Mauritius: Eine Reise durch den wilden Süden der Insel
Die Wellen des Indischen Ozeans donnern an die Riffe. Schildkröten ignorieren die Schnorchler. Der Wind lässt die Palmblätter rauschen. Dort, wo noch wenige Hotelkästen den Blick aufs Meer verstellen.
Überblick Mauritius
Austrian fliegt bis 6. April zweimal pro Woche von Wien direkt nach Mauritius. Danach wieder ab Ende Oktober. Die Flugdauer beträgt rund 10.30 Stunden, der Rückflug dauert eine Stunde länger. In den anderen Monaten ist ein Zwischenstopp notwendig. Der Flughafen liegt im Süden der Insel und ist rund 5 Kilometer von Mahébourg und 35 Kilometer von Port Louis entfernt.
Am meisten Niederschlag fällt von Dezember bis Februar. In diesen Monaten ist es auch am heißesten. Heftige Tropenstürme können wie zuletzt Mitte Jänner vorkommen, ziehen aber meist an Mauritius vorbei.
und Katharina Salzer
Spiderman ist auf dem Sprung. Heute ist ein Glückstag. Denn der Held ist im Süden von Mauritius etwas unzuverlässig. Neben ihm glitzert das Meer in der Blue Bay von türkis bis dunkelblau. Im Wasser spiegeln sich die Wolken. Doch das Wichtigste: Der Motor läuft.
Spiderman heißt einer der Busse, die ins nahe Städtchen Mahébourg fahren. Einen Fahrplan gibt es nicht. Sein Fahrer bestimmt, wann es losgeht. Die Comicfigur ist mit Airbrush auf die Karosserie gesprüht. Das passt. Der Chauffeur ist ebenso verwegen wie Spiderman. Er ist zwar nicht so schnell, überholt aber in unübersichtlichen Kurven, das Getriebe kracht beim Schalten.
Die junge Schaffnerin tänzelt durch die engen Reihen, um das – sehr geringe – Fahrgeld einzusammeln. Die bunten aufgemalten Fische im Innenraum scheinen mitzuwippen, aus den Boxen dröhnt die für Mauritius so typische Sega-Musik.
Die Landschaft, die vorbeizieht, sieht so aus wie ganz Mauritius vor 30 Jahren, sagen Kenner über den Süden. Es gibt noch wenige Hotelkästen, Lokale und Geschäfte, die mit Vorliebe Touristen übers Ohr hauen, sind rar gesät. Noch dazu ist es kühler als anderswo auf der Insel. Der Lion Mountain, der von der Weite wie der König der Löwen über der Küste thront, taucht auf. Zum Aussteigen den Halteknopf drücken, der Bus bremst ab.
Am Pointe Jerome wartet der Fischer Louis mit seinem Boot. „Nur wenn ich auf dem Meer bin, ist mein Tag vollkommen“, sagt er. Louis ist immer auf dem Meer.
Er fährt drei Minuten und lässt sein Boot vor der Insel Île Aux Aigrettes treiben. „Fertig machen!“, befiehlt Louis. Schwimmflossen an, Taucherbrille auf, Schnorchel in den Mund. Ab ins Wasser. „Immer mit der Strömung schwimmen“, hat der Skipper vorher eingeschärft. Denn schnell geht es dahin über riesige Tischkorallen, Barrakudaschwärme und Anemonen.
Wer ihre Bewohner, die mauritischen Clownfische, aus der Nähe sehen will, muss tief Luft holen und bis zu fünf Meter abtauchen.
Kaputte Korallen gibt es an diesem Fleck von Mauritius kaum. Am Ende des Kanals wartet Louis mit dem Boot.
Nur schön langsam
Hier ist die Welt noch halbwegs in Ordnung. Auf der Île Aux Aigrettes stellen Naturschutzorganisationen die ursprüngliche Vegetation auf Mauritius wieder her. Seit Jahrhunderten überwuchern importierte Arten die Insel. Die Menschen haben es geschafft, in wenigen Jahren den flugunfähigen Vogel Dodo auszurotten. Er wird nie zurückkehren, ist aber das Maskottchen des Landes geworden. Im Reservat leben die Riesenschildkröten, auch ihnen haben die Europäer seit ihrer Besiedlung zugesetzt. Bei den Kriechtieren ist alles „slowly slowly“.
