Radtour vom Reschensee über Gardasee nach Verona: Wo Salven krachen
Die Etsch durchquert in einer großen Schleife Südtirol – gesäumt von Berghängen und romantischen Orten am Rande des Radwegs, der dem Flusslauf folgt.
Ein einsamer Kirchturm, der aus dem Wasser ragt und sich in der Morgensonne im Reschensee spiegelt, ist der sichtbare Rest des Dorfs Graun, das bei der Errichtung des Stausees überflutet worden ist. Unterhalb des Sees bietet im kleinen Haidersee der von Gletschern bedeckte Ortler ein imposantes Spiegelbild, mit 3.905 Meter der höchste Berg Südtirols. Der Radweg schlängelt sich, stetig leicht bergab, dem See entlang, die Ufer gesäumt von blühenden Sumpfwiesen und Ausläufern der Wälder.
Es ist Herz-Jesu-Sonntag, ein Feiertag für die Tiroler. Bauernhäuser und Kirchen sind weithin sichtbar mit Fahnen geschmückt. Vinschgauer in ihren Trachten ziehen mit hohen Fahnen in Prozessionen durch die engen Gassen der Orte, begleitet von Musikkapellen und Schützen, die mit lautstarken Salven so manchen wartenden Radler erschrecken.
Bei Schlutzkrapfen und kühlem Bier in einem Gastgarten in Schlanders klärt ein Südtiroler stolz auf: "Grund dieser jährlichen Tradition ist das Herz-Jesu-Gelöbnis von 1796, als die Tiroler Truppen überraschend Napoleons Angriff abwehren konnten. Zum Ausklang werden auf den Bergrücken in Südtirol Feuer entzündet, manche sogar in Herzform.“
Die Etsch ist inzwischen ein Flüsschen geworden, das klare Wasser sprudelt über die schroffen Felsbrocken. Der breite, asphaltierte Radweg folgt fast immer dem Flussverlauf. Zur Bewachung von Talengen sind einst Burgen errichtet worden, die teils gut erhalten sind oder als Ruine auf Felsvorsprüngen die Berghänge prägen. Das Tal weitet sich, man durchquert Obstplantagen mit unzähligen Apfelbäumen.
Kurz vor Meran lädt der Trauttmansdorffer Thronsessel, eine Aussichtsplattform wie zwei überdimensionale Stühle, zu einer Pause ein. Mit Blick auf das Tal lassen sich die mitgebrachten Vinschgerl mit Käse und Speck genießen. Der Spaziergang durch den botanischen Garten von Schloss Trauttmansdorff wird zum Genuss für alle Sinne, mit seinen Düften und üppigem Blütenschmuck verschiedenster Pflanzen aus aller Welt. In einer hallenartigen Voliere fliegen Papageien zwischen den Besuchern hin und her, Paare treffen sich im verwinkelten Garten für Verliebte.
Der Radweg wird immer wieder von Kirchen und Museen gesäumt. Der gotische Dom Maria Himmelfahrt, das Wahrzeichen von Bozen und Ziel der nächsten Etappe, imponiert mit dem Barockaltar. Auf der ehemaligen Bahntrasse der Überetscher Bahn schlängelt sich der Weg leicht bergan, durch kleine, gut beleuchtete Tunnels hindurch bis nach Eppan, einer Region reich an Burgen, umgeben von Weingärten. Noch ein kurzer Anstieg, dank E-Bikes kein Problem, und der Montiggler See ist erreicht.
