Im Vordergrund pinke und rote Tulpen, dahinter Kanal und Häuser in Amsterdam

Amsterdam ist mehr als Rotlicht und Rembrandtplein

Auch wenn ein Besuch bei der Ausstellung über den barocken Meister Vermeer im Rijksmuseum nichts werden sollte: Die Stadt ist stets eine gute Idee, selbst wenn das unzählige Menschen ebenfalls so sehen.

Überblick

Anreise mit dem Flugzeug

Von Wien mit Austrian und KLM nonstop in weniger als 2 Std nach Amsterdam Schipol. 

Alternative Anreise

Vom Wiener Hauptbahnhof fährt mit dem ÖBB Nightjet nach Amsterdam. Abfahrt um 20:11, Ankunft 10:22. Untertags mit mehrmaligem Umsteigen in rund 12,5 Std.

Einwohner

900.000 (Großraum 1,4 Millionen)

Als Jan Vermeer 1675 mit gerade einmal 43 Jahren das Zeitliche segnete, hinterließ er nur 37 Gemälde, die mit Lichteffekten spielen und perfekt komponiert sind. 28 davon sind gerade im Rijksmuseum Amsterdam zu sehen. So viele wie noch nie. Und das merkt das Rijksmuseum Amsterdam auch. Die Server sind beim Auflegen der Karten zusammengebrochen, die Ausstellung des barocken Meisters war bereits nach drei Tagen ausverkauft.

Das Museum möchte prüfen, ob es die Öffnungszeiten bis 4. Juni nicht doch noch verlängern kann. Wenn ja, dann heißt es schnell zugreifen.

Aber auch ohne Vermeer ist Amsterdam immer eine gute Idee, besonders wenn es langsam Frühling wird. Stichwort Tulpen. Selbst, wenn viel zu viele Menschen dasselbe denken. Man kann es ihnen aber nicht verübeln: die charmanten Häuser, die Grachten, die Lässigkeit. Wie bei jeder Touristendestination gilt: etwas weg von den Massen und dann treiben lassen.

Ab ins alte Arbeiterviertel De Pijp

De Pijp eignet sich dafür hervorragend. Das alte Arbeiterviertel ist eines der angesagtesten der Stadt – auf der Straße pulsiert das Leben. Hier leben Menschen aus aller Welt Seite an Seite und kaufen auch Seite an Seite ein. Der Albert Cuyp-Markt ist mit 260 Ständen der größte Tagesmarkt Europas. Neben Schnäppchen- und Krimskramsjägern werden auch Hungrige glücklich – traditionelles Fischbrötchen mit Gurkerln und Zwieberln geht immer. Kaugummi nicht vergessen. Am Abend sind die Lokale gefüllt – auch vor ihnen tut sich unter dem bunten Licht der Girlanden eine Menge. Und wie so oft in Amsterdam versprühen die Menschen hier ganz viel Sprezzatura.

„Mir hat die Stadt immer ein Gefühl von Freiheit gegeben“, erklärt Raphaela Danksagmüller, was für sie den Reiz Amsterdams ausmacht. Die Musikerin und gebürtige Innviertlerin hat bis vor kurzem 30 Jahre lang in der Stadt gelebt und ist nun ins Umland gezogen. „Für mich fühlt es sich wie ein großes Dorf an, wenn ich mit dem Fahrrad durchfahre.“ Aber das nette Gefühl sei mancherorts verloren gegangen. „Die Stadt hat sich verändert, sie ist teilweise am Platzen.“ Das missfällt den Amsterdamern – nicht nur weil sie beim Radeln – das zu schnell und nicht an den Verhältnissen angepasst ist – nicht mehr an den Massen vorbeikommen.

©Koen Smilde Photography

Die Kommune, die mit dem sogenannten „Overtourism“ zu kämpfen hat, führte bereits 2021 eine Obergrenze bei Nächtigungen ein: mehr als 20 Millionen dürfen es nicht mehr sein. Rund um den Rembrandtplein mit den Sauf- und Rauchhütten und besonders im an sich hübschen Altstadtbezirk De Wallen zeigt der Tourismus sein hässlichstes Gesicht. Das berühmt-berüchtigte Rotlichtviertel ist am Abend brechend voll, eine Geruchsmischung aus Bratfett, Waffeln und Gras kriecht durch die Gassen, in denen besoffene und eingerauchte Männergruppen auf der Suche nach Abenteuern herumkugeln.

Keine Einheimischen in De Wallen

Dabei ist das einst verruchte Viertel ohnehin schon anders geworden. Die neonrot beleuchteten Kabinen, in denen Sex-Arbeiterinnen auf Freier warten, sind weniger geworden. Neben Studenten-WGs ziehen Galerien und Champagnerbars in die Häuser ein. Aber so richtig wirkt diese gewollte Gentrifizierung, die für Ruhe sorgen soll, noch nicht. „Kein Einheimischer geht jemals ins Rotlichtviertel“, sagt Danksagmüller.Die Stadt hat jetzt auch die Partybremse gezogen. Ab Mitte Mai ist der Ofen aus – zumindest in der Öffentlichkeit. Ab dann darf man in der Altstadt auch keinen Joint außerhalb der Coffee Shops rauchen. Dazu müssen die Lokale in De Wallen nach 1 Uhr früh neue Gäste abweisen.

