Die schönsten Lichterfestivals Europas von Amsterdam bis Mörbisch
Lichterfestivals gibt's im Winter von Lyon bis Tokio, von Helsinki bis zum Neusiedler See – wie alles begann und wo sie am schönsten sind.
Von Nicola Afchar-Negad
Es war der 8. Dezember 1852, als die Menschen in Lyon, ohne es zu diesem Zeitpunkt zu ahnen, etwas bewegten. Eigentlich stellten sie nur eine brennende Kerze in ihre Fenster – um die Errichtung einer Marienstatue zu feiern, Dankbarkeit zu zeigen, dass es ihnen in schweren Zeiten gut ging. Ein stiller, unaufgeregter Akt, der ein Gefühl von Gemeinsamkeit entfachte. Die Städter waren begeistert – und eine Tradition war geboren, die sich über 1,5 Jahrhunderte hielt und weiterentwickelte.
Vor 25 Jahren wurde daraus die "Fête des lumières". Ein dreitägiges Lichterfestival, das von den Lyonern gefeiert wird – und längst auch von extra angereisten Touristen.
Die Franzosen mögen die ersten gewesen sein, die ihre Stadt eigens auf diese Art und Weise ins Rampenlicht bugsiert haben, aber die Idee hat Nachahmer gefunden, weltweit. Ganz vorne mit dabei auch das englische "Blackpool Illuminations" (noch bis 5.1.25), dessen Geschichte 1879 startete – damals ging es ums elektrische Straßenlicht. Die Menschen sprachen verwundert von "künstlichem Sonnenlicht".
Lichterfeste gehen international auf Tour
Inzwischen gehört es für viele dazu, irgendwann zwischen November und Jänner, wenn es gefühlt den ganzen Tag dunkel ist, eines der Lichterfeste zu besuchen. Sie nennen sich Lichtergarten, Illumina oder Lumina und sind immer häufiger internationale Produktionen. Das heißt: Die Veranstalter bespielen mehrere Städte, die Konzepte variieren dabei ein wenig, spielen mit der jeweiligen Lokalität und versuchen sich zu differenzieren.
Botschaften der Kunst
Das gelingt mal besser, mal schlechter, gern wird es etwas märchenhaft-verträumt, passt einfach zur besinnlichen Zeit. Wer den Baumwipfelpfad im Salzkammergut erwandert oder das Krippen-Lichterspiel auf der Seebühne Mörbisch verfolgt, wird dem kaum widersprechen.
Lichterfeste älter als die Geschichtsschreibung
Wer jetzt "reine Geldmacherei" höhnt, sollte kurz innehalten. Lichterfeste gibt es so lange, wie die Geschichtsbücher zurückdatieren. Man denke an die Sommersonnenwende in Schweden, an das hinduistische Diwali, die St. Martins-Umzüge in Österreich und Deutschland oder auch die Raketen zu Silvester.
Im Endeffekt geht es immer um die eine Sache: mit Licht die metaphorische Dunkelheit zu durchbrechen. Den Sieg von Gut gegen Böse. Lichte Momente der Dankbarkeit und Hoffnung. Ein schönes Beispiel dafür: das letzte "Festival of Lights" in Berlin im Oktober. Als das Brandenburger Tor dank Video-Mapping einen Trabi eine symbolische Mauer durchbrechen ließ, wurde applaudiert.
Den Machern der bunten Bilder, aber auch ein wenig einem großen Moment der Zeitgeschichte. Festivalleiterin Birgit Zander: "Erinnerungen an den Mauerfall vor 35 Jahren wurden wach. Diese Menschen waren so gerührt, dass sie eigene Erlebnisse austauschten und miteinander über ihr Leben in Freiheit sprachen."
