismus/röbl

Das mag rückwärtsgewandt klingen. Aber mit dem Rückgriff auf das Althergebrachte – vor allem bei Textilien – ist man am Puls der Zeit. Handwerk und damit Qualität sind angesagt. Leinenwebereien sorgen für robuste Stoffe. Blaudruckereien liefern Material für Röcke, die mit knalligen T-Shirts kombiniert werden können. Die Betriebe empfangen gerne Besucher. In der Blaudruckerei von Maria und Karl Wagner in Bad Leonfelden gibt es ein Unterhaltungsprogramm mit dazu. Während der Chef am großen mit blauer Flüssigkeit gefüllten Bottich die Färbetechniken erklärt, streut er lockere Schmähs ein.

Blau ist auch die schöne Donau, die am Mühlviertel vorbeifließt. Immer wieder ergibt sich ein schöner Blick. Nah kommt der Strom etwa dem hübschen Städtchen Grein mit seinen alten Handelshäusern und der beeindruckenden Greinburg. Unbedingt besuchen! Es ist nicht das Ende der Welt, aber das Ende des Unteren Mühlviertels und damit das Ende Oberösterreichs.

Durch die Landschaften des Mühlviertels fließen neben der  Mühl viele andere Flüsschen und Bacherl.

©Oberösterreich Tourismus GmbH/Moritz Ablinger

3 kuriose Fakten. Wusstet ihr, dass ...

  • es im Mühlviertel einen Ort gibt, der Hühnergeschrei heißt?
  • in der Kirche von St. Thomas am Blasenstein der „Luftg’selchte Pfarrer“ – ein mumifizierter Leichnam – ausgestellt  ist?
  • es in St. Thomas am Blasenstein auch die „Bucklwehluck'n“ gibt? Laut altem Volksglauben verliert man sein Rheuma (und die Sünden), wenn man durch die Lücke zwischen zwei Felsspalten durchschlüpft.
Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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