Jan Vermeers Gemälde „Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ in der  Ausstellung im Rijksmuseum 
 

©EPA/KOEN VAN WEEL

„Die Stadt versucht, die Touristenströme auch umzulenken – und empfiehlt den Norden“, erklärt Danksagmüller. Gleich hinter dem Bahnhof, am anderen Ufer des IJ-Gewässers hat sich Noord zu einem hippen Viertel entwickelt. „Das war einmal ein ungewollter Bezirk. Es gab viel Armut, und er war weg vom Schuss.“ Das ist längst vorbei. Womöglich war der Wandel zu rasant. Heute hängen hier Vintage-Lampenschirme wie Fahnen über Haustüren, auf Märkten kaufen alteingesessene Migranten neben Bobos ein.

Eine kostenlose Fährverbindung ist innerhalb weniger Minuten vom Bahnhof dort. Direkt am Ufer ist De Noord modern. Im markanten Bau des Eye Filmmuseums werden Cineasten glücklich. Auf dem Dach des nicht minder stylischen A’DAM Tower wird neben Serotonin auch noch Adrenalin frei. Hier steht auf 100 Meter Höhe die höchste Schaukel Europas. Beim „Over the Edge“ schweben die Besucher über dem Abgrund und haben dabei einen tollen Blick über die Stadt.

©mauritius images / Alamy Stock Photos / Sigit Eko Setianto/Alamy Stock Photos/Sigit Eko Setianto/mauritius images

Mit der NDSM Werft hat Noord außerdem ein riesiges Kulturgelände mit Post-Industriechic und Kränen. Es ist das Gegenstück zur Touristenwelt der Innenstadt – wenn auch längst kein Geheimtipp mehr. Hier gibt es Ausstellungen, Bars, Installationen und Street-Art – etwa ein riesiges buntes Anne-Frank-Gemälde des brasilianischen Künstlers Kobra. Dazu steigen Partys, das große Electronic-Festival DGTL findet hier auch statt.

Generell liegen bekannte Clubs wie Shelter und Parallel in Noord. Aber das Viertel kann auch anders. Hier sieht es teils aus, wie man sich Holland am Land vorstellt. Holzhäuschen, Kirchtürme und Ruhe. Noch ländlicher wird es im Örtchen Ransdorp, wo Kühe auf saftig-grünen Wiesen weiden. Mit dem Rad ist es leicht zu erreichen.

Anne Frank, gemalt vom Street-Art-Künstler Kobra im Kreativ-Hotspot NSDM Werft. 

©Getty Images/brunocoelhopt/istockphoto

Aber die Innenstadt sollte man generell nicht außen vor lassen. Sie kann schon was, wenn es Zeit fürs Borrelen wird. Nach der Arbeit nach fünf, sechs Uhr kehren die Amsterdamer in Lokale zur niederländischen Variante des Aperitivos ein.

Bitterballen sind bitter

Hier gibt es Bier und Wein, dazu gereicht man meist Deftiges. Käse in unterschiedlichsten Formen und Bitterballen. Für manchen Gaumen sind letztere auch wirklich bitter. Gekochtes Fleisch wird mit einer Mehlschwitze vermengt, paniert und dann frittiert. Aber wenigstens gibt es dazu genug Senf, um den lukullischen Genuss in etwas lichtere Höhen zu führen. Aber jetzt nicht abschrecken lassen – lieber ausprobieren und selbst eine Meinung bilden! Eine bestimmte Empfehlung für gepflegte Borrelen mit Bitterballen hat Danksagmüller nicht: „Das gibt es in jedem Café“.

Generell stellt die niederländische Küche nicht nur Grandioses bereit. Krokett und Frikandel spielen in derselben Liga wie Bitterballen. Aber wegen der – mitunter sehr gewaltvollen – kolonialen Vergangenheit kommen in Amsterdam auch viele Einflüsse zusammen. Verhungern oder nur Frittiertes essen muss man nicht. Aber Obacht: „Wenn wir indisch essen gehen, gehen wir indonesisch essen“, klärt Danksagmüller auf.

Ransdorp ist nur eine kurze Radtour entfernt. Hier grasen Kühe auf den grünen Wiesen und das Leben ist sehr ruhig hier.

©Getty Images/iStockphoto/Kloeg008/istockphoto

Was in der Innenstadt auch zu empfehlen ist: Entlang der Grachten spazieren und in die großen Fenster der Bürgerhäuser spechteln. Lässig wie die Amsterdamer sind, haben sie keine Vorhänge und kein Problem, wenn Menschen in ihre perfekt eingerichteten Wohnzimmer schauen.

Wer ein altes Bürgerhaus besuchen will, dem empfiehlt Raphaela Danksagmüller die Embassy of the Free Mind. Hier stehen 25.000 Bücher über Mystik, Alchemie, Zauberei und Astrologie in einem wunderschön eingerichteten Gebäude aus dem 17. Jahrhundert. „Und regelmäßig gibt es Konzerte.“

Kuriose Fakten. Wussten Sie, dass …

… es in Amsterdam ein Hausboot für Katzen gibt? „De Poezenboot“ ist das einzig schwimmende Tierheim der Welt. 

… es im Blumenpark Keukenhof 7 Millionen Pflanzen von 800 verschiedenen Tulpensorten auf 32 Hektar gibt? Das Areal   ist  rund 40 km von Amsterdam entfernt und mit Bussen erreichbar (von 23.3. bis 14.5. geöffnet, keukenhof.nl).

… 25.000 Fahrräder jährlich in die Grachten geworfen werden? 

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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