Regula Mühlemanns Stimme klingt wie „prickelnd perlender Champagner“ schreibt die Kritik. Prosit Neujahr!

Regula Mühlemann im Interview: „Manchmal braucht man stille“

Mit der freizeit sprach die Schweizerin über Neujahrsfeiern, gesangliche Herausforderungen – und Musik zwischen Klassik, Barock, Brit-Pop und Nirvana.

Eine Stimme, die wie ein Brillantring funkelt. Damit ist die Opernsängerin Regula Mühlemann gesegnet. Spielerisch leicht klingt es auch, wenn sie die schwierigsten Arien singt. Damit begeistert die gerade erst 35-Jährige seit mehr als zehn Jahren Klassik-Fans auf der ganzen Welt. Sie trat auf großen Bühnen in Rom, Berlin, Dresden, Amsterdam, Venedig, Los Angeles, Salzburg und natürlich Wien auf. An der Staatsoper ist sie seit zwei Jahren Ensemble-Mitglied, vergangenes Silvester brillierte sie bei der Live-Übertragung der Fledermaus als Adele, schlüpfte also in die Paraderolle der von ihr verehrten Edita Gruberova.

Sie begeisterten letztes Silvester die Welt in der Übertragung der „Fledermaus“ aus der Staatsoper. Wie war dieser Abend für Sie?

Regula Mühlemann: Ungewöhnlich. Wir spielten ja aufgrund der Corona-Maßnahmen vor leerem Haus, nur für die Kameras. Aber die Stimmung im Ensemble war so gut, wir hatten enorme Freude daran zu spielen, einfach für uns, sodass wir die leeren Ränge fast vergessen konnten.

Sie hatten davor auch schon große Auftritte, aber eine weltweite Live-Übertragung – wie nervös macht einen so was?

Doch sehr! Und dann wurde mir bewusst: Genau über diese Treppe ist Edita Gruberova gegangen, als sie die Adele gespielt hat! Als ich etwa 14 war hab ich das Video zum ersten Mal gesehen und jetzt stand ich selbst dort – da hat mein Herz schon ziemlich zu pochen begonnen.

Wie schwierig ist es, auf der Bühne zu lachen?

Sie meinen wegen der Arie, oder? Lachen gehört zum Schwierigsten, das man auf einer Bühne machen muss. In den ersten Stunden im Schauspielunterricht musste ich einen Elefanten spielen. Das künstliche Lachen war fast genauso peinlich. Man kommt sich total lächerlich vor. Aber irgendwann steht man drüber, da ist einem nichts mehr peinlich. Bei der Fledermaus zu Silvester war es leicht, wir hatten nämlich wirklich viel Spaß.

Nur muss man halt als Sängerin beim Lachen auch noch den richtigen Ton treffen!

Ja, das sollte man (lacht). Es ist wie bei jedem Gefühl, das man musikalisch ausdrücken will. Du übst und übst und übst, bis du die Töne perfekt beherrschst – und dann gehst du zurück zum ursprünglichen Gefühl.

Auch dieses Silvester ist Regula Mühlemann (l.) die „Adele“. Aber in Florenz

©Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
Eine schwierige Aufgabe. Ist man vor bestimmten Szenen nervös?

Vor dem Auftritt, ja. Man denkt immer, es wird irgendwann einfacher, wenn man nur hart genug arbeitet. Aber kaum ist man da, wo man hin wollte, wird das für alle zukünftigen Auftritte erwartet, also zum Standard. Der Druck ist immer da. Man darf die Dinge nur nicht zu nahe an sich heran lassen.

Wie ist das eigentlich, wenn man zu Silvester arbeiten muss? Feiert danach das gesamte Ensemble ins Neue Jahr hinein?

Vielleicht hätte sich das so ergeben. Aber wir steckten letztes Jahr mitten im Lockdown. 22 Uhr war Sperrstunde. Nach der Aufführung haben wir angestoßen und Brötchen gegessen, und das war's dann. Die Wiener Kollegen sind nach Hause, der Dr. Falke (Anm.: Martin Häßler) und ich wollten noch was trinken, mussten dann aber auch gehen. Das war richtig streng. Ich bin ins Hotel und war kurz nach 12 Uhr im Bett.