Wie überhaupt man sich auf der Insel nicht hetzen lässt. Oder wie ein Mitarbeiter einer Tauchschule ein anderes Mal erklärt: „Langsam am Morgen, nicht zu schnell am Nachmittag.“ Er grinst und sein Silberzahn funkelt in der Sonne.
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Zurück am Straßenrand heißt es wieder „slowly, slowly“. Spiderman lässt sich diesmal Zeit. Das Ziel ist Mahébourg, die Bezirkshauptstadt. Häuschen im Kolonialstil, Bretterbuden, eine Waterfront und das Hochklappen der Gehsteige mit Sonnenuntergang sind ihr Markenzeichen. Und der Markt, tagsüber. Obst und Gemüse türmen sich. Passionsfrüchte, Bananen, Papaya, Ananas – mehr braucht man nicht. Eigentlich. Denn so ein fettes Dhal Puri aus den Straßenküchen schmeckt. Am besten schmecken die mit vegetarischer Sauce gefüllten Fladen dort, wo sich die meisten Leute anstellen.
Achtung, Alouda
„ Niemals gemeinsam mit unserem Alouda. Das wird gefährlich, wenn man unterwegs ist“, warnen die Einheimischen. Alouda ist ein picksüßer Milchshake in abenteuerlichsten Farben. Besser noch als Dhal Puri sind ohnehin die Pain Currys mit geschmortem Fisch und Huhn in Weißbrot.
In der Nähe von Mahébourg, in Grand Port, landeten im 16. Jahrhundert die Holländer an und begannen die Insel zu kolonisieren. Die Franzosen und die Briten folgten. Auf den vorgelagerten Inseln Île aux Fouquettes und Île de la Passe stehen heute noch ein Leuchtturm und ein Fort.
Es sind noch nicht so viele Touristen, die das sehen wollen. „Wir sind hier im wilden Süden. Die Strände sind ruhig. Und das macht es so speziell“, sagt Henri Defalbaire. „Wir haben nicht die Infrastruktur wie im Norden. Hoffentlich bleibt das so.“ Er vermietet Häuschen und hat sich gegen neue Hotels stark gemacht. „Wir brauchen Orte, wo die Mauritier an den Strand gehen können.“
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Einer dieser Orte heißt La Cambuse. Unweit des internationalen Flughafens liegt ein langer sichelförmiger Tropenstrand mit hellem Sand, türkisem Wasser und kerniger Brandung. Er wirkt leer, die Flugzeuge stören nicht. „Von La Cambuse führt ein Weg in Richtung Pont Naturel, den könnt ihr mit dem Rad fahren“, empfiehlt Defalbaire. Im Schatten der Bäume geht es entlang der wildromantischen Küste zum Naturschauspiel. Bei starker Brandung werden die Wellen an einer Felsbrücke meterhoch in die Höhe geschleudert.
Etwas weiter südlich, bei Souillac, stürzen die Rochester Falls über glatt geschliffene Felsen in ein natürliches Becken. Darin können Besucher ein Bad im Süßwasser nehmen. Der Bus fährt hier „slowly, slowly“ über kurvige Straßen, da reicht der Urlaub nicht aus. Besser mit dem Taxi oder Mietwagen fahren: Achtung, Linksverkehr!
Wasser und Marsch
Im Landesinneren gibt es eine Menge Wasserfälle. Ein besonders beeindruckendes Exemplar donnert bei Chamarel im Regenwald in die Tiefe.
In der Nähe liegt auch die siebenfarbige Erde, deren überdimensionale Bilder am Flughafen Touristen anlocken. Aber das muss nicht sein, der Eintritt ist teuer, die Erde auf dem Foto schöner. Dann schon lieber zum nahen Ebony Forest. Hier kümmern sich Umweltschützer um die Wiederaufforstung eines ursprünglichen Ebenholzwaldes. Über einen steilen Weg geht es zu Aussichtspunkten.
