Krakau bietet viel Leben und viel Platz für Schönes
Mit dem Hauptmarkt hat Krakau einen der größten mittelalterlichen Plätze der Welt. Wer Geheimtipps mag, besucht einen Nationalpark in der Nähe und vermehrt Weinberge.
Krakau
von Graz über Wien direkt nach Krakau (ca. 5 Std. 35 Min)
von Wien über Brünn und Katowice (ca. 5 Std. 20 Min)
von Graz (ca. 7 Std)
von Wien-Schwechat (ca. 1 Std)
Wer sich vom Trubel am Krakauer Hauptmarkt, dem Rynek Główny, erholen und sich unterhalten lassen will, setzt sich auf die Bänke gegenüber der weißen Kutschen. Fesch hergerichtete Frauen mit Hüten hocken auf dem Kutschbock. "Wollen Sie eine Runde mitfahren?", fragen sie und lächeln nett.
Kaum hat jemand – meist Männer – angebissen, kommt ein Herr, setzt sich zur Frau und chauffiert die Gäste durch die Stadt. Wo viel Tourismus, da ist auch viel Schmäh.
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Vor dem Ausbruch der Pandemie kamen bis zu 14 Millionen Touristen jährlich in die polnische Stadt. Man kann es auch niemandem übel nehmen – es ist ja wirklich schön hier. Da wäre einer der größten mittelalterlichen Plätze der Welt. Der Hauptmarkt ist 200 mal 200 Meter groß und quadratisch angelegt. Dort steht eine Renaissance-Tuchhalle – in der es drinnen zwar nur Ramsch gibt – oder das Wahrzeichen Marienkirche. Vom Turm bläst ein Trompeter stündlich das Signal Hejnał in alle Himmelsrichtungen. Wer sich früh genug um einen Termin kümmert, kann hinaufgehen.
Dann wäre da die Burg am Wawel-Hügel, in der einst polnische Könige regiert haben. Zuvor hatte unter dem Berg der Legende nach ein Drache gehaust, den zur Zeit des Stadtgründers Krak ein Schusterlehrling beseitigte. Und natürlich ist da das jüdische Viertel Kazimierz mit lebendigem Barleben und Klezmer-Musik. Dazu steht hier in der Breite Straße die einzige noch aktive Synagoge der Stadt.
Was abseits der Massen interessant ist, findet ihr in dieser Geschichte. Außerdem lest ihr
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Essen und trinken in Krakau
Für einige gibt es aber auch andere Gründe zum Herkommen als die pure Schönheit. "Krakau war bei Männern aus England beliebt. Sie landeten mit Billigfliegern, um zu saufen und ins Bordell zu gehen. Die werden nun weniger", sagt Robert Makłowicz zur freizeit. Der Journalist, Kulinarikkritiker und Historiker ist so etwas wie der polnische Jamie Oliver und eine prominente Fernsehpersönlichkeit. "Paradoxerweise war die Pandemie gut für die Einheimischen. Früher waren 90 Prozent der Lokale um den Marktplatz schlecht, heute sind es nur mehr zehn Prozent." Dort gebe es Kaffeehäuser wie in Wien. Wie in der Stadt noch ein paar Ähnlichkeiten auftreten: "Cremeschnitten, Gulasch, Pyzy (also Knödel oder Buchteln)."
Allerdings: "Ein Großteil des Essens in der Stadt ist neu. Es ist kosmopolitisch, oft mit wenig Fleisch, wenig Fett, aber mit Twist." Denn viele Junge, die in Krakau hinterm Herd stehen, hätten in Italien, London oder Frankreich gelernt und setzen das in ihrer Heimatstadt um. Anders als in Wien, wo man in vollen holzvertäfelten Stuben die Wirtshauskultur zelebriert und traditionelle Gerichte mit Vorliebe isst, musste man hier auf Neuem aufbauen. "Es gibt kein Oswald & Kalb, wo man auf ein Schnitzel gehen kann. Der Kommunismus hat alles zerstört. Die Küche musste neu definiert werden."