Wie sieht es heuer aus?

Heuer singe ich die Fledermaus unter Zubin Mehta in Florenz. Wenn’s möglich ist, gehe ich mit meinem Mann, der diesmal mit dabei sein wird, schön essen.

Wie kamen sie als junge Frau, als Mädchen eigentlich zur Klassik?

Ich fing in der Volksschule an Klavier zu spielen. Im Gymnasium schließlich mit Gesang – und DANN durfte ich in den Chor der Luzerner Kantorei, das war für mich unglaublich aufregend. Durch den Chor fand ich einen natürlichen Zugang zur klassischen Musik.

Wäre es für ein junges Mädchen nicht aufregender, einem Pop-Idol nachzueifern? Beyonce etwa?

Backstreetboys waren bei uns das Ding! Aber ich war nie eine, die ihre Wände mit Popstars tapeziert hat. Klar mochte ich Pop auch – ich hab mir allerdings nie viel daraus gemacht, dem nachzueifern, was gerade cool ist. Bei uns trugen alle Mädchen diese ausgestellten Hippie-Jeans. Da trug ich eben Karottenhosen. Extra.

Zur Person

Zur Person

Regula Mühlemann, wurde 1986 in Adligenswil nahe Luzern in der Schweiz geboren. Sie studierte Gesang an der Hochschule Luzern und hatte ihre ersten Auftritte als Sopranistin am Luzerner Theater. Bei den Salzburger Festspielen debütierte sie 2012 als  Papagena. An der Staatsoper ist sie ab März wieder in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ zu hören.

Anders kann ja auch besonders cool sein.

(lacht) Wenn Sie das sagen ...

Was hören Sie heute privat, wenn nicht gerade Klassik?

Ich beschäftige mich praktisch den ganzen Tag mit Musik. Da ist es manchmal auch ganz schön, einfach Stille zu haben. Aber klar höre ich auch moderne Sachen, wobei mein Mann mir immer vorwirft, rettungslos in den 90ern festzustecken.

Das wären dann?

Franz Ferdinand und Brit-Pop, dazu The Strokes, Nirvana ... Er spielt mir dann immer neuere Sachen vor, damit ich ein bisschen up to date bleibe. Letztens haben wir eine Band gemeinsam entdeckt: „Waikiki Boys“ aus Paris. Die sind spannend.

Spannend ist aber auch, was Sie in Zukunft singen werden. Neben ihren Mozart-CDs haben Sie mit „Cleopatra“ auch ein Album mit Barock-Arien herausgebracht. Nur ein Ausflug oder steckt mehr dahinter?

Barock, ja, die „Poppea“ von Monteverdi würde mich sehr interessieren. Zum Beispiel. Mozart werde ich aber mein ganzes Leben lang treu bleiben, das steht fest. Prinzipiell möchte ich gern weiterhin alles machen. Immer mehr auch romantisches Fach, weil sich die Stimme ja entwickelt. Aber für jede Entwicklung muss man auch ein Risiko nehmen. Das werden für mich in Zukunft die Konstanze im Serail, die Donna Anna im Don Giovanni und die Gilda in Rigoletto sein.

Das klingt nach großem Operngenuss. Ich weiß, dass Sie Edita Gruberova sehr verehren. Wird man Sie in Zukunft auch in einer ihrer Paraderollen hören? Der Zerbinetta oder der Königin der Nacht?

Ich sehe meine Stärke doch in der lyrischen Koloratur. Was Edita Gruberova geschafft hat, war ganz einfach außergewöhnlich. Aber es hatte auch einen Preis. Sie hat selbst in Interviews gesagt: „Ich führe ein Nonnenleben.“ Dafür habe ich höchste Bewunderung – aber ich selbst bin dafür nicht bereit. Ich glaube, man muss auch LEBEN.

Dann freue ich mich, Sie als Pamina in der Zauberflöte in Salzburg zu sehen und davor als Blonde im Serail an der Staatsoper – und als Susanna im Figaro.

Darauf freue ich mich auch schon sehr.

Vielen Dank für das Gespräch.
Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

Kommentare