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Das Schwitzen im feuchten Reservat wird durch den Blick auf die Westküste und den Felsen Le Morne belohnt. Dieser markante Punkt hat eine tragische Geschichte. Schwarze Sklaven flohen vor ihren Herren. Als Beamte ihnen das Ende der Sklaverei verkünden wollten, fühlten sich Geflüchtete in die Enge getrieben und stürzten sich den Berg hinunter.
Als die Sklaverei abgeschafft wurde, holten Briten indische Arbeitskräfte. Und die blieben. Heute sind rund 70 Prozent der Bevölkerung indischer Abstammung. Etwa 27 Prozent sind Kreolen. Den geringsten Anteil machen Chinesen sowie die Nachfahren französischer Siedler aus.
Multikulti und Bier
Mauritius ist multikulturell, die gemeinsame Sprache ist Kreol. Man akzeptiert sich, doch am liebsten bleiben die Bevölkerungsgruppen am Strand unter sich. Man trifft sich am Wochenende, trinkt das mauritische Bier, auf das man so stolz ist, grillt und hört Musik aus großen Boxen.
„Musik spielt hier eine wichtige Rolle und die Lieblingsmusik der Menschen kommt aus Mauritius“, bestätigt Jasmine Toulouse. Sie lebt in Mahébourg, ist Sängerin und lnsel-Berühmtheit. Wo immer sie auftaucht, wird sie angesprochen und muss für Fotos posieren. „Die Mauritier mögen Musik, die sie verstehen.“ Typisch ist Sega. Traditionelle Trommelrhythmen mischen sich mit Polka oder Quadrille. Sega ist der Schlager des Indischen Ozeans.
Die Jugendlichen stehen vor allem auf Seggae, eine Mixtur aus Sega und Reggae. „Unsere Künstler haben eine Mission, sie wollen Seggae auf der ganzen Welt verbreiten. Es ist zwar schwer zu spielen, aber die Menschen mögen ihn“, erklärt die Künstlerin. „Musik ist auf Mauritius auch Therapie. Die Leute hören Klänge und Botschaften.“ Gib niemals auf, machen die Musiker den Zuhörern Mut. In anderen Songs geht es um Partys am Strand oder einfach nur um ganz viel Essen.
„Heute singen die jungen Menschen über alles, das Likes bringt. Über Sex, Drogen und wie es ist, Geld zu haben“, sagt sie. Diese Entwicklung gefällt ihr nicht.
Dafür die Ortschaft Blue Bay mit der gleichnamigen Bucht. Das ist ihr Lieblingsort in der Region. Am Strand tobt am Wochenende das Leben. Straßenhunde streunen zwischen den Picknickgruppen. Mit treuherzigem Blick wollen sie etwas abstauben. Meist sind sie harmlos. Streicheln empfiehlt sich trotzdem nicht.
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Einmal um die Ecke beim Guest House Chantauvent wird es ruhig. Allerdings nur an Land. Im Wasser gibt es viele Bewohner. Korallen, Fische – und Meeresschildkröten. Ein kapitales Exemplar knabbert in aller Seelenruhe Algen von den Korallen. Das Tier lässt sich von den wenigen lästigen Schnorchlern nicht aus der Ruhe bringen.
Nicht zu viel erwarten sollten sich Besucher vom benachbarten Marine Park. Es galt einst als das Schnorchelparadies schlechthin auf Mauritius. Heute ist es eine Wüste aus kaputten Korallen. Aber es gibt zumindest Versuche, die Korallen wieder anzusiedeln.
Das Wasser in Blue Bay ist meist ruhig. Die Wellen brechen sich am vorgelagerten Riff. Wer leise ist, hört das Donnern. Weiße Gischt gibt der Bucht einen Rahmen. Was könnte da bei Sonnenuntergang besser passen als ein Ti Punch, ein Cocktail aus Rum, Limette und Zucker.
Ein Hoch auf Mauritius’ Süden. Es könnten noch ein paar Wochen mehr sein. Die Heimreise fällt schwer.
Denn wie steht neben Spiderman auf den Bus gesprayt? „No way home.“
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