Der Mann weiß, wovon er spricht. Jede seiner Empfehlungen ist ein Treffer. Das Fiorentina steht bei ihm ganz oben auf der Liste der Lokale, die es zu besuchen gilt. "Ein elegantes Restaurant mit neuer Interpretation der lokalen Küche. Numero uno auf der Liste der besten Lokale Polens."
Im Bistro Karakter im jüdischen Viertel gibt es lässige Sachen, geschmorte Rinderzunge mit Wasabi und Algen etwa. Dazu hat es eine Weinkarte, die keine Wünsche offen lässt. Und ja, Traditionelles empfiehlt Makłowicz dann doch. Das gibt es zum Beispiel im Pod Banarem, das eingerichtet ist wie eine klassische Touristenfalle und wo die Kellner als Vorspeise einen großen Teller Bigos – voll mit Sauerkraut und Fleisch – kredenzen.
Germkränze Obwarzanek
Was der Kritiker eher nicht erwähnt: die billigen Milchbars, in denen im Kommunismus Studenten kostengünstig aßen. Die gibt es heute noch – in zeitgemäßerer Form. Ihre Speisekarten oder Fensterrahmen sind hellblau. Die Küche bietet schnelle polnische Küche. Mit saurer Mehlsuppe, Piroggi oder gefüllten Krautblättern macht man nichts falsch. Ebenso wenig mit dem bestreuten Germkranz Obwarzanek, den es an blauen Standln im Zentrum zuhauf gibt. Die gehen weg wie die warmen Semmeln. 150.000 Stück täglich reichen Verkäuferinnen über die Budel. Nicht ganz leicht zu kauen, aber sehr gut.
Ein Geheimtipp ist der Platz Wolnica im jüdischen Viertel. Hier steht ein rundes, heruntergekommenes – noch nicht totrenoviertes – Ziegelgebäude. Aus den kleinen Schiebefenstern werden die überbackenen Zapiekanka-Brote verkauft.
Noch abseits der ausgetretenen Touristenpfade sind die Weingüter, die sich nahe bei Krakau befinden. Wein? Polen? Ja, der Rebensaft gewinnt im Land, das für Bier und Wodka bekannt ist, immer mehr an Bedeutung. "Schon im Mittelalter gab es hier Wein, mit der Eiszeit war es vorbei", sagt Alicja Suder-Rogala vom Weingut Pałac Minoga. Mit dem Klimawandel ist es wieder möglich, hier Trauben anzubauen.
"Vor rund 15 Jahren hat ein Winzer begonnen, jetzt gibt es schon an die 20. Und es werden immer mehr", berichtet sie, während sie ihre Besucher zu den Reben führt. Gerade erst hat das Gut neue Flächen bepflanzt. Aber: "In Polen wird auf 1.000 Hektar Wein angebaut, in Österreich sind es fast 50.000." Mögen daher manche ob des Gedankens an polnischen Wein lächeln, hier nimmt man die Produktion sehr ernst und investiert in Önologen und Kellertechnik. "Wir reduzieren den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf ein Minimum und behandeln jeden einzelnen Strauch, jede Frucht und jede Flasche individuell."
Damit wenig gespritzt wird, setzen die Weinbauern auf Hybridsorten wie Marechal Foch, Regent, Leon Millot, Solaris und Seyval Blanc. Das Ergebnis kann sich sehen bzw. schmecken lassen. Der kalkhaltige Boden bringt gute Trauben hervor, die Kellermeister machen daraus fruchtig-frische Tropfen. Die kredenzt Suder-Rogala auch ihren Gästen bei den Degustationen im ehemaligen Herrenhaus aus dem Jahr 1898, das im toskanischen Stil erbaut wurde. Dazu reicht sie herzhaften Ziegenkäse – der hat wie Wein hier Tradition.
