Luftiges Leben: Darum lohnt sich jetzt eine Reise nach Buenos Aires
Die Hauptstadt von Argentinien, ist groß und chaotisch. Die Einheimischen lieben gutes Essen, die Nacht und sie trotzen schweren Zeiten.
Überblick
Von Wien mit Stopp in Frankfurt mind. 17 Std.
Von Hamburg mit dem Frachtschiff. Dauer ca. 1 Monat
Infos: langsamreisen.de/frachtschiffreisen/europa-suedamerika
Drei Millionen / Großraum: 13 Millionen
Das Paris Südamerikas wird Buenos Aires gerne genannt. Die Boulevards sind wie in Frankreich breit, an ihren Rändern wachsen Bäume. In den Eckcafés lässt es sich vorzüglich versumpern. Die Repräsentationsgebäude strahlen die Grandezza vergangener Zeiten aus. Der Ballungsraum hat da wie dort mehr als zehn Millionen Menschen. Wer Großstadtluft atmen will, ist hier richtig – auch wenn sie nicht so gut ist, wie es der Name Buenos Aires (Gute Lüfte) vorgibt. Und wie in Paris sind die Taxler eine Sache für sich – und zwar eine ganz wilde.
Während in Frankreich die Fahrer ob ihrer Unfreundlichkeit gefürchtet sind, lehren jene in Argentinien Passagiere das Fürchten. Da kann es passieren, dass der Chauffeur eine Lücke im Stau nützt, nach vorne rast und sich vor dem überholten Auto lebensgefährlich einbremst. Einfach nur weil er sich vom Fahrmanöver des anderen Fahrers provoziert gefühlt hat. Menschen in Argentinien können schon emotional sein.
Ihren durchwegs positiven Emotionen freien Lauf ließen Millionen nach dem WM-Sieg. Bilder der Feiern auf der mächtigen Verkehrsader gingen vor wenigen Wochen um die Welt. Rund um den Obelisken im Zentrum waren so viele Menschen, dass der Bus mit Messi und Co. nicht mehr vorankam. Feuerwerk krachte, Autos hupten, Menschen jubelten.
„Es war verrückt“, sagt Sofia Stubrin, die für das österreichische Außenwirtschaftscenter in der Stadt arbeitet. Politisch und wirtschaftlich gehe es Argentinien nicht gut. Die Gesellschaft sei gespalten. Es gebe zwei konkurrierende Parteien, die sich abwechseln, und mit River Plate und den Boca Juniors zwei Fußballklubs, deren Anhänger zutiefst verfeindet sind. Bei der WM hätten sich die Konfliktlinien aufgelöst: „Es waren Menschen aus allen Schichten, aus allen Altersgruppen auf der Straße. Es waren ganze Familien hier. Alle waren dabei, das war etwas Besonderes“, berichtet Stubrin, die eine echte Porteña – also hier geboren – ist.
Lokalszene boomt
Dieses positive Bild habe sich verbreitet. Das werde Besucher anlocken. Sie entdecken dann eine Stadt, die viel mehr ist als das zweite Paris. Buenos Aires ist auch indigen, lateinamerikanisch, jüdisch und eine queere Hochburg. Dazu ist es eine Stadt mit der höchsten Dichte an Theatern, an Hundebesitzern und Psychologen. Ob es hier einen Zusammenhang gibt, ist noch nicht erforscht. Empirisch belegt: Es ist stets etwas chaotisch – das aber bei bestem Wetter: „Jetzt ist es perfekt. Hier herrscht bis April Sommer.“
Dazu ist es für Ausländer aufgrund des Wechselkurses gerade sehr günstig, die Lokalszene boomt. „Es ist komisch. Trotz Krise sind die Lokale abends voll“, sagt die Bewohnerin. Der argentinische Pesos werde immer weniger wert. „Die Menschen geben das Geld schnell in Restaurants und Bars aus.“
Rindfleisch ist ein Muss. Wird es Mittag, heizen die Restaurants die Griller an. Rauchgeruch wabert durch die Stadt. Bei Besuchern besonders beliebt ist die Parrilla don Julio. Wobei: „Eigentlich findet man an jeder Ecke ein gutes Steak.“ Allerdings, eine Ausnahme macht sie: „Typisch-touristische Restaurants auf der Calle Florida würde ich nie empfehlen.“ Egal, wo das Steak verspeist wird – Rotwein gehört dazu. Am besten Malbec. Abendessen geht man spät gegen 22 Uhr – zuvor ist man eher alleine. Vegetarier – und vor allem Veganer – haben es in dem Land, in dem man zwischen Fleisch und Huhn unterscheidet, naturgemäß schwer. Eventuell gibt es vegetarische Empanadas – etwa in der Markthalle von San Telmo.
Veganer werden im Donnet glücklich. Menschen ohne Fleischeslust können auch etwas wählen, das italienische Einwanderer mitbrachten, das aber neu interpretiert wurde: fluffige Pizza mit viel Käse.