Große Botschaften, kein Eintritt
Zwar muss nicht jedes Lichterfestival zwingend eine tiefere Bedeutung haben, aber man spürt: Es geht immer häufiger um etwas. Die technischen Voraussetzungen sind längst gegeben, LED ist Standard. Das bedeutet nicht nur, dass die Kosten überschaubar sind, sondern dass viel mehr realisierbar ist. Sprich: große Botschaften im Licht der zeitgenössischen Kunst, oft frei zugänglich, an öffentlichen Plätzen. Beispiel "Amsterdam Light Festival", von 28.11. bis 19.1. – Leitmotiv "Rituale".
Hologramme und Rituale
Es ist das vielleicht lässigste Festival Europas, schon alleine, weil man die Kunst auch vom Boot aus erkunden kann – durch die ikonischen Kanäle der Stadt schippernd. Chef-Kurator Jin Choi: "Man hat die historischen Häuser entlang des Kanals als Hintergrund, die Reflexionen (Anm.: der Lichtkunst) im Wasser – das ist einzigartig."
Wer will, mietet sich ein Boot mit Skipper für gut eine Stunde und der Guide referiert über die Kunst, die man passiert. Das Angebot gibt es mit oder ohne Drinks. Und wer ein eigenes Boot hat, dem reicht die Festival-App für knapp 8 Euro. Man möchte den Künstlern eine "Plattform bieten, um kritisch über globale Themen zu reflektieren", so Choi.
Eine Million Besucher zieht's nach Amsterdam
Während es 2023 um Künstliche Intelligenz ging und unter anderem ein Hologramm die Besucher faszinierte, sind es heuer eben die Rituale, die ins rechte Licht gesetzt werden. "Rituale sind starke Fundamente, die dem Test der Zeit standhalten", sinniert Chois Kollegin Nicoline Meijer. Und weiter: "Sie helfen uns in Zeiten der Transformation, der Übergänge. Etwa vom Winter zum Sommer oder von der Jugend ins Erwachsenenalter. Licht ergänzt eine mystische und spirituelle Dimension."
Ein glimmender Löffel, der in die Kanalsuppe taucht, leuchtende Blütenblätter, vom Wind getragen oder ein Lichterbogen, der an die Bahn der Sonne im Jahresverlauf erinnert – selbst wer sich nicht Länge mal Breite mit den Botschaften beschäftigt, wird geblendet sein von der Schönheit der Installationen. Rund eine Million Besucher baden alljährlich in dieser Amsterdamer Buntlichtwelt.
Noch weiter nördlich ist das "Lux"-Festival in Helsinki, von 8. bis 12. Januar 2025. Es gehe um Fantasie, sagt Festivaldirektor Juha Rouhikoski, weniger um aktuelles Zeitgeschehen. Das erklärt die überdimensionale Sprungfeder, einen Treppenläufer, wie man ihn aus Kindertagen kennt. Oder das fast 100 Meter lange Lichtobjekt "The Wave", durch das man – von Orchestersound begleitet – hindurch schlendert und das es in einer Schmalspurversion in den meisten Lichtergärten gibt.
Sagen wir, wie’s ist: So eine Installation eignet sich einfach hervorragend für Selfies!
Wirklich imponierend wird es aber zum Beispiel beim Kunstwerk "Lines", das in Wassernähe durch simple, von Licht gezeichnete Striche, symbolisiert, wie der Meeresspiegel zwischen 2100 und 2300 steigen könnte. Schlicht und eindrucksvoll!
Das macht sich vielleicht nicht ganz so gut auf Fotos, dafür aber in der Erinnerung. Auch etwas schwierig für Social Media festzuhalten: Drohnenshows, die gerade in den USA und Asien durch die Decke gehen. In Europa noch nicht das ganz große Thema. Die Festivals dauern oft zu lang, die Auflagen der Stadtverwaltungen sind zu streng. Und eigentlich ist es auch viel schöner, wenn die Lichtobjekte langfristiger konzipiert sind.
Denn selbst wenn der symbolische Stecker gezogen wird, verlieren viele Exponate nicht an Strahlkraft, sie glühen nach. "Von London bis Baltimore, von Tokio bis Riad" reisen die Kunstwerke des "Amsterdam Light Festival" weiter, wie Choi versichert. Eben in etwa so, wie das Licht.
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