Von den Gütern des Pałac Minoga ist es nicht weit zum nur 16 Quadratkilometer großen Nationalpark Ojców mit spektakulären Steinformationen oder dem Schloss Pieskowa Skała. Stadtbusse fahren ihn an, und mit dem Fahrrad ist er auch vom Stadtzentrum aus einfach zu erreichen. "Aber Vorsicht, der Bus fährt nur an schönen Tagen", erklärt Beata Paprocka, die im Park lebt. Was schönes Wetter heißt, sei nicht so klar. Da kann es schon passieren, dass der Transport ausfällt.
Spektakuläre Felsen, toller Fisch
Paprocka ist eine energische und patriotische Frau. Sie bemüht Superlative, wenn es um Polen im Allgemeinen und den Nationalpark im Besonderen geht. "Hier wachsen Pflanzen, die es sonst nirgendwo in Polen gibt. So viele Fledermausarten wie hier leben auch nirgends im Land." Sie lädt Künstlerinnen und Künstler hierher ein, organisiert ein Chopin-Festival, ein Theaterfest soll auch noch hinzukommen. Und sie schickt ihre Besucher wandern und auf die Hügel. Dabei zeigt sie einen Felsen, der aussieht, wie eine große Hand. "Nonnen sollen sich auf der Flucht vor Verfolgern in einer Höhle versteckt haben. Sie beteten, Gott möge sie beschützen." Ta-da, eine steinerne Hand soll die Höhle blicksicher verschlossen haben.
Oder sie erklärt, was es mit der Kapelle auf sich hat, die über der Strömung des Prądnik-Flusses hängt. Russische Behörden, unter deren Verwaltung Ojców im 19. Jahrhundert stand, verboten den Bau religiöser Gebäude auf dem Land. Findige Geister ließen die Kapelle „auf dem Wasser“ errichten. Sensationell ist auch, was hier im Wasser lebt – und dann geräuchert oder gebraten wird. Direkt bei ihrer Forellenzucht servieren Magda Wegiel und ihre Tochter Agnieszka Sendor Fisch. Kein Wunder, dass den auch Kulinarik-Papst Robert Makłowicz empfiehlt.
Der Nationalpark und das Mittelgebirge Jura sind auch etwas, das die Tourismusverantwortlichen den Besuchern näherbringen wollen. "Viele Menschen wollen nach ihrem Aufenthalt in Krakau die Wieliczka Salzmine und auch das KZ Auschwitz sehen. Unglücklicherweise ist das in den vergangenen Jahren zu automatisch geworden – man verbindet Touren anstatt die Ziele bewusst zu erleben", erklärt Krzysztof Żwirski von der polnischen Tourismus-Organisation, die ihrem Slogan entsprechend die Seele Polens zeigen will und sanften Tourismus für Natur und Lifestyle-Liebhaber forciert. "Es geht nicht darum andere Plätze auf- oder abzuwerten, es geht uns mehr um Wahlmöglichkeiten."
Der Tourismus-Boom in Krakau habe mit Steven Spielbergs Film "Schindlers Liste", der 1993 erschien, begonnen. Emaille-Fabrikant Oskar Schindler rettete 1.200 Juden vor dem Tod im Vernichtungslager. Teile der ehemaligen Fabrik im Viertel Pódgorze, dem ehemaligen Ghetto, sind heute ein Museum, das die Geschichte Oskar Schindlers und die Zeit der deutschen Besatzung zeigt.
Vom Zentrum lohnt sich ein Spaziergang zur Schau ans andere Weichselufer. Eine Pause vom Trubel.
Kuriose Fakten. Wusstet ihr, dass...
… auf dem Wawel-Hügel ein Stein mit viel Energie verborgen sein soll? Laut Legende warf die indische Gottheit Shiva sieben magische Steine in alle Himmelsrichtungen – einer landete in Krakau.
… rund 200.000 Studierende in Krakau leben – die Stadt selbst 800.000 Bewohner hat?
… die große Kopf-Skulptur, die am Hauptmarkt liegt „Eros Bedato“ heißt und den Gott der Liebe darstellt. Er trägt eine Augenbinde, weil Liebe blind ist.
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