Italienisch und französisch angehaucht sind die Cafés, wo man mit Hingabe Wermut oder Kräuterliköre trinkt – gerne mit lokaler Note. Fernet-Branca kommt mit Cola. „Ah, European-Style“, sagt der Barkeeper, wenn man ihn bittet, den Softdrink wegzulassen. Etwas, das Argentinien als Weltkulturerbe anmelden wollte, aber von anderen Ländern beansprucht wird, ist Dulce de leche. Die Karamellcreme aus Milch, Zucker und Vanille kann nicht genug gewürdigt werden. Aber irgendwann ist genug. Zumindest für eine Weile, wenn die Torte beim Konditor zentimeterdick mit ihr bestrichen worden ist. Also, niemals zu viel davon. Für den Abend heißt es nämlich wieder fit sein.
Pulsierendes Nachtleben bietet das Viertel Palermo. „Hier muss man unbedingt hin“, empfiehlt die Einheimische Stubrin. Auf den Häusern prangt Street Art, vor ihnen gibt es Gastgärten mit bunten Lichterketten. Die meisten angesagten Bars und Clubs sind hier. In den Boliches, den Discos, geht es gegen 1 Uhr los. Tagsüber haben Boutiquen oder eine erkleckliche Zahl an Restaurants offen. Auch San Telmo mit seiner unberührten Altbau-Substanz ist des Abends nicht zu verachten. „Buenos Aires ist lebendig – hier ist immer etwas los“, betont Stubrin. Manchmal gebe es sogar um drei Uhr in der Früh einen Stau.
Touristen sollten nicht nur die Nacht zum Tag machen. Sightseeing muss sein. Die Porteños empfehlen Hop-on-Hop-off-Busse. Und auch wenn man da in jeder anderen Stadt niemals mitfahren würde, hier ist es in der Tat eine gute Idee. „Buenos Aires Bus“ und „Grayline“ fahren oft und alle wichtigen Ziele an. An zumindest skurrilen Orten kommen sie ebenfalls vorbei – etwa am Themenpark Tierra Santa, der Religion und Entertainment vermengt. Im „Heiligen Land“, unweit des Inlandsflughafens gelegen, bekommen Besucher auf sieben Hektar allerhand biblische Geschichten von der Schöpfung weg, die als Lichtshow daherkommt, präsentiert. Am Rande erhebt sich ein künstlicher Berg, Golgatha, wo Jesus ans Kreuz genagelt wurde. Eine Busfahrt, die ist lustig – und interessant.
Nur die Erklärungen aus den Kopfhörern können anstrengend sein. Während im Hintergrund sanfte Gitarrentöne erklingen, erklärt eine männliche Stimme so ziemlich alles zur Sehenswürdigkeit – wie die überschaubare Bronze-Skulptur des Formel-1-Rennfahrers Juan Manuel Fangio.
Buntes und Tango
Und auch wenn es schwer touristisch ist – ein Ausflug in den Stadtteil La Boca mit den bunten Häusern muss sein. Hier ist es hübsch. Punkt. Da mag manch einer noch so sehr wegen der Souvenirläden die Augen verdrehen. Oder Paare zu klischeehaft finden, die mit glänzenden, angepappten Haaren einen Tango Argentino zum Plaisir der Besucher auf ein aufgelegtes Parkett hinlegen.
Ebenfalls ein Muss ist der Friedhof La Recoleta, der mit seinen Mausoleen einer Totenstadt gleicht. Im Gassengewirr kann man sich auf die Suche nach dem Grab Eva Peróns machen.
Meiden sollten Touristen hingegen das Viertel Constitución und die Gegend um den Bahnhof Retiro. Dort kann es gefährlich werden. Was verrucht klingt, die Einheimischen empfehlen: Geld wechseln in inoffiziellen Wechselstuben, die haben bessere Kurse als die offiziellen. „Alle machen das. Am besten im Hotel nach der nächsten fragen“, rät Stubrin. Wem das dennoch gefährlich vorkommt: „Seit kurzem gilt, wer mit einer ausländischen Kreditkarte zahlt, erhält automatisch den günstigen Wechselkurs.“
Es ist immer gut, auf Einheimische zu hören – etwa auch bei Geheimtipps: „Ich fahre immer gerne nach Tigre.“ Die Stadt am Río Luján ist mit dem Zug gut erreichbar und ist eine Abwechslung vom Trubel in Buenos Aires. „Ich empfehle, ein Wochenende auf einer Insel zu verbringen.“ Der Río Luján mündet in den Río de la Plata, einem bis zu 220 Kilometer breiten Mündungstrichter. Auf der anderen Seite liegt Uruguay. Von Buenos Aires fahren schnelle Fähren in die Hauptstadt Montevideo oder in das weniger weit entfernte Colonia del Sacramento. Es ist die älteste Stadt Uruguays und mit seinen netten gepflasterten Gässchen, den stehenden alten Autos und Künstlerlokalen einfach nett.
Und dann wieder zurück nach Buenos Aires – zum wilden Taxler, zum Chaos, zum Essen, zum Trinken, zum Leben.
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