„Eing’schenkt ist“

5.000 Besucher täglich und 66 Jahre Tradition bei Österreichs größtem und ältestem Weinfest, dem Großheurigen Pfaffstätten

„Wann ich da bin? Natürlich täglich“, sagt Christina Rodlauer lachend. Was ist das auch für eine Frage! Mitte August gibt es für die Pfaffstättnerinnen und Pfaffstättner (NÖ, Bezirk Baden) halt nur ein Thema und einen „Place to be“ – den Großheurigen. Die 24-Jährige weiß das ganz genau, sie ist schließlich Königin, Weinkönigin Christina I., und hat schon als Kind – damals noch mit Kracherl – alljährlich den Sommer in der Stiftgasse verbracht. Dort ist ausg’steckt im XXL-Format bei Österreichs größtem und ältestem Weinfest.

Einmal Königin sein – für Christina I. ein Herzenswunsch seit ihren frühen Fest-Besuchen. Dabei kommt sie nicht einmal aus einer Weinhauerfamilie, doch „der Großheurige, das ist halt ganz was Besonderes“. Aber ist so ein Weinfest, noch dazu eines, das es seit 66 Jahren gibt, nicht ein bisserl angestaubt und altmodisch? „Nein überhaupt nicht, der Großheuriger ist voll jung“. „Der ist einfach supercool, das Highlight des Sommers“, sagt Theresia Kainz, königliche Vorgängerin von Christina I. Schon wieder so eine Frage.

Zum Weinfest in Pfaffstätten gehören auch  Weinköniginnen:  Die Pfaffstättner Regentin Christina I. (M.) mit Kolleginnen

©Foschum Markus

Sprechstunde mit Achterl

Einer, der auch täglich da ist, ist Bürgermeister Christoph Kainz, Vater von Theresia. „Diese zehn Tage sind für dich ein wahrer Marathon“, sagt Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) mit einem Zwinkern bei der Eröffnung der diesjährigen Auflage am Donnerstagabend. Klar, dass da zum 66er auch Udo Jürgens bemüht und zitiert wird, aber mit 66 Jahren fängt in der Stiftgasse heuer tatsächlich wieder das Leben an, weil zwei Jahre Corona-Pause herrschte. Die erste Unterbrechung seit 1954. Jetzt ist wieder Zeit „für Gemeinschaft“, wie Kainz betont. Und ohne die ginge es auch nicht, weil die Stiftgasse ist ja eine ganz normale Wohnstraße und die Anrainer haben zwölf Tage lang Remmidemmi von vormittags bis Mitternacht.

„Das Verständnis ist groß, die Sperrstunde um Mitternacht wird rigoros eingehalten“, betont Kainz. Der nie ohne Block und Kugelschreiber zum Großheurigen geht, weil die Leute mit ihm dort nicht nur ein Achterl trinken oder Plaudern wollen, sondern auch gleich Wünsche und Anliegen deponieren. „Der Großheurige ist sozusagen mein Sprechzimmer“, so Kainz schmunzelnd.

Die Tradition, die Gemeinschaft kann die Beliebtheit bei den Einheimischen vielleicht erklären, aber was bringt Besucher dazu, eine weite Anreise in Kauf zu nehmen, um in Gesellschaft von Tausenden anderen (und es sind bis zu 5.000 täglich) Wein zu trinken. „Das besondere Flair, die Musik, der Wein, die netten Leute“, sagen Gäste aus Deutschland.

Angefangen hat alles 1954 mit einigen, wenigen Standl’n am Hauptplatz, nach einigen Jahren übersiedelte man in die Stiftgasse. Und das Ambiente aus Gastgärten mit Heurigentischen und -bänken, Lichterketten, Luftballon-Verkäufern, Schnitzel und Langos vom Selbstbedienungsstand, Blumenverkäufern sowie Tombola ist auch 2022 ein Erfolgsrezept. Ein durchaus modernes.

Die Jungen

„Unser Publikum hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Es sind sehr viele Jugendliche darunter“, sagt Weinbauvereinsobmann Wolfgang Breyer. Was vielleicht auch mit dem neuen Trend zur Tracht zu tun hat. Da passt das Dirndl zum Nasenpiercing, die Lederhose zum Tattoo und die Stiftgasse wird zur Flaniermeile. Motto: Sehen und gesehen werden. Wert wird aber darauf gelegt, dass es sich um ein Wein- und kein Bierzeltfest handelt.

Jugendlich präsentieren sich nicht nur das Publikum, sondern auch die Leute hinter der Schank. „Wir haben vor einigen Jahren einen Generationensprung geschafft. Heuer sind drei junge Winzer mit einem eigenen Stand auch neu dabei, da sehe ich auch für die nächsten Jahre kein Problem“, sagt Fest-Obmann Roman Schalko, selbst mit 38 Jahren einer von der jungen Gilde. Der Großheuriger funktioniert auch nach 66 Jahren. Bleibt nur die Frage: „Dreh ma no a 8erl Runde?“

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