© Bild: Manfred Ruthner
Die Altstadt schmiegt sich an einen Bogen der Etsch. Die Innenstadt mit prächtigen Kirchen und Palazzi ist Fußgängerzone und darf mit dem Fahrrad erkundet werden. Die Piazza delle Erbe ist ein malerischer Marktplatz, von prächtigen Palästen umgeben, darunter der Palazzo Maffei. Der Markuslöwe auf der Herrschaftssäule zeigt, dass Verona einst Venedig unterworfen war
© Bild: Manfred Ruthner
Die Arena liegt im Zentrum der Piazza Bra, einem mit rosafarbenem Marmor gepflasterten Platz mit Bars und Restaurants. Das um 50 nach Christus erbaute Amphitheater, das größte nach dem Kolosseum in Rom, bietet bei Opernaufführungen Platz für 13.500 Zuschauer. Die Saison läuft heuer bis 9. September, Infos zu kommenden Veranstaltungen unter arena.it/de
© Bild: Manfred Ruthner
Eine beliebte Sehenswürdigkeit ist die Casa di Giulietta (Haus der Julia): In dem gotischen Innenhof soll einst das Mädchen gelebt haben, das William Shakespeare in „Romeo und Julia“ verewigte. Ziel unzähliger Touristen ist der berühmte Balkon der Julia. Am besten morgens um 9 Uhr kommen, wenn der Innenhof geöffnet wird. Infos unter verona.com/de
Badeplätze
Die Erfrischung kommt gelegen, die anstrengendste Etappe ist geschafft. Von nun an gehts bergab, durch Weingärten, vorbei am malerischen Kalterer See wieder hinunter zur Etsch, die in Bozen durch die Einmündung der Eisack an Breite zugelegt hat.
Flussabwärts wartet Trient mit quirligem Leben rund um den Hauptplatz auf. Abends füllen sich die Gastgärten mit Einheimischen und Touristen. Man kommt ins Gespräch, tauscht Streckentipps aus.
Info
Klimafreundliche Anreise
Mit den ÖBB nach Landeck-Zams, weiter mit Linienbus nach Reschen. Rückfahrt ab Verona über Innsbruck, oebb.at
Rad-Package
Eurobike bietet die beschriebene Tour mit Hotelreservierung und täglichem Gepäcktransport für acht Tage an. Mieträder nach Wunsch, es gibt auch E-Bikes. Bei der Hotelauswahl sind besondere Bedürfnisse wie Abstellplätze und Erreichbarkeit berücksichtigt. Inklusive Pannenhilfe, ausführliche Unterlagen mit Streckenplänen; eurobike.at
Sehenswert
Der Domplatz von Trient mit dem Dom San Viglio, dem Stadtturm und dem Neptunbrunnen als Kulisse
Opernjubiläum
In Verona, rund 40 km vom Gardasee entfernt, werden heuer in der Arena die 100. Opernfestspiele gefeiert. Sie wurden 1913 zum 100. Geburtstag von Guiseppe Verdi gegründet
14 Meter
hoch ist der gotische Schnatterbeck-Altar in der Pfarrkirche von Niederlana. Das beeindruckende Kunstwerk ist zur Gänze aus Kastanienholz geschnitzt und vergoldet
Allgemeine Auskunft
italia.it, suedtirol.info
Nach und nach wechselt der alpenländische Stil der Ortschaften in italienischen. Auch die Vegetation ändert sich. Palmen und blühende Oleander zieren die Gärten. Ein sanfter Pass trennt das Etschtal vom Gardasee, der Radweg ist sehr gut ausgebaut und markiert. Am Weg nach Torbole zeigt sich der See in seiner ganzen Länge. Segelboote sind von oben als weiße Punkte zu erkennen, sie profitieren von der Ora, dem Wind am Gardasee. Auch für die Radler führt der weitere Weg über das Wasser, mit dem Linienschiff von Riva im Norden nach Sirmione in den Süden. Entspannende Stunden an Deck gegen Ende der Tour, um die vorbeiziehende Landschaft zu genießen. Am Ende gleiten die Grotten des Catull auf der Halbinsel Sirmione vorbei, die Reste einer römischen Villa auf weißen Klippen.
Auf römischer Geschichte beruht auch Verona. Das Opernerlebnis unter freiem Himmel ist ein imposanter Schlusspunkt einer abwechslungsreichen Radwoche über dreihundert Kilometer.
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